Beschluss vom 01.11.2022 - BVerwG 1 B 57.22

JurisdictionGermany
Judgment Date01 Noviembre 2022
Neutral CitationBVerwG 1 B 57.22
ECLIDE:BVerwG:2022:011122B1B57.22.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 01.11.2022 - 1 B 57.22 -
Record Number011122B1B57.22.0
Registration Date08 Marzo 2023
Subject MatterRecht der Vertriebenen einschließlich des Rechts der Vertriebenenzuwendung, der Sowjetzonenflüchtlinge und der politischen Häftlinge
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 1 B 57.22

  • VG Köln - 16.06.2020 - AZ: 7 K 14283/17
  • OVG Münster - 09.05.2022 - AZ: 11 A 2097/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2022 wird verworfen
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt
Gründe

1 Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) (1.), auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) (2.) und auf eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) (3.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg, weil sie bezüglich sämtlicher Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen von der Beschwerde geltend gemachter Verfahrensmängel zuzulassen, weil das Vorliegen dieses Revisionszulassungsgrundes nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt ist.

3 Ein Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 15. Juli 2022 - 4 B 32.21 - juris Rn. 18). Das Bezeichnungserfordernis schließt die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2021 - 1 B 62.21 - juris Rn. 2).

4 a) Für die Bezeichnung der von der Beschwerde erhobenen Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bedeutet dies insbesondere, dass es der substantiierten Darlegung dessen bedarf, was der Verfahrensbeteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung vorgetragen hätte und inwieweit dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre oder zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 1991 - 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12, vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15, vom 11. März 1999 - 9 B 981.98 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 54 S. 1 und vom 7. Oktober 2004 - 3 B 62.04 - juris Rn. 7). Das Erfordernis der substantiierten Bezeichnung der für die Gehörsverletzung maßgeblichen Umstände setzt bei einer Gehörsverletzung durch das Ergehen einer Überraschungsentscheidung zudem die detaillierte Darlegung voraus, auf welche nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte die Vorinstanz die angegriffene Entscheidung gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2008 - 6 PB 10.08 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 81 Rn. 2; vgl. zu den Begriffsmerkmalen der Überraschungsentscheidung BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 Rn. 51 sowie BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2017 - 6 B 52.17 - Buchholz 310 § 133 Nr. 114 Rn. 6 und vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - juris Rn. 39). Diesen Vorgaben wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5 Ohne Erfolg rügt die Beschwerdebegründung, das Berufungsgericht habe das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es der angefochtenen Entscheidung ohne vorherigen Hinweis als maßgeblichen Stichtag für das deutsche Volkstumsbekenntnis nicht den 22. Juni 1941, sondern auf der Grundlage historisch unhaltbarer Annahmen zu Odessa, dem Herkunftsort der Klägerin, den Zeitraum von 1943 bis März/April 1944 zugrunde gelegt habe. Dieser Annahme des Berufungsgerichts liege ein vollständig neuer Sachverhalt zugrunde, zu dem die Klägerin keine Gelegenheit zur Äußerung erhalten habe. Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass die westlich des Dnjepr lebenden Deutschen, und damit insbesondere auch diejenigen im Schwarzmeergebiet, zunächst in ihren Gebieten hätten verbleiben dürfen, jedoch nach dem Rückzug der deutschen Truppen und der Zivilverwaltung ab November 1943 in zwei Trecks aus dem Schwarzmeergebiet und ab Januar 1944 aus dem damaligen Transnistrien geflohen seien. Wäre der Klägerin rechtliches Gehör gewährt worden, so hätte sie klargestellt, dass ihr Urgroßvater und ihr Großvater nicht in Transnistrien, sondern im Raum Odessa gelebt hätten, dass von dort seit dem Jahre 1939 aufgrund des Nichtangriffsvertrags zwischen Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durch die Nationalsozialisten Umsiedlungen der deutschen Bevölkerung ins Deutsche Reich bewirkt worden seien, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten...

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