BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 580/22 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
- Bevollmächtigter:
-
(…) -
gegen |
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln |
|
vom 15. Februar 2022 - 27 UF 149/21 -, |
||
b) den Beschluss des Amtsgerichts Siegburg |
||
vom 10. November 2021 - 311 F 6/21 - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Britz
und die Richter Christ,
Radtke
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 13. Juli 2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG)
Die Verfassungsbeschwerde betrifft familiengerichtliche Entscheidungen, in denen die Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer abgelehnt wurde.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist der leibliche Vater eines im August 2011 geborenen Sohnes. Die Trennung von der Mutter erfolgte bereits vor der Geburt des Kindes. Bislang hat er mit seinem Sohn nicht zusammengelebt und hatte auch nie das Sorgerecht für diesen inne. Die Mutter heiratete 2012 einen anderen Mann; aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Nach Trennung der Eheleute und Scheidung der Ehe verblieben der Sohn des Beschwerdeführers und seine Halbschwester zunächst bei der Mutter, wechselten später aber beide in den Haushalt von deren (früherem) Ehemann. Seitdem lebt der Sohn dort. Der Mutter wurde das Sorgerecht für den Sohn des Beschwerdeführers entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt. In der Vergangenheit war es bereits zu mehreren familiengerichtlichen Verfahren gekommen, in denen der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn geregelt wurde.
2. Im der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren beantragte der Beschwerdeführer erfolglos, ihm die alleinige Sorge für seinen Sohn zu übertragen und diesen an ihn herauszugeben. Das Familiengericht hörte die Verfahrensbeteiligten sowie den Sohn persönlich an und holte ein Sachverständigengutachten ein. In seinem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen, den Antrag des Beschwerdeführers zurückweisenden Beschluss vom 10. November 2021 führte es aus, die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für einen Wechsel des Sohnes in den Haushalt des Beschwerdeführers lägen nicht vor. Vor allem die Grundsätze der Kontinuität und Stabilität sprächen für einen Verbleib des Sohnes im Haushalt der Pflegeeltern (dem früheren Ehemann der Mutter und dessen jetziger Ehefrau). Zwar attestiere das Sachverständigengutachten sowohl den Pflegeeltern als auch dem Beschwerdeführer die Fähigkeit zu grundlegender Versorgung und Förderung des Sohnes. Allerdings sei der Wechsel in den Haushalt des Beschwerdeführers wegen dessen deutlich eingeschränkten emotionalen Kompetenzen (u.a. dem Vorrang der eigenen Bedürfnisse, der erheblichen Bindungsintoleranz und der Instrumentalisierung des Kindes) mit einem signifikanten Risiko für die Bindungen und die weitere sozio-emotionale Entwicklung des Sohnes verbunden.
Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht ohne Anhörung des Beschwerdeführers und seines Sohnes mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2022 zurück. Das Familiengericht habe in Ergebnis und Begründung zutreffend und in Übereinstimmung mit den Einschätzungen der fachlich Beteiligten eine Änderung der vorhandenen Regelung zur elterlichen Sorge nach § 1696 BGB abgelehnt. Von der erneuten mündlichen Verhandlung habe nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden können. Insbesondere eine erneute Kindesanhörung erscheine nicht geboten, weil diejenige vor dem Familiengericht nicht lange zurückliege und deren Ergebnisse in einem ausführlichen Vermerk niedergelegt seien. Zudem habe der Sohn die Anhörung als sehr belastend empfunden. Jugendamt und Verfahrensbeistand hielten regelmäßig Kontakt zu ihm und hätten seine Wünsche und Bedürfnisse in ihren Berichten übermittelt.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geltend. Die fachgerichtlichen Entscheidungen würden den verfassungsrechtlichen Maßstäben dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Kind aus dem Haushalt von Pflegeeltern zu seinen leiblichen Eltern wechselt, nicht gerecht. Eine Zusammenführung des Beschwerdeführers mit seinem Sohn entspreche dem Kindeswohl. Insbesondere die von den Fachgerichten betonte Kontinuität der Lebensverhältnisse stehe dem Wechsel zum Beschwerdeführer nicht im Wege.
II.
Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer zeigt nicht die Möglichkeit auf, durch die Entscheidungen des Familien- und des Oberlandesgerichts in dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. An der ausreichenden Darlegung einer möglichen Verletzung dieses Grundrechts fehlt es selbst dann, wenn die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen an den strengen, aus Art. 6 Abs. 3 GG folgenden Anforderungen zu messen wären, die für das Aufrechterhalten der Trennung eines Kindes von seinen beiden Elternteilen maßgeblich sind. Ob diese hier zu Anwendung gelangen, obwohl der Beschwerdeführer bislang niemals mit seinem Sohn zusammengelebt hat, bedarf daher ungeachtet der Frage rechtlicher Vaterschaft keiner Entscheidung.
1. Der...