BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1474/92 -
der Hotel-Aktiengesellschaft C ... |
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Heinz Meilicke, Dr. Wienand Meilicke, Dr. Jürgen Hoffmann, Dr. Stephan Pauly und Dr. Thomas Heidel, Poppelsdorfer Allee 106, Bonn 1 -
gegen |
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 1992 - VG 9 A 267/92 -, |
hier: Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, |
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Herzog,
der Richter Henschel,
Seidl,
Grimm,
Söllner,
Dieterich,
Kühling
und der Richterin Seibert
am 12. Januar 1993 beschlossen:
- Bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Treuhandanstalt vom 13. Mai 1992 - Az.: PR 51 U5 HG 109/92 - einstweilen angeordnet
I.
Das Verfahren betrifft die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Zulassung der Veräußerung eines Unternehmens gemäß § 3 a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1991 (BGBl. I S. 957). Die angegriffene Entscheidung ist nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Vermögensgesetzes und anderer Vorschriften (Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz 2. VermRÄndG) vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) ergangen.
1. Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft erstrebt die Rückübertragung eines Hotels in Chemnitz. Sie macht geltend, daß es sich bei ihr um die fortbestehende Aktiengesellschaft mit gleicher Firma (im folgenden: AG) handele, zu deren Vermögen das Hotel ursprünglich gehört hatte.
Das Hotel wurde seit 1930 von der AG auf Grundstücken der Stadt Chemnitz betrieben, an denen der AG ein Erbbaurecht bestellt war. Die Stadt Chemnitz war spätestens 1948 Inhaberin der Aktienmehrheit. Im Mai 1949 wurde das kommunale Wirtschaftsunternehmen der Stadt Chemnitz (KWU) Inhaber der Aktien der Stadt. Am 15. Dezember 1949 beschloß die Generalversammlung der AG, deren gesamtes Vermögen auf das KWU zu übertragen und die Aktiengesellschaft "formal zur Abwicklung" zu bringen. Der Übernahmevertrag sah als Gegenleistung vor, daß das KWU auf die zwischenzeitlich ihm zustehenden, durch Hypotheken auf dem Erbbaurecht gesicherten Forderungen verzichtete. Ferner verpflichtete sich das KWU, den Inhabern der Aktienurkunden 75 vom Hundert des Nominalwertes auszuzahlen.
In der Folgezeit wurde das Vermögen der AG auf das KWU übertragen. Das Grundstück ging 1951 in Volkseigentum über. Der Hotelbetrieb wurde 1952 von der HO-Gaststätten übernommen. Im November 1951 wurde in das Handelsregister eingetragen, daß die Liquidation der AG beendet und die Firma erloschen sei. Unternehmensträgerin des Hotels und Eigentümerin des Betriebsgrundstücks ist derzeit eine GmbH, deren Geschäftsanteile die Treuhandanstalt hält.
Nachdem im Jahre 1991 für die AG ein Nachtragsliquidator und ein Pfleger für unbekannte Aktionäre bestellt worden waren, fand eine für die Gesellschaft in Liquidation einberufene Hauptversammlung statt, auf der die Fortsetzung der AG als werbende Gesellschaft sowie eine Herabsetzung des Grundkapitals unter gleichzeitiger Kapitalerhöhung beschlossen wurden. Der Löschungsvermerk im Handelsregister wurde daraufhin gemäß § 6 Abs. 10 VermG gelöscht.
2. Schon 1991, als sich die Gesellschaft noch im Stadium der Liquidation befand, meldeten der Pfleger für unbekannte Aktionäre und der Nachtragsliquidator für die Gesellschaft Ansprüche auf Rückgabe des Hotels an. Die Stadt Chemnitz meldete ebenfalls den Rückgabeanspruch an; sie hat jedoch später erklärt, daß sie mit dem Verkauf des Hotels einverstanden sei und ihren Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung beschränke.
3. Mit Bescheid vom 13. Mai 1992 ließ die Treuhandanstalt gemäß § 3 a VermG die Veräußerung des Hotels mitsamt dem Betriebsgrundstück an die Beigeladene des Ausgangsverfahrens zu. Zur Begründung führte sie aus, eine Berücksichtigung des Investitionskonzepts der Beschwerdeführerin scheide aus, weil diese nicht als Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes angesehen werden könne. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Schädigung im Sinne von § 1 VermG vorliege, bestehe die AG nicht fort und könne auch das Unternehmen nicht zurückfordern, weil das nach § 6 Abs. 1 a VermG hierfür erforderliche Quorum von mehr als 50 vom Hundert des Aktienkapitals mangels einer Beteiligung der Stadt Chemnitz nicht erreicht sei.
4. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Widerspruch und - nach dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes - Anfechtungsklage erhoben. Ferner hat sie beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage, hilfsweise ihres Widerspruchs, anzuordnen.
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