Beschluss vom 03.05.2022 - BVerwG 5 P 1.22

JurisdictionGermany
Judgment Date03 Mayo 2022
Neutral CitationBVerwG 5 P 1.22
ECLIDE:BVerwG:2022:030522B5P1.22.0
Subject MatterPersonalvertretungsrecht und Richtervertretungsrecht
Registration Date13 Septiembre 2022
CitationBVerwG, Beschluss vom 03.05.2022 - 5 P 1.22 -
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesBPersVG a. F. § 67 Abs. 1 Satz 1, § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 3 und 5, § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2,BPersVG § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 70 Abs. 3 Satz 1 und 4, § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, Nr. 7 Alt. 1 und 2, Abs. 5 Nr. 1 und 2, § 108 Abs. 2,ArbGG § 72 Abs. 5, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2,ZPO § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3, § 559 Abs. 2
Record Number030522B5P1.22.0

BVerwG 5 P 1.22

  • VG Berlin - 14.10.2020 - AZ: 72 K 7/20 PVB
  • OVG Berlin-Brandenburg - 10.11.2021 - AZ: 62 PV 10/20

In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Mai 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - vom 10. November 2021 und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin - Fachkammer für Personalvertretungssachen - Bund - vom 14. Oktober 2020 aufgehoben, soweit der Antrag hinsichtlich der Versetzung von Frau B. S. abgelehnt worden ist. Es wird festgestellt, dass diese Versetzung das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt und der Beteiligte zur Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens verpflichtet ist
  2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückgewiesen
Gründe I

1 Die Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers (Personalrat der Agentur für Arbeit B. N.) zu mehreren konkret bezeichneten Personalmaßnahmen unbeachtlich war, sodass die betreffenden Maßnahmen ohne seine Zustimmung und ohne zustimmungsersetzende Entscheidung der Einigungsstelle umgesetzt werden durften.

2 Der Beteiligte (vorsitzendes Mitglied der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit B. N.) bat den Antragsteller im Februar 2020 um Zustimmung zur beabsichtigten Abordnung mit dem Ziel der Versetzung von Frau S. zur Agentur für Arbeit B. N. unter gleichzeitiger Zuweisung zum Jobcenter B. P. sowie um Zustimmung zu deren anschließender Versetzung zur Agentur für Arbeit B. N. Das zugrundeliegende Auswahlverfahren wurde vom Geschäftsführer des Jobcenters unter Verwendung eines elektronischen Bewerbermanagementsystems ("E-Recruiting") durchgeführt. Er wurde dabei von Mitarbeitern des Internen Services der Agentur für Arbeit B. M. unterstützt, die das elektronische Bewerbermanagementsystem verwalten. Der Beteiligte fügte seinem Zustimmungsersuchen eine Übersicht mit Daten zu Frau S. sowie deren Bewerbungsunterlagen bei und führte im Übrigen aus, Frau S. habe sich in dem Auswahlverfahren als bestgeeignete Bewerberin durchgesetzt. Die derzeit auf dem ausgeschriebenen Dienstposten beauftragte Beschäftigte belege Rang 2 und sei Nachrückerin für den Fall einer Absage. Der Antragsteller verweigerte seine Zustimmung zum einen unter Berufung auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG a. F. mit der Begründung, der Beteiligte habe gegen seine Unterrichtungs- und Informationspflicht nach § 68 Abs. 2 BPersVG a. F. verstoßen, da er ihm die vollständigen Auswahlunterlagen nicht vorgelegt habe. Zum anderen berief sich der Antragsteller auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG a. F., weil nicht auszuschließen sei, dass Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber durch ein mangelbehaftetes Auswahlverfahren benachteiligt worden seien. Der Beteiligte sah die Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich an und ging von einer Zustimmungsfiktion aus. Mit Wirkung zum 4. November 2020 wurde Frau S. ohne Durchführung eines weiteren Zustimmungsverfahrens zur Agentur für Arbeit B. N. versetzt.

3 Im Zeitraum von März bis Mai 2020 ersuchte der Beteiligte um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung von vier weiteren namentlich bezeichneten Beschäftigten zur Agentur für Arbeit B. N. unter jeweils gleichzeitiger Zuweisung einer Tätigkeit in einem im Zuständigkeitsbereich dieser Agentur gelegenen Jobcenter. Zudem bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur beabsichtigten Abordnung des Herrn T. an die Agentur für Arbeit B. N. und vorübergehenden Zuweisung einer höher bewerteten Tätigkeit beim Jobcenter B. R. an diesen. Die betreffenden Zustimmungsverfahren liefen im Wesentlichen in gleicher Weise wie im Fall der Frau S. ab, das heißt der Beteiligte fügte dem jeweiligen Zustimmungsersuchen lediglich Unterlagen über die von der Personalmaßnahme betroffene Beschäftigte bzw. den von der Personalmaßnahme betroffenen Beschäftigten bei, woraufhin der Antragsteller jeweils seine Zustimmung mit derselben Begründung wie bei Frau S. verweigerte. Der Beteiligte sah die Zustimmungsverweigerungen auch in diesen Fällen als unbeachtlich an und führte die Maßnahmen durch. Die Herrn T. betreffende Maßnahme endete mit Ablauf des Monats August 2021.

4 Der Antragsteller hat das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt festzustellen, dass die konkret bezeichneten Maßnahmen ohne seine Zustimmung und ohne dass seine Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden wäre, jeweils sein Mitbestimmungsrecht verletze und der Beteiligte verpflichtet sei, das Mitbestimmungsverfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge abgelehnt.

5 Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller die konkreten Feststellungsanträge in den Fällen, in denen die oben genannten Versetzungen in Rede standen, aufrechterhalten, den Frau S. betreffenden konkreten Feststellungsantrag mit Blick auf die zwischenzeitlich durchgeführte Versetzung entsprechend geändert und den konkreten Feststellungsantrag hinsichtlich des Herrn T. mit Blick auf die Beendigung der Maßnahmen auf einen abstrakten Feststellungsantrag umgestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

6 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungsanträge seien zwar zulässig. Die Änderung des Antrags im Fall der Frau S. dahingehend, dass nunmehr auf die Versetzung abgestellt werde, sei ohne Weiteres möglich, weil das Zustimmungsersuchen nach der ständigen Praxis der Beteiligten auch die spätere Versetzung umfasst habe. Insoweit habe der Beteiligte, der durch sein Vorgehen zu erkennen gegeben habe, dass er selbst noch gar nicht entschlossen gewesen sei, Frau S. tatsächlich (aufnehmend) zu versetzen, vom Antragsteller die Zustimmung zur Abordnung und gleichsam auf Vorrat zur Versetzung angestrebt. Das für den abstrakten Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich schon daraus, dass dieser Antrag statt einer Versetzung eine Abordnung zum Gegenstand habe. Alle Feststellungsanträge seien aber unbegründet. Maßgeblich sei insoweit das aktuell geltende Bundespersonalvertretungsgesetz. Denn die konkreten Feststellungsanträge zielten auf die Verwirklichung der Mitbestimmungsbefugnisse und der abstrakte Feststellungsantrag bezwecke eine verbindliche Klärung für gleichartige Fälle in der Zukunft. Die in Rede stehenden Zustimmungsverweigerungen seien somit nunmehr an § 78 Abs. 5 BPersVG zu messen. Für eine danach unbeachtliche Zustimmungsverweigerung werde an der in Bezug auf die Vorgängerregelung des § 77 Abs. 2 BPersVG a. F. gefundenen Rechtsauffassung festgehalten. In den vom Oberverwaltungsgericht nachfolgend zitierten einschlägigen Ausführungen seines Beschlusses vom 24. September 2020 - OVG 62 PV 11.19 - heißt es unter anderem, es sei höchstrichterlich geklärt, dass eine Verletzung der Unterrichtungs- und Informationspflicht des Dienststellenleiters nach § 68 Abs. 2 BPersVG a. F. keinen Gesetzesverstoß im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG a. F. darstelle. Die Besorgnis einer Benachteiligung von Beschäftigten im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG a. F. müsse durch Tatsachen begründet werden, was dem Antragsteller in Ermangelung der Auswahlunterlagen nicht möglich gewesen sei. Auch habe der Antragsteller den Ablauf der Äußerungsfrist nicht dadurch verhindert, dass er den Beteiligten zuvor aufgefordert habe, die Unterlagen der Auswahlentscheidung vorzulegen. Der Anspruch auf Vorlage von Unterlagen nach § 68 Abs. 2 BPersVG a. F. sei streng aufgabenbezogen. Er bestehe nur, wenn die begehrten Unterlagen zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe in Bezug gesetzt werden könnten. Daran fehle es hier. Der Beteiligte habe mit der beabsichtigten Maßnahme auf den Vorschlag des Geschäftsführers des Jobcenters reagiert. Die Auswahlentscheidung sei im Jobcenter getroffen worden. Das Verhalten des Geschäftsführers sei dem Träger nicht als eigenes Verhalten zuzurechnen. Der Beteiligte habe die Auswahl auch nicht tatsächlich wiederholt oder auch nur prüfend nachvollzogen. Er habe sich nur mit der bzw. dem konkreten Beschäftigten befasst. Für die sie bzw. ihn angehende Maßnahme seien die Auswahlunterlagen, die auch andere Bewerberinnen und Bewerber beträfen, nicht...

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