BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2329/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
- Bevollmächtigter:
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(…) -
1. |
unmittelbar gegen |
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den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn |
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2. |
mittelbar gegen |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Britz
und die Richter Christ,
Radtke
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 5. August 2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung des auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 20. April 2021 - Nr. 58718/15 - gestützten Restitutionsantrags des Beschwerdeführers in einem Verfahren über die Annahme seines volljährigen leiblichen Sohnes nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen.
1. Der Beschwerdeführer ist leiblicher Vater eines 1996 geborenen Sohnes, der nach der Trennung der Eltern im Jahr 1998 bei seiner Mutter und deren neuem Ehemann aufwuchs und keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführer hatte.
a) Im Jahr 2014 reichten der neue Ehemann der Mutter und der Sohn bei dem Familiengericht einen Adoptionsantrag ein. Der Beschwerdeführer war mit einer Annahme seines Sohnes durch den Ehemann der Mutter nicht einverstanden und begründete dies im familiengerichtlichen Verfahren mit einem Identitätsverlust und mit finanziellen Interessen. Mit Beschluss vom 13. August 2014 sprach das Familiengericht die Adoption nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen aus. Alle gesetzlichen Voraussetzungen lägen vor und überwiegende Interessen stünden nicht entgegen. Eine Anhörungsrüge des Beschwerdeführers sowie seine daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg.
b) In seiner Individualbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 27. Oktober 2015 rügte der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 6 und Art. 8 EMRK, dass der Adoptionsbeschluss sein Recht auf Privat- und Familienleben verletze. Mit Urteil vom 20. April 2021 stellte der Gerichtshof fest, dass das Fehlen einer Begründung des familiengerichtlichen Adoptionsbeschlusses vom 13. August 2014 gegen Art. 8 EMRK verstieß.
c) Am 19. Mai 2021 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Familiengericht gestützt auf § 580 Nr. 8 ZPO die Wiederaufnahme des Adoptionsverfahrens und die Aufhebung des ergangenen Beschlusses vom 13. August 2014 sowie die Zurückweisung des Antrags auf Volljährigenadoption.
Mit angegriffenem Beschluss vom 23. September 2021 wies das Familiengericht den Antrag ab. § 197 Abs. 3 FamFG, der die Anfechtung und Wiederaufnahme ausschließe, gehe als speziellere Vorschrift dem auf die Zivilprozessordnung verweisenden § 48 FamFG vor. Sinn und Zweck der Unabänderlichkeit der Adoptionsentscheidung, nämlich Schutz des Wohls des angenommenen Kindes und der Rechtssicherheit, erfordere den Ausschluss jeder Anfechtbarkeit. Eine mit § 95 Abs. 2 BVerfGG vergleichbare Vorschrift existiere für Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG. Ihm werde durch die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrags effektiver Rechtsschutz versagt. Die Bindungswirkung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebe sich aus Art. 46 EMRK in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip. Der vollständige Entzug der Elternstellung des Beschwerdeführers stelle einen äußerst schwerwiegenden Eingriff in Art. 6 Abs. 2 GG dar. Sein Anspruch auf Wiederaufnahme nach der Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen seiner von Art. 8 EMRK geschützten Rechte habe im Hinblick auf die Volljährigkeit des Angenommenen Vorrang vor der Rechtskraft der Entscheidung und den Interessen des Angenommenen und des Annehmenden. Er werde ohne tragfähige Begründung entgegen Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis zum Annehmenden und dem Angenommenen hinsichtlich der Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln ungleich behandelt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor....