BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 16/12 -
a) |
ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) es nicht möglich ist, (vorübergehend) von der Rentenkürzung abzusehen, auch wenn dies die Unterhaltsbedürftigkeit des Ausgleichspflichtigen zur Folge hätte, |
b) |
ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) es nicht möglich ist, (vorübergehend) von der Rentenkürzung abzusehen, wenn das Einkommen des Ausgleichspflichtigen hierdurch unter das Existenzminimum fiele und der Ausgleichsberechtigte noch keine Rente bezieht |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Daun vom 22. Juni 2012 (2a F 74/11) - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Eichberger
und die Richterin Britz
gemäß § 81a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 11. Dezember 2014 einstimmig beschlossen:
- Die Vorlage ist unzulässig
A.
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs in § 101 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. § 101 SGB VI in der Fassung vom 20. April 2007 (BGBl 1989 I S. 2261, BGBl 1990 I S. 1337, BGBl 2007 I S. 554) hatte bis zum 30. August 2009 in Absatz 3 folgenden Wortlaut:
„(3) Wird nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zu Lasten des Versicherten wirksam, wird die Rente oder eine unmittelbar anschließende gleich hohe oder niedrigere Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird. Bei einer unmittelbar anschließenden höheren Rente wird der Abschlag schon vor diesem Zeitpunkt vorgenommen, soweit dies nicht zu einer Unterschreitung der vorangegangenen Rente führt. Entsprechendes gilt, wenn sich aufgrund einer Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich der Zuschlag des Ausgleichsberechtigten mindert. In den Fällen der Sätze 1 bis 3 und des § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105) in der jeweils geltenden Fassung ist der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.“
2. Durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) hat § 101 Abs. 3 SGB VI seit dem 1. September 2009 folgenden Wortlaut erhalten:
„(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt.“
II.
Nach der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage wurden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte zum Zeitpunkt des Versorgungsausgleichs bereits Rente bezog, Rentenkürzungen aufgrund des Versorgungsausgleichs gemäß § 101 Abs. 3 SGB VI erst zu dem Zeitpunkt vollzogen, in dem der durch den Versorgungsausgleich berechtigte Ehegatte seinerseits Rente bezog und dadurch von dem Versorgungsausgleich real profitierte. In der Zwischenzeit erhielt der ausgleichspflichtige Ehegatte weiterhin seine...