Beschluss vom 14.01.2021 - BVerwG 2 B 66.20

Judgment Date14 Enero 2021
Neutral CitationBVerwG 2 B 66.20
ECLIDE:BVerwG:2021:140121B2B66.20.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 14.01.2021 - 2 B 66.20
Registration Date03 Junio 2021
Record Number140121B2B66.20.0
Subject MatterBeamtendisziplinarrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 2 B 66.20

  • VG Dresden - 22.09.2015 - AZ: VG 10 K 1678/13
  • OVG Bautzen - 31.01.2020 - AZ: OVG 12 A 89/17.D

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Januar 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Sächsisches Vermessungs- und Katastergesetz vom 29. Januar 2008, SächsGVBl. 2008, S. 138 - SächsVermKatG -, § 70 SächsDG und § 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

2 1. Der 1956 geborene Kläger ist als selbstständiger Vermessungsingenieur tätig. Im Dezember 1999 bestellte ihn das Sächsische Staatsministerium des Innern zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur des Freistaats Sachsen. Dem Kläger wird in der Disziplinarverfügung vorgeworfen, er habe in 25 Fällen im Zeitraum vom September 2007 bis November 2009 Kosten für seine Amtshandlungen erhoben, bevor der Kostenanspruch entstanden sei (Tatkomplex 1). Ferner habe er entgegen einer behördlichen Weisung keine Auskunft erteilt, sodass sich die Behörde gezwungen gesehen habe, die mit der Weisung erbetenen Auskünfte selbst einzuholen (Tatkomplex 2). Der Kläger habe die fachaufsichtliche Weisung des Staatsbetriebs Geobasisinformation und Vermessung zur Bereitstellung von Unterlagen für eine anlassbezogene Amtsprüfung trotz Mahnung der Behörden erst am 19. Oktober 2010 vollständig umgesetzt (Tatkomplex 3). In acht Fällen habe der Kläger ohne Anträge Katastervermessungen vorgenommen und für diese Amtshandlungen keine Kosten erhoben (Tatkomplex 4). Auch habe er das Straßenbauamt Leipzig bei der Beantragung einer Katastervermessung zu dessen finanziellen Nachteil falsch beraten, den Leistungsbescheid zum Nachteil des Kostenschuldners fehlerhaft erstellt sowie den Zahlungsnachweis über die Erstattung seiner Mehreinnahmen trotz behördlicher Weisung bis zur Klageerhebung nicht vorgelegt (Tatkomplex 5). Schließlich habe er ein Verwaltungsverfahren zur Grenzwiederherstellung nicht ordnungsgemäß durchgeführt und am 10. September 2009 eine falsche Fertigungsaussage getroffen (Tatkomplex 6).

3 Mit der Disziplinarverfügung vom 6. Februar 2013 erlegte der Staatsbetrieb dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von 3 000 € auf. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Disziplinarverfügung erhobene Klage mit Urteil vom 22. September 2015 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarverfügung vom 6. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 30. Oktober 2013 aufgehoben, soweit die festgesetzte Geldbuße 2 000 € übersteigt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in seinem Urteil vom 31. Januar 2020 im Wesentlichen ausgeführt: § 26 SächsVermKatG sei verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure zulässigerweise dem für Beamte geltenden Disziplinarrecht unterworfen. Eine Geldbuße in Höhe von 2 000 € statt 3 000 € sei ausreichend, um das festgestellte einheitliche Dienstvergehen des Klägers zu ahnden und ihn zur künftig pflichtgemäßen Amtsausübung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur anzuhalten. Hinsichtlich des Tatkomplexes 5 habe der Kläger keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen. Auch habe der Kläger die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht zu verantworten. Dies führe zu einer deutlichen Verringerung der wegen der nachgewiesenen Vorwürfe des Tatkomplexes 1 (nur bezgl. lfd. Nrn. 7 bis 25) sowie der Komplexe 2, 3, 4 und 6 festgesetzten Geldbuße.

4 2. Die Rüge von Verfahrensmängeln ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet. Das Berufungsurteil leidet nicht an den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängeln.

5 a) Der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben. Das Oberverwaltungsgericht war beim Berufungsurteil vorschriftsmäßig besetzt.

