Beschluss vom 16. September 2009 - 2 BvR 852/07
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2009:rs20090916.2bvr085207 |
Judgement Number | 2 BvR 852/07 |
Citation | BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. September 2009 - 2 BvR 852/07 - Rn. (1-34), |
Date | 16 Septiembre 2009 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
Leitsatz
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 16. September 2009
- 2 BvR 852/07 -
Die Umlage zur Finanzierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den Aufsichtsbereichen Kredit- und Finanzdienstleistungswesen und Wertpapierhandel ist mit den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion vereinbar.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 852/07 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn U...
Aachener Straße 500, 50933 Köln -
I. | unmittelbar gegen |
a) | den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. März 2007 - 6 UZ 51/07 -, |
b) | das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 2006 - 1 E 2283/06 (2) -, |
c) | den Widerspruchs- und Gebührenbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 11. Mai 2006 - Q 26 - 298.1 - 10/2005 -, |
d) | den Widerspruchs- und Gebührenbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 11. Mai 2006 - Q 26 - 298.1 - 27/2004 -, |
e) | den Widerspruchs- und Gebührenbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 13. Oktober 2005 - Q 26 - 298.3 - 14/2004 -, |
f) | den Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. November 2004 - Z 2-H1346 UMLB-112982-0001/2004-A03 -, |
g) | den Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 28. November 2003 - Z2-H 1346-UML-02/04-WA 10112982 -, |
h) | den Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 20. November 2003 - Z2-H 1346 UML 02 BA 112982 -, |
II. | mittelbar gegen |
a) | § 16 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1310), |
b) | § 6 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 29. April 2002 (BGBl I S. 1504, berichtigt S. 1847), |
c) | § 6 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe c und e der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 29. April 2002 (BGBl I S. 1504, berichtigt S. 1847) in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2003 (BGBl I S. 2745) |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Voßkuhle,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau
am 16. September 2009 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die zur Finanzierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den Aufsichtsbereichen Kredit- und Finanzdienstleistungswesen und Wertpapierhandel von den beaufsichtigten Unternehmen erhobene Umlage mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den sich aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) ergebenden Anforderungen an die Erhebung und Bemessung nichtsteuerlicher Abgaben vereinbar ist.
I.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, nimmt seit ihrer Gründung im Jahr 2002 unter anderem die Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und den Wertpapierhandel wahr. Nach § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1310) deckt sie ihre Kosten aus eigenen Einnahmen. Zu diesem Zweck erhebt sie von den beaufsichtigten Unternehmen nach § 16 FinDAG eine Umlage, soweit die Kosten nicht durch Gebühren oder sonstige gesonderte Erstattung gedeckt sind. Das galt schon für die Vorgängerinstitutionen, die ebenfalls - jedenfalls im Wesentlichen - von den Beaufsichtigten finanziert wurden (vgl. für das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen § 51 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961, BGBl I S. 881; für das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen § 42 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934, RGBl I S. 1203; für den Reichskommissar für das Bankgewerbe 2. Teil Art. 1 § 9 der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. September 1931, RGBl I S. 493; für das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel § 11 des Gesetzes über den Wertpapierhandel vom 9. September 1998, BGBl I S. 2708).
Die Kosten werden nach § 5 der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) vom 29. April 2002 (BGBl I S. 1504, berichtigt S. 1847) für jeden Aufsichtsbereich gesondert umgelegt. Für das Jahr 2009 weist der Haushaltsplan bei Ausgaben von rund 135 Millionen Euro ein Umlagesoll von rund 106 Millionen aus, von denen rund 57 Millionen auf den Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen und rund 19 Millionen auf den Aufsichtsbereich Wertpapierhandel entfallen. Für die Verteilung ist nach § 8 FinDAGKostV der Geschäftsumfang des einzelnen Unternehmens maßgeblich, der sich im Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen nach der Bilanzsumme und im Aufsichtsbereich Wertpapierhandel für Kreditinstitute und Makler nach der Anzahl der gemeldeten Geschäfte, für Finanzdienstleistungsinstitute nach der Bilanzsumme und für Emittenten nach dem Umsatz bestimmt.
Die Mindestumlage betrug in der ursprünglichen, für das Streitjahr 2002 maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 3 Satz 2 FinDAGKostV für jeden Aufsichtsbereich 250 Euro. Für den Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen wurde durch Art. 1 Nr. 3 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 4. Juli 2003 (BGBl I S. 1105) eine differenzierte Mindestbetragsregelung eingeführt (§ 6 Abs. 4 Satz 2 FinDAGKostV n.F.). Für die anderen Aufsichtsbereiche blieb es bei einem Mindestbetrag von je 250 Euro (§ 6 Abs. 4 Satz 3 FinDAGKostV n.F.). Durch Art. 1 Nr. 3 der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2003 (BGBl I S. 2745) wurde die Mindestbetragsregelung für den Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen nochmals modifiziert. In dieser seit dem Streitjahr 2003 maßgeblichen Fassung sieht § 6 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe a bis d FinDAGKostV n.F. im Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen je nach Unternehmenstypus einen Mindestbetrag von 1.300, 2.500, 3.500 oder 4.000 Euro vor, der sich nach § 6 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe e FinDAGKostV n.F. bei einer Bilanzsumme unter 100.000 Euro um die Hälfte reduziert. Nach § 6 Abs. 5 FinDAGKostV n.F. gelten ab einer Bilanzsumme von 750.000 Euro außerdem bilanzsummenabhängige degressiv gestaffelte Mindestbeträge von 4.000 bis 75.000 Euro.
II.
Der Beschwerdeführer unterliegt als Finanzportfolioverwalter im Sinne des Kreditwesengesetzes der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den Aufsichtsbereichen Kredit- und Finanzdienstleistungswesen und Wertpapierhandel. Für das Jahr 2002 zog ihn die Bundesanstalt aufgrund einer Bilanzsumme von 11.549 Euro in beiden Aufsichtsbereichen nach § 6 Abs. 3 Satz 2 FinDAGKostV a.F. zur Zahlung des Mindestumlagebetrags von jeweils 250 Euro heran. Für das Jahr 2003 setzte sie im Aufsichtsbereich Kredit- und Finanzdienstleistungswesen aufgrund einer Bilanzsumme von 55.391,39 Euro nach § 6 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe c und e FinDAGKostV n.F. einen Mindestumlagebetrag von 1.250 Euro fest. Die gegen die Bescheide gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ab. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung nicht zu.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 105 GG und Art. 110 GG und aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Umlage sei zwar dem Grunde nach zulässig, nicht aber der Mindestumlagebetrag. Die für nichtsteuerliche Abgaben geltende Zulässigkeitsvoraussetzung einer besonderen sachlichen Rechtfertigung sei auch für die Höhe der Abgabe maßgeblich. Legitimer Grund für die Aufsicht sei die Abwehr abstrakter Gefahren für die Volkswirtschaft, die mit den Kettenreaktionen einhergingen, die durch die Insolvenz von Banken ausgelöst werden könnten. Der Umlagebetrag müsse sich deshalb nach dem Risikopotential des einzelnen Unternehmens bemessen. Der Bilanzsummenmaßstab sei für Finanzportfolioverwalter nicht sachgerecht, denn er sei als Indikator für das Risikopotential des einzelnen Unternehmens ungeeignet. Von der Tätigkeit der...
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