Beschluss vom 06.10.2023 - BVerwG 2 VR 3.23

JurisdictionGermany
Judgment Date06 Octubre 2023
Neutral CitationBVerwG 2 VR 3.23
ECLIDE:BVerwG:2023:061023B2VR3.23.0
Record Number061023B2VR3.23.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 06.10.2023 - 2 VR 3.23 -
Registration Date23 Octubre 2023
Subject MatterAllgemeines Beamtenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesGG Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2,VwGO § 99 Abs. 1 Satz 1, § 123 Abs. 1 Satz 2,BBG § 9 Satz 1, § 22 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 3,BGleiG § 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 2, § 37,VwVfG § 46,BLV § 49 Abs. 3

BVerwG 2 VR 3.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Oktober 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 32 262,30 € festgesetzt
Gründe I

1 Das Verfahren betrifft die Vergabe eines Beförderungsdienstpostens beim Bundesnachrichtendienst (BND).

2 Der 1974 geborene Antragsteller ist Bundesbeamter und wird seit 2012 beim BND verwendet. Im Jahr 2017 beförderte ihn die Beklagte zum Direktor beim BND (Besoldungsgruppe B 3 BBesO); seitdem war er als Leiter eines Leitungsstabs, als Leiter der Abteilung A und zuletzt als Leiter eines Direktorats tätig.

3 Der streitgegenständliche, der Besoldungsgruppe B 6 BBesO zugeordnete Dienstposten Bereichsleitung X ist im Rahmen der Neuorganisation des BND zum August 2022 neu geschaffen worden und umfasst im Wesentlichen die Arbeitsbereiche der früheren Abteilungen A, B und C. Er wurde zunächst ämtergleich mit Herrn S. besetzt, der anschließend aber zum Bundesministerium der Verteidigung versetzt wurde. Seit dem 12. Oktober 2022 ist dem Beigeladenen - zusätzlich zu seinem originären Aufgabenbereich als Direktoratsleiter Z - die Vakanzvertretung übertragen.

4 Aufgrund eines Besetzungsvermerks vom 30. November 2022, der keine Erwägungen zu möglichen anderen Bewerbern enthielt, entschied der Präsident des BND nach Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten am 7. Dezember 2022, den Dienstposten mit dem Beigeladenen nachzubesetzen. Nachdem das Bundeskanzleramt um Zustimmung gebeten worden war, wies der im BND für förderliche Dienstpostenbesetzungen zuständige Fachbereich darauf hin, dass auch im Fall des Absehens von einer Ausschreibung zur Wahrung der für eine förderliche Dienstpostenvergabe maßgeblichen Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG von Amts wegen ein Leistungsvergleich der in Betracht kommenden Beamten mit einem Statusamt der Besoldungsgruppe B 3 BBesO anhand der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen müsse. Ein daraufhin unter dem 2. Februar 2023 erstelltes Anforderungsprofil gab das Bundeskanzleramt nach Berücksichtigung beanstandeter "Gender-Anpassungen" am 24. Februar 2023 frei. Anschließend wurden Anlassbeurteilungen für diejenigen (drei) Beamten eingeholt, die den zwingenden Anforderungen des Anforderungsprofils - einer Bewährung in mindestens zwei B 3-Führungsverwendungen mit einer Mindestdauer von insgesamt vier Jahren - genügten. Sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene wurden dabei mit der Bestnote beurteilt. Am 5. April 2023 übermittelte der BND das Anforderungsprofil an die Gleichstellungsbeauftragte.

5 Auf Grundlage des Auswahlvermerks vom 25. April 2023 entschied der Präsident des BND nach Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten am 27. April 2023, den Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Mit Schreiben vom 2. Mai 2023 erteilte das Bundeskanzleramt seine Zustimmung.

6 Nach Bekanntgabe des Ergebnisses des Auswahlverfahrens hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntgabe einer erneuten Auswahlentscheidung zu untersagen, den Dienstposten Bereichsleitung X mit dem Beigeladenen zu besetzen, diesen auf den Dienstposten zu befördern oder den Dienstposten anderweitig endgültig zu besetzen.