6 aa) Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts sind dem 12. Senat (Disziplinarsenat) "alle Sachen der Disziplinargerichtsbarkeit" zugeteilt. Erfasst sind davon sowohl diejenigen gerichtlichen Streitigkeiten, die sich aus der unmittelbaren Anwendung des Sächsischen Disziplinargesetzes ergeben (§§ 1 und 2), als auch solche Gerichtsverfahren, die Folge der nur mittelbaren Anwendung dieses Gesetzes sind. Dies trifft auf Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure zu. Verletzen diese die ihnen obliegenden Amtspflichten schuldhaft, richtet sich die Ahndung dieses Dienstvergehens gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG nach den disziplinarrechtlichen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen, soweit nicht im Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes etwas Abweichendes bestimmt ist.

7 bb) Unbegründet ist auch das Vorbringen der Beschwerde des Klägers, der Senat des Berufungsgerichts sei im Hinblick auf die Beamtenbeisitzer nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.

8 § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG sieht die entsprechende Anwendung der disziplinarrechtlichen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen auf Dienstvergehen Öffentlich bestellter Vermessungsingenieure vor. Die "entsprechende" Anwendung hat dabei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren nicht um Beamte, sondern nach § 20 Abs. 1 Satz 3 SächsVermKatG um Beliehene handelt, d.h. um natürliche Personen, denen aufgrund eines Gesetzes die Erledigung hoheitlicher Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts übertragen worden ist.

9 § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SächsDG regelt, welche Behörden und Organisationen berechtigt sind, dem zur Wahl der ehrenamtlichen Richter nach § 26 VwGO bestellten Ausschuss Vorschläge für die Beamtenbeisitzer zu unterbreiten. Den in § 48 Abs. 3 Satz 4 SächsDG genannten Spitzenorganisationen der Beamten des Freistaates Sachsen ist nach Maßgabe von § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG die Landesgruppe Sachsen des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. (BDVI) gleichzustellen. Mit den "Spitzenorganisationen der Beamten des Freistaates Sachsen" meint der Gesetzgeber die - gesetzlich nicht verfassten - Interessenvertretungen der Beamten des Freistaates, wie den Sächsischen Beamtenbund und den Deutschen Gewerkschaftsverbund. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG übertragen auf den Bereich der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure bedeutet diese Vorschrift, dass der seitens des beklagten Freistaates beim Vollzug dieses Gesetzes anerkannte Interessenverband der Vermessungsingenieure vorschlagsberechtigt ist. Dies ist die Landesgruppe Sachsen des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V., die nach § 20 Abs. 2 SächsVermKatG im Verfahren der Bestellung eines freiberuflich tätigen Vermessungsingenieurs zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur als deren "berufsständische Vertretung" angehört wird. Nach der im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahme der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dresden, der die Wahl der Beisitzer des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts oblag, hat die Landesgruppe Sachsen auch Vorschläge unterbreitet, aus denen die beiden Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure gewählt wurden.

10 Unbedenklich ist auch, dass die beiden Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in der Anlage 1 "Landesbeamtenbeisitzer" des Geschäftsverteilungsplans des Oberverwaltungsgerichts aufgeführt sind. Durch ihre Bezeichnung "ÖbV" in der Kategorie "Laufbahngruppe" der Anlage 1 zu Teil E des Geschäftsverteilungsplans wird verdeutlicht, dass es sich bei ihnen um die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure handelt, die nach § 26 Abs. 3 SächsVermKatG an die Stelle eines Beamtenbeisitzers treten. Die nach dieser Vorschrift ebenfalls mitwirkende Bedienstete der oberen Vermessungsbehörde - "zweite Beamtenbeisitzerin" i.S.v. § 26 Abs. 3 SächsVermKatG - ist ebenso in der Anlage 1 zu Teil E des Geschäftsverteilungsplans bezeichnet.

11 b) Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (Beschwerdebegründung I 2.) ist unzulässig. Denn es fehlt an der erforderlichen näheren Bezeichnung des Verfahrensmangels i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der - in der Beschwerde nicht weiter erläuterte - Begriff der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. § 96 VwGO), die nicht die Einvernahme von Zeugen voraussetzt, passt nicht zu den weiteren Ausführungen unter I 2. der Beschwerdebegründung, der Kläger habe das Verfahren so empfunden, als sei ihm eine Darstellung der konkreten Abläufe in den Einzelfällen und der jeweils maßgeblichen Umstände nicht möglich gewesen. Diese Ausführungen deuten eher darauf hin, dass Verstöße gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder gegen das Recht auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden sollen.

12 c) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe durch seine Annahme, es sei bei der Übergabe von Vermessungsschriften zu Verzögerungen gekommen (Tatkomplex 1, lfd. Nrn. 7 bis 25), gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen (Beschwerdebegründung I 3.), ist unbegründet.

13 Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Pflicht des Gerichts zur...

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