Beschluss vom 03. März 2021 - 2 BvR 1746/18
Datum der Entscheidung: | 2021/03/03 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1746/18 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1.des Herrn Dr. M…, |
||
2.der M… AG, vertreten durch den geschäftsführenden Vorstand Herrn Dr. M…, |
- Bevollmächtigte:
- … -
gegen |
den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 20. März 2018 - 18 Qs 390/17 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hermanns,
den Richter Maidowski
und die Richterin Langenfeld
am 3. März 2021 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 20. März 2018 - 18 Qs 390/17 - verletzt den Beschwerdeführer zu 1. in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit der Beschluss dessen Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 11. August 2017 verwirft. Der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 20. März 2018 - 18 Qs 390/17 - verletzt die Beschwerdeführerin zu 2. in ihrem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit der Beschluss deren Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 25. August 2017 verwirft
- Der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 20. März 2018 - 18 Qs 390/17 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das Land-gericht Darmstadt zurückverwiesen
- Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen
- Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
I.
1. Der Beschwerdeführer zu 1. ist Vorstand der Beschwerdeführerin zu 2., einer Aktiengesellschaft, auf deren Geschäftskonto mit Buchungsdatum vom 27. Februar 2017 ein Geldbetrag in Höhe von 291.855,05 Euro von einer Frau D. aus den USA einging. Auf Nachfrage der Bank legte der Beschwerdeführer zu 1. einen auf den 20. Februar 2017 datierten, in englischer Sprache abgefassten, eineinhalbseitigen Darlehensvertrag zwischen D. und der Beschwerdeführerin zu 2. über 310.000 USD vor. Ausweislich des Vertrages trage die Beschwerdeführerin zu 2. die Transaktionskosten, weshalb nur ein Betrag in Höhe von 291.855,05 Euro überwiesen werde. Der Darlehensvertrag enthielt keine näheren Angaben zur Identität der D., keine Bestimmungen zur Zweckbindung des Darlehens, keine Bestellung von Sicherheiten und auch keine Verweise auf die Hinzuziehung eines Notars oder Rechtsanwalts bei seiner Erstellung. Die Unterschrift der D. erfolgte ausweislich des Darlehensvertrages „for and on behalf“ der Beschwerdeführerin zu 2. Die Bank zweifelte aufgrund dieser äußeren und inhaltlichen Gestaltung des Darlehensvertrages dessen Echtheit an, erstattete im März 2017 eine Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz und stellte Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer zu 1.
2. Mit Beschluss vom 11. August 2017 ordnete das Amtsgericht Darmstadt die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zu 1. als Beschuldigter gemäß § 102 StPO an.
Dem Beschwerdeführer zu 1. werde vorgeworfen, als Vorstand der Beschwerdeführerin zu 2. im Februar 2017 eine auf das Unternehmenskonto eingezahlte Gutschrift über mehr als 291.000 Euro erhalten zu haben, ohne den Geldeingang auf Nachfrage der Bank nachvollziehbar erklärbar gemacht zu haben.
Die Angabe, es handele sich um ein Darlehen einer D. aus den USA, sei nicht plausibel. Nach Durchsicht des überreichten Darlehensvertrages bestünden erhebliche Zweifel an der Echtheit desselben. Zum einen fehlten wesentliche Informationen hinsichtlich der Darlehensgeberin (Ausweisdaten, steuerlicher Wohnsitz, Nationalität), zum anderen enthalte der Darlehensvertrag keine Bestimmung zur Zweckbindung des Darlehens sowie zur Bestellung von Sicherheiten. Diese Handlung sei gemäß § 261 StGB mit Strafe bedroht. Der Tatverdacht beruhe auf den bisherigen polizeilichen Ermittlungen.
Gesucht würden Beweismittel zur Gutschrift beziehungsweise zum Zustandekommen eines Darlehensvertrages sowie die diesbezügliche E-Mail- oder sonstige elektronische oder schriftliche Korrespondenz. Ferner würden weitere Verträge, Rückzahlungsvereinbarungen oder sonstige Vereinbarungen zwischen dem Beschwerdeführer zu 1., D., weiteren Unternehmensverantwortlichen und den Unternehmen gesucht sowie Hinweise auf die vollständigen Personalien, die Unternehmenszugehörigkeit und die reale Existenz der D.
3. Das Amtsgericht Darmstadt erließ am 25. August 2017 einen weiteren, in weiten Teilen wortlautidentischen Durchsuchungsbeschluss gegen die Beschwerdeführerin zu 2. als Dritte gemäß § 103 StPO und ordnete die Durchsuchung von deren Geschäftsräumen an. Die Auffindevermutung ergebe sich daraus, dass der Beschwerdeführer zu 1. Vorstand der Beschwerdeführerin zu 2. sei.