7 Die Antragsgegnerin ist dem Vorbringen entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.

8 Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

II

9 Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu befinden hat, ist nicht begründet. Der Antragsteller hat zwar die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung glaubhaft gemacht (1.). Der Antrag zeigt aber keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen auf, sodass dem Antragsteller kein Anspruch auf vorläufige Unterlassung ihres Vollzugs zukommt (2.).

10 1. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den begehrten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.

11 Zwar ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27 und vom 13. Dezember 2018 - 2 A 5.18 - BVerwGE 164, 84 Rn. 22 ff.). Anforderungsprofil und Auswahlentscheidung sind vielmehr ausdrücklich nur auf die Vergabe eines Dienstpostens bezogen. Diese kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, sodass dem Antragsteller nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 - Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1 Rn. 19).

12 Mit der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens ist auch keine "Anwartschaft" oder in sonstiger Weise rechtlich gesicherte Position im Hinblick auf die Vergabe des höherwertigeren Statusamts verbunden (a. A. für das Soldatenrecht offenbar BVerwG, Beschluss vom 6. September 2022 - 1 WB 29.21 - BVerwGE 176, 248 Rn. 31). Die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens begründet keinen Anspruch auf Beförderung (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1970 - 6 C 55.68 - BVerwGE 36, 218 <222> und vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 16). Die Einstufung und Wertigkeit des Dienstpostens, den der Beamte innehat, ist vielmehr kein den Vorgaben des Grundsatzes der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Kriterium (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <103>; Beschluss vom 24. September 2008 - 2 B 117.07 - DÖD 2009, 99 <100>; ebenso BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. März 2013 - 2 BvR 2582/12 - NVwZ 2013, 1603 Rn. 22 f.).

13 Die Auswahlentscheidung vermittelt dem Beigeladenen auch keinen Anspruch darauf, den höherwertigen Dienstposten künftig unverändert ausüben zu dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <151>). Der Beamte muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereichs nach Maßgabe seines Amts im statusrechtlichen Sinn aus jedem sachlichen organisations- oder personalwirtschaftlichen Grund hinnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 18).

14 Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe vermag die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG aber dennoch zu beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 14 ff. m. w. N.). Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe B 6 BBesO bewertete Dienstposten stellt für den Antragsteller, der ein Amt der Besoldungsgruppe B 3 BBesO innehat, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG; vgl. zur ämtergleichen Umsetzung dagegen BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 18). Diese Vorwirkung ist mit der bewusst "förderlichen" Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe B 3 BBesO von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt.

15 2. Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Notwendigkeit, die Dienstpostenübertragung vorläufig zu untersagen, ergibt sich weder aus einer Verhinderung der Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes (a) noch hat der Antragsteller durchgreifende Bedenken an der formellen (b) oder materiellen (c) Rechtmäßigkeit der zugunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung aufgezeigt.

16 a) Soweit der Antragsteller die Dokumentation und Aktenführung der Antragsgegnerin rügt, ist zuzugeben, dass die vorgelegten Unterlagen - die über weite Strecken aus mehrfach ausgedruckten E-Mails bestehen und die dort benannten Anlagen nicht durchgängig enthalten - weder geordnet noch vollständig sind.

17 Damit wird sowohl die Rechtsverfolgung des Antragstellers als auch die Arbeit des Gerichts beeinträchtigt und erschwert. Die Einhaltung des Grundsatzes der Aktenklarheit, -wahrheit und -vollständigkeit dient gerade dem Zweck, die Betroffenen und das Gericht in die Lage zu versetzen, die getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen und eine ordnungsgemäße Prüfung sicherzustellen (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179> = juris Rn. 17 ff. und vom 14. Juli 2016 - 2 BvR 2474/14 - juris Rn. 19). Verwaltungsgerichte haben den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verbürgt auch eine Überprüfung...

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