Beschluss vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20161114.2bvr003114 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14 - Rn. (1-14), |
Date | 14 Noviembre 2016 |
Judgement Number | 2 BvR 31/14 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 31/14 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. |
der Frau S ... , des minderjährigen Kindes A ... , des minderjährigen Kindes A ... , |
- Bevollmächtigter:
-
Rechtsanwalt Sükrü Bulut,
Adenauerallee 8, 20097 Hamburg -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 2013 - 14 A 2663/13.A -, |
b) |
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Oktober 2013 - 17 K 3965/13.A -, |
|
c) |
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. März 2013 - 5605263 - 475 - |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
die Richterin Kessal-Wulf,
den Richter Maidowski
am 14. November 2016 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 2013 - 14 A 2663/13.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes
- Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen
- Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die ihnen im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten
- Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
I.
1. Die am 1. Januar 1978 geborene Beschwerdeführerin zu 1. und ihre beiden Kinder, die am 9. Oktober 2008 und am 1. Januar 2011 geborenen Beschwerdeführer zu 2. und 3., sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik beantragten sie hier Asyl. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 28. März 2013 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab und stellte das Vorliegen eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG fest. Bei einer Rückkehr nach Syrien sei mit einer Rückkehrerbefragung zu rechnen, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöse.
2. a) Die Beschwerdeführer klagten gegen diesen Bescheid. Sie beriefen sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt und einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Nach diesen Entscheidungen begründe die erwartbare Folter in den vom syrischen Regime durchgeführten Rückkehrerbefragungen die Flüchtlingseigenschaft.
b) In der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin zu 1. persönlich angehört und gab an, dass sie zwischenzeitlich auf Internetseiten der syrischen Opposition zwei regimekritische Artikel veröffentlicht habe, in denen sie das Regime unter anderem wegen der Ermordung von Kindern und des Einsatzes von Giftgas kritisiert habe. Als Kurden würden sie und ihre Kinder in Syrien sowohl von den Islamisten als auch von der Regierung verfolgt.
c) Mit Urteil vom 8. Oktober 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Anerkennung der Beschwerdeführer als Asylberechtigte scheide schon aufgrund der nicht erwiesenen Einreise auf dem Luftweg aus. Die exilpolitischen Aktivitäten der Beschwerdeführerin zu 1. seien zu unwesentlich, um eine Verfolgungswahrscheinlichkeit für die Beschwerdeführerin zu 1. zu begründen; derartige Aktivitäten seien derzeit bei einer großen Anzahl bisher unpolitischer syrischer Staatsangehöriger zu beobachten und dienten zum Teil ausschließlich zur Schaffung eines Nachfluchtgrundes. Im Übrigen fordere die Beschwerdeführerin zu 1. nicht explizit den Sturz des derzeitigen Regimes, so dass der syrische Geheimdienst hier von einer irrelevanten Aktivität ausgehen werde. Weiterhin sei in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen...
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