4. Am 6. September 2017 wurden die Durchsuchungsbeschlüsse vollzogen und diverse Gegenstände sichergestellt. Der Beschwerdeführer zu 1. und eine Angestellte bestätigten, den Darlehensvertrag erst nachträglich auf Nachfrage der Bank angefertigt zu haben. Während der Durchsuchung der Beschwerdeführerin zu 2. teilte der Beschwerdeführer zu 1. den Polizeibeamten mit, auf dem Weg von der Durchsuchung seiner Wohnräume zu den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin zu 2. soeben eine E-Mail von D. aus den USA erhalten zu haben, welche die Überweisung und ihren Wunsch einer Umwandlung des Darlehens in Aktienanteile an der Beschwerdeführerin zu 2. bestätige und ihm soeben eine Kopie ihres Reisepasses, ihre Adresse und ihre Mobilfunknummer geschickt habe.
5. Gegen die Durchsuchungen legten der Beschwerdeführer zu 1. mit Schriftsatz vom 11. September 2017 und die Beschwerdeführerin zu 2. mit Schriftsatz vom 19. September 2017 Beschwerde ein, wobei die Schriftsätze dem Amtsgericht Darmstadt spätestens am 29. September 2017 zugingen.
Ein Durchsuchungsbeschluss müsse wegen des Gewichts des Eingriffs in Art. 13 GG die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau wie nach den Umständen des Einzelfalls möglich umschreiben. Wesentliches Merkmal der Strafbarkeit einer Geldwäsche sei die Begehung einer Vortat aus dem Katalog des § 261 Abs. 1 StGB. Erforderlich sei daher die Schilderung des Vortatverdachts. Daran fehle es hier, da eine Tathandlung in Bezug auf die konstitutive Vortat nicht ansatzweise beschrieben werde und daher gänzlich offen bleibe, welche Tat die Annahme des Darlehens strafrechtlich bemakeln könne.
6. Ergänzend legten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 ein auf den 1. Oktober 2017 datiertes „Investment Agreement“ zwischen D. und der Beschwerdeführerin zu 2. sowie eine konsularische Bestätigung der Existenz der D. vor.
7. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Verwerfung der Beschwerde.
Gegen den Beschwerdeführer zu 1. sei eine Anklage wegen Insolvenz- und Betrugsdelikten im Zusammenhang mit Aktienverträgen seines früheren Unternehmens anhängig. In einem weiteren Verfahren sei die Aufsichtsratsvorsitzende der Beschwerdeführerin zu 2. angeklagt wegen Geldanlagebetrug über ein Unternehmen in den USA. Gegen die Beschwerdeführerin zu 2. habe es bereits eine frühere Geldwäscheverdachtsanzeige einer anderen Bank gegeben.
Der Darlehensvertrag sei unter anderem deswegen auffällig, weil auch D. „for and on behalf“ der Beschwerdeführerin zu 2., also in deren Vertretung, unterschrieben und keine eigene Adresse angegeben habe. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen vor Erlass des Durchsuchungsbeschlusses habe sich die Identität und Adresse einer D. nicht ermitteln lassen. Zudem habe bei der Durchsuchung eine Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin zu 2. angegeben, dass der Darlehensvertrag von ihr kurzfristig und erst nach Zahlungseingang erstellt worden sei. Der Beschwerdeführer zu 1. habe dann just nach der Durchsuchung seiner Wohnräumlichkeiten eine angeblich soeben eingegangene E-Mail der D. vorgelegt. Im Übrigen ergebe sich der Anfangsverdacht aus der Verdachtsmeldung der Bank.
8. Auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft erwiderten die Beschwerdeführer, dass zum einen ein Nachschieben von Gründen bei einem Durchsuchungsbeschluss unzulässig sei. Prüfungsmaßstab bleibe auch im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses.
Zum anderen seien ein früherer Geldwäscheverdacht, der sich seinerzeit nicht erhärtet habe, sowie weitere nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren ungeeignet, einen Tatverdacht zu begründen.
Der Ermittlungsrichter und die Staatsanwaltschaft blieben eine Erklärung dafür schuldig, wessen Geld zu welchem Zwecke hier hätte „gewaschen“ werden sollen. Die Staatsanwaltschaft habe bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorstellung davon, welcher Art die Vortat überhaupt sein könne. Es finde sich gar keine (schon gar nicht tatsachenbasierte) Mutmaßung zu der für § 261 StGB konstitutiven Vortat.
9. Mit angegriffenem Beschluss vom 20. März 2018, zugestellt am 28. März 2018, verwarf das Landgericht Darmstadt die Beschwerden gegen die Durchsuchungsbeschlüsse als unbegründet.
Für den Anfangsverdacht einer Geldwäschehandlung im Sinne des § 261 StGB sei es nicht erforderlich, dass eine der in § 261 Abs. 1 StGB genannten Vortaten sicher feststehe. Ausreichend sei vielmehr, dass eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung dafür spreche, dass jedenfalls eine verfolgbare...
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