BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 412/04 -
- 2 BvR2491/04 -
über
die Verfassungsbeschwerden
I. | der G... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, |
Schaperstraße 15, 10719 Berlin –
gegen | Artikel 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) vom 29 Dezember 2003 (BGBl I S. 3076, 3086 f.), |
- 2 BvR 412/04 -,
II. | der H... & Co... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, |
Brienner Straße 28, 80333 München –
gegen | Artikel 15 des
Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) vom 29.
Dezember 2003 (BGBl I S. 3076, 3086 f.), |
- 2 BvR 2491/04 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richter Di Fabio
und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 7. November 2007 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) vom 29. Dezember 2003 (BGBl I S. 3076), welcher § 2 Abs. 2 Satz 1 und 4 des Biersteuergesetzes 1993 (BierStG 1993 vom 21. Dezember 1992, BGBl I S. 2150, 2158 f.) änderte und damit die für Bier zu entrichtenden ermäßigten Steuersätze erhöhte.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind mittelständische Brauereien in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Für das von ihnen hergestellte Bier haben sie nach Maßgabe des Biersteuergesetzes 1993 Biersteuer zu entrichten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BierStG 1993). Der Steuertarif ergibt sich aus § 2 BierStG 1993. Nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift beträgt die Biersteuer 0,787 Euro je Grad Plato; Grad Plato ist der Stammwürzegehalt des Bieres in Gramm je 100 Gramm Bier (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BierStG 1993). Abweichend hiervon sieht § 2 Abs. 2 BierStG 1993 einen ermäßigten Steuersatz für Bier aus unabhängigen Brauereien (zu diesem Begriff s. § 2 Abs. 3 BierStG 1993) mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 Hektolitern Bier vor. Bei den Beschwerdeführerinnen handelt es sich um Brauereien, auf die dieser ermäßigte Steuersatz Anwendung findet.
2. a) Die Biersteuer entsteht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BierStG 1993 dadurch, dass Bier aus dem Steuerlager entfernt wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder ein Zollverfahren nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 BierStG 1993 anschließt, oder dadurch, dass es im Steuerlager zum Verbrauch entnommen wird. Steuerschuldner ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BierStG 1993 der Inhaber des Steuerlagers. Steuerlager sind nach § 4 Abs. 2 BierStG 1993 der Herstellungsbetrieb und das Bierlager. Der Steuerschuldner hat die nach § 7 Abs. 1 BierStG 1993 entstandene Steuer bis zum zwanzigsten Tag des Monats zu entrichten, der auf den Monat folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 9 Abs. 1 BierStG 1993).
b) Der Inhaber eines Steuerlagers hat über das Bier, für das in einem Monat die Steuer nach § 7 Abs. 1 BierStG 1993 entstanden ist, bis zum siebten Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BierStG 1993). Die Steuererklärung ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 der Biersteuerverordnung (BierStV vom 24. August 1994, BGBl I S. 2191) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem Hauptzollamt Stuttgart abzugeben. Die Steuer für Bier, das einem ermäßigten Steuersatz unterliegt, wird im laufenden Kalenderjahr nach der Jahreserzeugung des Vorjahres vorläufig festgesetzt; nach Ablauf des Kalenderjahres ist die Steuer unter Zugrundelegung der Jahreserzeugung der Brauerei in dem betreffenden Kalenderjahr dann abschließend festzusetzen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 3 BierStV).
c) Abweichend gestaltet sich das Verfahren dann, wenn Bier ohne Erlaubnis nach § 5 Abs. 2 BierStG 1993 hergestellt wird. Nach Satz 1 dieser Vorschrift bedarf der Erlaubnis, wer Bier unter Steueraussetzung herstellen und lagern will. Fehlt es an dieser Erlaubnis, entsteht die Steuer nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BierStG 1993 mit der Herstellung und ist nach § 9 Abs. 2 BierStG 1993 sofort zu entrichten. Der Steuerschuldner - der Hersteller, § 7 Abs. 2 Satz 2 BierStG 1993 - hat nach § 8 Abs. 2 BierStG 1993 unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Eine derartige Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
II.
Die ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 wurden durch Art. 15 HBeglG 2004 erstmals erhöht.
1. a) Das Haushaltsbegleitgesetz 2004 beruht auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Mit der Initiative sollten vor allem wesentliche Elemente des Haushaltsstabilisierungskonzeptes 2004 der Bundesregierung umgesetzt sowie die dritte Steuerentlastungsstufe von 2005 auf 2004 vorgezogen werden. Das Haushaltsstabilisierungskonzept war darauf ausgerichtet, das Wachstum konsumtiver Ausgaben zu bremsen, Subventionen abzubauen und das Steueraufkommen durch entschiedene Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung zu stabilisieren, um die öffentlichen Haushalte in Höhe mehrerer Milliarden Euro jährlich zu entlasten (vgl. BRDrucks 652/03, S. 21 f.). Dementsprechend sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung unter anderem den Wegfall der Eigenheimzulage, eine Absenkung der Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, den Wegfall der Halbjahresregelung bei Absetzungen für Abnutzungen und eine Rückführung der Vergütung der Mineralölsteuer für in der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff vor.
b) Eine Änderung des Biersteuergesetzes war dagegen nicht vorgesehen; sie war zunächst nicht Gegenstand des dem Erlass des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vorangehenden Gesetzgebungsverfahrens. Ein entsprechender Vorschlag fand sich lediglich in dem sogenannten „Koch-Steinbrück-Papier“ (Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück). Dort ist unter anderem auch eine Anhebung der Steuersätze hinsichtlich der „Mengenstaffel“ - dies ist die gebräuchliche Bezeichnung für die nach dem Bierausstoß gestaffelten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 - vorgesehen. Das Koch-Steinbrück-Papier wurde der Öffentlichkeit am 30. September 2003 vorgestellt. In der Gesetzesinitiative zum Haushaltsbegleitgesetz wurde auf diese Vorschläge der beiden Ministerpräsidenten verwiesen. Hierzu hieß es, die...