BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 146/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A…, |
- Bevollmächtigte:
- … -
gegen |
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 234/16 -, |
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b) das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 24. Mai 2016 - 7 U 76/12 -, |
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c) das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. August 2012 - 324 O 768/07 - |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Masing,
Paulus,
Christ
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 7. Juli 2020 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die teilweise Zurückweisung eines Unterlassungsbegehrens gegenüber einem Online-Pressearchiv hinsichtlich einer Verdachtsberichterstattung.
1. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen Unternehmensberater und unterstützte über ein von ihm gegründetes Beratungsunternehmen verschiedene Unternehmen bei der Erschließung ausländischer Märkte. In diesem Rahmen erhielt er für Beratungsleistungen unter anderem von der Firma Siemens Zahlungen im achtstelligen Bereich.
Im Jahr 2007 erschien in der Europaausgabe einer englischsprachigen US-amerikanischen Tageszeitung im Zuge damals öffentlich gewordener und diskutierter Korruptionsermittlungen gegen leitende Mitarbeiter der Firma Siemens ein Artikel, der hauptsächlich am Beispiel des in der Unterüberschrift namentlich genannten Beschwerdeführers speziell über den Fall Siemens und allgemein über die aus Sicht der Artikelautoren fragwürdige Rolle von Beratern bei der Beschaffung von Industrieaufträgen im Ausland berichtete. Seit einigen Jahren komme weltweit der Verteilung von Bestechungsgeldern über schwer zu durchschauende Kanäle durch externe Berater eine gesteigerte Bedeutung zu. Unter anderem berichtet der Artikel von den Beschwerdeführer belastenden Aussagen leitender Siemens-Mitarbeiter, gegen die zu dem Zeitpunkt strafrechtlich ermittelt wurde. Daneben erwähnt der Artikel, dass Siemens zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen habe, dass die Staatsanwaltschaft erklärt habe, dass der Beschwerdeführer bisher weder befragt noch beschuldigt worden sei, dass er selbst die Vorwürfe abstreite und geltend mache, dass er mehrfach erfolglos Korruptionsfälle bei Siemens intern angezeigt habe und dass er einem etwaigen Anruf der Staatsanwaltschaft gelassen entgegenblicke.
Ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde nicht eröffnet. Der Artikel ist in teilweise abgeänderter Form infolge teilstattgebender Gerichtsentscheidungen weiterhin online verfügbar.
2. Nach vorheriger Abmahnung erwirkte der Beschwerdeführer Urteile des Landgerichts Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts, die seinem Unterlassungsbegehren in Teilen stattgaben. Hinsichtlich des Verdachts, der Beschwerdeführer habe für Siemens Bestechungsgelder in großem Umfang an potentielle Siemens-Kunden gezahlt, wiesen beide Instanzen sein Unterlassungsbegehren ab. Es habe sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung um eine zulässige Verdachtsberichterstattung gehandelt. Auch das weitere Bereithalten des Berichts im Online-Archiv greife nicht rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers ein. Zwar erhalte die Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Lauf der Zeit zusätzliches Gewicht. Dieser Eingriff sei jedoch in Anbetracht der Aufgabe der Presse, auch individualisierend über Ereignisse des Zeitgeschehens zu berichten, und des erheblichen öffentlichen Interesses an Bestechungsvorwürfen in Millionenhöhe gerechtfertigt, zumal einem sich aktiv informierenden Nutzer nicht entgehen werde, dass die Vorwürfe sich nicht erhärtet hätten. Der Beitrag sei nämlich auf den Zeitpunkt der Erstveröffentlichung datiert und nur bei einer aktiven Internetsuche auffindbar. Aus demselben Umstand folge auch eine eher geringe Breitenwirkung. Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag, die Mitteilung des Verdachts insoweit zu untersagen, als nicht gleichzeitig mitgeteilt werde, dass die Staatsanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen mangels Anfangsverdachts abgelehnt hat, sei unzulässig, da prozessual verspätet. Im Übrigen sei er auch unbegründet, da ein Anspruch auf einen klarstellenden Nachtrag, wie er in manchen Fällen anerkannt worden sei, mangels Eröffnung eines sich inzwischen überholt habenden förmlichen Verfahrens der Presse nicht zumutbar sei.
3. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mangels grundsätzlicher Bedeutung zurück.
4. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das fortgesetzte Vorhalten der ihn betreffenden Verdachtsberichterstattung. Ein etwaiges geringfügiges Interesse an der Berichterstattung sei durch Zeitablauf erloschen. Die im fachgerichtlichen Verfahren vertretene Bewertung des Artikels als von Anfang an unzulässige Verdachtsberichterstattung hält der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde nicht aufrecht.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie jedenfalls unbegründet ist. Die gerichtliche Zurückweisung des Unterlassungsbegehrens gegenüber der ihn betreffenden, von den Gerichten als ursprünglich zulässig bewerteten Verdachtsberichterstattung im Pressearchiv der Beklagten des Ausgangsverfahrens verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
a) aa) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und bietet dabei insbesondere Schutz vor einer personenbezogenen Berichterstattung und Verbreitung von Informationen, die geeignet sind, die Persönlichkeitsentfaltung erheblich zu beeinträchtigen...