BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1539/94 -
- 1 BvR 373/98 -
über
die Verfassungsbeschwerden
des Kurdistan-Komitee e.V.
Lindenstraße 14, Bremen -
1 gegen | den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 6.93 - |
und | Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts |
- 1 BvR 1539/94 -,
2. gegen a) | das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 A 9.93 -, |
b) | den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 22. November 1993 - IS 1 - 619 314/27 - |
und | Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts |
- 1 BvR 373/98 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Richter Kühling,
die Richterin Jaeger
und den Richter Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. Juni 2000 einstimmig beschlossen:
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts werden zurückgewiesen.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Beide Verfassungsbeschwerden betreffen dasselbe Vereinsverbot. Das beschwerdeführende Kurdistan-Komitee e.V. ist durch Verfügung des Bundesministeriums des Innern verboten und aufgelöst worden. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der dagegen gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb erfolglos. Die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist Gegenstand des ersten Verfassungsbeschwerdeverfahrens (1 BvR 1539/94). Inzwischen ist auch das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden. Gegen die darin ergangene Entscheidung richtet sich die zweite Verfassungsbeschwerde (1 BvR 373/98).
I.
1. Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck, den Unabhängigkeits- und Freiheitskampf des Volkes von Kurdistan vor der europäischen Öffentlichkeit bekannt zu machen. Einziges Vorstandsmitglied war seit der Gründung der Vereinigung im Jahre 1984 und auch im Zeitpunkt der Auflösungsverfügung die deutsche Staatsangehörige L. Die überwiegende Zahl der Mitglieder sind Ausländer. Der Verein unterhielt ein Büro in Köln.
2. Mit Verfügung vom 22. November 1993 verhängte das Bundesministerium des Innern gegen den Beschwerdeführer ein Verbot, das mit einer Auflösungsanordnung verbunden war, und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers laufe den Strafgesetzen zuwider, richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährde die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland.
3. Mit Beschluss vom 15. Juli 1994 lehnte das - erstinstanzlich zuständige - Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Auch in der Hauptsache hatte der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht wies seine gegen die Verbotsverfügung gerichtete Klage zuerst durch Gerichtsbescheid und sodann, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, durch das angegriffene Urteil ab.
4. Mit seinen Verfassungsbeschwerden rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 VereinsG und Art. 11 Abs. 1 EMRK, aus Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde gegen den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss (1 BvR 1539/94) ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache gegenstandslos geworden ist. Die Vollzugsanordnung entfaltet nur bis zur Rechtskraft des Vereinsverbots Wirkungen. Auch die gegen die Entscheidung im Hauptsacheverfahren gerichtete Verfassungsbeschwerde 1 BvR 373/98 (im Folgenden: Verfassungsbeschwerde) ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Anträge auf Prozesskostenhilfe sind mangels Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerden zurückzuweisen.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung.
a) Die Verfassungsmäßigkeit des § 14 VereinsG in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht wirft keine klärungsbedürftigen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Einwände gegenüber dem Begriff des Ausländervereins in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht schlagen nicht durch.
aa) Der Beschwerdeführer vertritt dazu die Auffassung, dass über Art. 1 Abs. 1 GG auch Bürgerrechte wie die Vereinsfreiheit auf Ausländer anzuwenden seien. Dieses Argument hat das Bundesverfassungsgericht jedoch für das ebenfalls Deutschen vorbehaltene Grundrecht der Berufsfreiheit bereits mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Selbstverständlichkeit, dass Ausländer Träger von Menschenrechten seien, könne nicht zu einer - wenn auch eingeschränkten - Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG auf diesen Personenkreis führen, weil damit die ausdrückliche Entscheidung des Grundgesetzes unterlaufen würde, die Berufsfreiheit nur deutschen Staatsbürgern zu gewähren (BVerfGE 78, 179 <196>). Für Art. 9 Abs. 1 GG kann nichts anderes gelten.
bb) Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung werden ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erhoben, dass Ausländervereine den Schutz des Art. 9 Abs. 1 und 2 GG nicht in Anspruch nehmen können, und dass auch Vereine mit gemischter Mitgliedschaft (Mischvereine) unter bestimmten Voraussetzungen Ausländervereine sein können. Durchschlagende Einwände sind dagegen nicht zu erkennen. So wenig es hingenommen werden könnte, dass ein Verein nur deswegen den durch Art. 9 Abs. 2 GG gesicherten Status verliert, weil ihm ein Ausländer beitritt, so wenig kann es zutreffen, dass ein aus Ausländern bestehender Verein durch die Mitgliedschaft eines Deutschen diesen Status erhält.
cc) Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann sich damit allein die Frage stellen, ob das in § 14 VereinsG gewählte Abgrenzungskriterium ("Vereine, deren Mitglieder oder Leiter... überwiegend Ausländer sind") vor Art. 9 Abs. 1 GG standhält. Dagegen wird eingewandt, allein auf das Zahlenverhältnis von Ausländern und Deutschen könne es nicht ankommen; dieses Kriterium sei insofern sachwidrig, als es eine materielle Würdigung des Gesamtcharakters des Vereins, insbesondere seiner Ziele, ausschließe (von Feldmann, DÖV, 1965, S. 29 <34>; vgl. auch ders., Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, 1972, S. 114 f.). Diese Kritik stellt aber die Gültigkeit der Norm insgesamt nicht in Frage, da den Bedenken durch verfassungskonforme Auslegung begegnet werden kann. Der Wortlaut des § 14 VereinsG schließt eine über das reine Zahlenverhältnis hinausgehende Analyse des Gesamtcharakters des Vereins nicht aus. Dem Begriff des "Überwiegens" kann durchaus auch materieller Gehalt beigemessen werden. Besteht aber die Möglichkeit einer solchen Auslegung, dann kann § 14 VereinsG nicht allein deshalb insgesamt nichtig sein. Vorliegend braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden, da der Beschwerdeführer nach allen denkbaren materiellen Kriterien ein Ausländerverein ist. Seine Ziele beschränken sich ausschließlich auf Probleme von Ausländern im Ausland.
b) Die Auslegung und Anwendung der Norm durch das Bundesverwaltungsgericht wirft grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen ebenfalls nicht auf. Dass das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer allein mit Rücksicht...