BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 9/15 -
über den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
die Art. 3 Nr. 1 a), b), e), Nr. 2 und Nr. 5 a) aa) des Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz - MietNovG) vom 21. April 2015 (BGBl I S. 610) vorläufig, längstens für die Dauer von sechs Monaten, außer Vollzug zu setzen, |
Antragsteller: |
1. B…, 2. S…, 3. G… |
- Bevollmächtigter:
-
Rechtsanwalt Dr. Uwe Lipinski,
Bahnhofstraße 55 - 57, 69115 Heidelberg -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Gaier,
Schluckebier,
Paulus
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 13. Mai 2015 einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist darauf gerichtet, das zum 1. Juni 2015 vorgesehene Inkrafttreten des Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz - MietNovG) vom 21. April 2015 (BGBl I S. 610) auszusetzen, soweit durch das Gesetz das so genannte Bestellerprinzip bei der Vermittlung von Mietverträgen über Wohnraum vorgeschrieben werden soll.
1. Durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz wird im Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermG) das „Bestellerprinzip in seiner materiellen Bedeutung“ für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll diejenige Partei, die sich eines Wohnungsvermittlers bediene und in deren wirtschaftlichem Interesse der Vermittler vorwiegend tätig werde, auch dessen Vertragspartner im rechtlichen Sinne werden und bleiben; der Veranlasser der Maklerleistung soll daher verpflichtet sein, die anfallende Maklercourtage zu begleichen (vgl. BTDrucks 18/3121, S. 16). Danach kommen entgeltpflichtige Maklerverträge, die zukünftig der Textform bedürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 WoVermG n.F.), zwischen einem Wohnungsuchenden und einem Wohnungsvermittler (Makler) nur noch dann zustande, wenn der Makler ausschließlich wegen des Vertrags mit dem Wohnungsuchenden diejenige Wohnung beschafft, über die der Mietvertrag schließlich zustande kommt (§ 2 Abs. 1a WoVermG n.F.). Hat hingegen der Vermieter dem Makler eine Wohnung zur Suche eines für ihn geeigneten Mieters an die Hand gegeben, soll der Mieter nicht zur Zahlung der Courtage verpflichtet sein. Vereinbarungen, durch die Wohnungsuchende verpflichtet werden, ein vom Vermieter oder einem Dritten geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen, sind unwirksam (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 WoVermG n.F.). Verstöße von Wohnungsvermittlern gegen das Verbot, von Wohnungsuchenden ein Entgelt zu fordern, können mit Bußgeldern bis zu 25.000 € verfolgt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 WoVermG n.F.).
Auch künftig könnten aber sowohl Mieter als auch Vermieter Auftraggeber des Wohnungsvermittlers sein (vgl. BTDrucks 18/3121, S. 1). Die Regelung ist ausweislich der Gesetzesbegründung in erster Linie für angespannte Wohnungsmärkte relevant. Auf ausgeglichenen Wohnungsmärkten oder auf Teilmärkten mit einem Überschuss an freien Mietwohnungen habe der Vermieter jedenfalls nicht zwingend die Marktmacht, Maklerkosten auf den Wohnungsuchenden abzuwälzen (vgl. BTDrucks 18/3121, S. 16).
2. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind Immobilienmakler, die sich durch die Einführung des Bestellerprinzips in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen. Der Antragsteller zu 3) ist ein Wohnungsmieter, der meint, in seinem Recht auf Vertragsfreiheit verletzt zu sein.
a) Der Antragsteller zu 1) betreibt seit dem Jahr 1994 in W. im Landkreis R. ein einzelkaufmännisches Unternehmen zur Immobilienvermittlung. Seine Geschäftstätigkeit besteht unter anderem in der Vermittlung von Miet- und Kaufverträgen. Nach eigenen Angaben führt der Antragsteller zu 1) jährlich bis zu 1.000 Grundstücks- und Wohnungsbesichtigungen in einem Gebiet zwischen dem Bodensee und der Stadt Laupheim (Landkreis Biberach) durch. Dabei sollen bislang etwa 30 % des Umsatzes auf den Bereich der Wohnraumvermietung entfallen sein. Bereits seit der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag am 5. März 2015 und der Zustimmung durch den Bundesrat am 27. März 2015 hätten sich erhebliche Umsatzeinbußen bemerkbar gemacht. Im ersten Quartal 2013 habe der Umsatzanteil aus Mietverträgen noch 28 %, im ersten Quartal 2014 noch 18 % und im ersten Quartal 2015 nur noch knapp 6 % betragen. Der anteilige Gewinn sei entsprechend zurückgegangen. Die Gewinnentwicklung könne jedoch noch nicht genauer bestimmt werden, weil sich der Gesamtumsatz aus mehreren Bereichen zusammensetze, unter anderem auch aus der Vermittlung von Grundstücken zum Erwerb.
Darüber hinaus bietet der Antragsteller zu 1), angeblich als einziger Makler in der Region, in größerem Umfang „Home Staging“ an. Hierbei werden durch gezielten Einsatz von Möbeln, Farbe, Licht und Fußbodengestaltung Immobilien auf den Verkauf vorbereitet, um die Angebotszeit zu verkürzen und einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Nach dem Vortrag des Antragstellers zu 1) hätten verschiedene Eigentümer, die ihm für diese Dienste zuvor schon mehrere Objekte an die Hand gegeben hätten, klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nach dem 1. Juni 2015 die Zusammenarbeit einstellen oder zumindest stark einschränken würden. Er sei daher bereits gezwungen gewesen, Personal abzubauen, insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen selbständigen Maklern zu beenden. Ihre künftige Bezahlung habe er trotz Umplanungen und Einsparung an anderer Stelle angesichts der zu erwartenden Umsatzentwicklung nicht mehr garantieren können.
b) Der Antragsteller zu 2) betreibt in N. (Landkreis H.) in Form einer Kommanditgesellschaft ein auf die Vermittlung von Mietwohnungen spezialisiertes Maklerbüro. Nach eigenen Angaben erzielt er seit circa 20 Jahren durchschnittlich mindestens 95 % seiner Einnahmen aus diesem Bereich. Er verfüge auch nur über eine Gewerbeerlaubnis für die Vermittlung von Mietverträgen und nicht für den Verkauf von Immobilien. Den Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau bestreite er derzeit vollständig aus Provisionen, die er durch die Vermittlung von Mietobjekten erziele. Die Maklertätigkeit solle auch im Alter den gemeinsamen Lebensunterhalt sichern, eine andere Vorsorge hätten sie nicht getroffen. Zu diesem Zweck habe der Antragsteller zu 2) schon seit einiger Zeit Kernbereiche des Unternehmens wie die Terminvereinbarungen und die Akquise von Wohnungen und Mietinteressenten auf externe Mitarbeiter ausgelagert, von denen einige bereits Ende des Jahres 2014 mit Blick auf die Einführung des Bestellerprinzips ihre Zusammenarbeit gekündigt hätten. Derzeit befänden sich 68 Wohnungen im Bestand des Antragstellers zu 2), die mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juni 2015 faktisch und rechtlich unvermittelbar seien, weil er weder von den Eigentümern noch von den Mietinteressenten eine Provision erhalten könne.
c) Der Antragsteller zu 3) ist Mieter einer Wohnung in W. (Landkreis R.), die ihm vom Antragsteller zu 1) vermittelt worden ist. Er beabsichtigt, auch künftig Wohnungen über ihn und andere...