BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1368/20 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
gegen |
den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. April 2020 - 1 Ws 86/20 - |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Vizepräsidentin König
und die Richter Müller,
Maidowski
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 17. August 2021 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
Der inzwischen aus der Haft entlassene Beschwerdeführer begehrt die Feststellung, dass seine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt rechtswidrig gewesen war.
I.
1. Der durch das Landgericht Stuttgart am 19. März 2015 wegen Insolvenzverschleppung zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Beschwerdeführer befand sich seit dem 25. März 2019 in der Justizvollzugsanstalt (…) (Baden-Württemberg) in Strafhaft, welche für Strafgefangene ab dem 63. Lebensjahr zuständig ist. In der Anstalt findet ein nach innen offener Vollzug statt. Aufgrund der Herausnahmeverfügung vom 24. Juli 2019 wurde er in die Justizvollzugsanstalt (…) verlegt. Mehrere Gefangene hätten darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschwerdeführer ihnen unter Hinweis darauf, dass er Jurist sei, während seiner Inhaftierung eine Rechtsberatung aufgedrängt habe. Daher sei der Beschwerdeführer für den nach innen offenen Vollzug ungeeignet und nicht bereit, zum harmonischen Umgang und Ablauf innerhalb der Justizvollzugsanstalt beizutragen. Er sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er seine juristischen Kenntnisse während der Inhaftierung nicht nach außen zu tragen habe.
2. Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 8. August 2019, ergänzt durch Schreiben vom 24. September 2019 und vom 7. Oktober 2019, wandte sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Verlegung, hilfsweise begehrte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Er habe zu keinem Zeitpunkt verbotene Rechtsberatung angedient. Die Ausführungen der Justizvollzugsanstalt seien widersprüchlich. Zudem sei er vor der Verlegung nicht angehört worden. Die Verlegung bringe einige Einschränkungen mit sich, wie beispielsweise einen längeren Einschluss und die Unterbringung in einem Haftraum von achteinhalb Quadratmetern mit einem weiteren Gefangenen. Das Feststellungsinteresse liege in dem mit der Verlegung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er der Generalstaatsanwaltschaft einen Klageentwurf zur Kenntnisnahme übermittelt habe. Weiter teilte er am 1. Februar 2020 mit, dass er vor dem Amtsgericht (…) gegen den Dienstleiter Feststellungsklage erhoben habe. Ein Rechtsschutzinteresse liege vor, da die Rückverlegung in den normalen Strafvollzug die Möglichkeit zum Freigang, zu Verdienstmöglichkeiten und zur vorzeitigen Entlassung verhinderten. Nachdem der Beschwerdeführer in den offenen Vollzug verlegt worden war, beantragte er, die Rechtswidrigkeit der Herausnahmeverfügung vom 24. Juli 2019 festzustellen.
3. Die Justizvollzugsanstalt nahm mit Schreiben vom 2. September 2019, vom 26. November 2019 und vom 13. Januar 2020 Stellung. Aufgrund der Freiheiten des nach innen offenen Vollzugs sei jeder Gefangene auf seine Geeignetheit zu prüfen. Der Altersdurchschnitt liege in der Justizvollzugsanstalt bei über 70 Jahren; bei den Gefangenen über 80 Jahren entwickele sich der geistige Zustand zurück und die Gefangenen seien manipulierbarer beziehungsweise würden an Erkrankungen leiden, die ihre kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigten. Unter Wiederholung der Begründung der Herausnahmeverfügung führte die Justizvollzugsanstalt aus, der Beschwerdeführer sei für das dortige Vollzugskonzept nicht geeignet. Im Erstgespräch würden Gefangene aus bestimmten Tätigkeitsfeldern darauf hingewiesen, dass sie während ihres Aufenthalts gehalten seien, ihr Wissen nicht an andere Gefangene zu tragen. Dies habe den Hintergrund, dass die Mitgefangenen den unbedachten Äußerungen der Gefangenen aus bestimmten Tätigkeitsbereichen derart Glauben schenkten, dass diesen entgegen dem Vollzugskonzept besondere Aufmerksamkeit zukäme. Die Hinweise zum Verhalten des Beschwerdeführers seien von langjährigen Gefangenen gekommen, die durch ihre Arbeit eine Vertrauensstellung genössen. Danach habe der Beschwerdeführer angegeben, Jurist zu sein, und umfassende Rechtsberatung angeboten. Insbesondere in solchen Angelegenheiten, wie zum Beispiel der Ordnung der persönlichen Angelegenheiten der Gefangenen oder des Krankenkassenwesens, könnten nach den bisherigen Erfahrungen der Justizvollzugsanstalt bei älteren Gefangenen nicht wiedergutzumachende Schäden entstehen. Es seien in der Vergangenheit finanzielle und persönliche Einbußen, etwa durch den Verlust der Krankenversicherung, entstanden, welche nachträglich nicht mehr hätten behoben werden können. Der Beschwerdeführer sei zweimal verwarnt worden. Bei der letzten Verwarnung sei ihm angekündigt worden, dass bei weiteren Beschwerden eine Herausnahme aus dem Vollzug der Außenstelle (…) drohe. Ein Feststellungsinteresse sei mangels Wiederholungsgefahr nicht gegeben.
4. Mit Beschluss vom 18. Februar 2020 verwarf das Landgericht den Antrag als unzulässig. Nach der Verlegung in den offenen Vollzug sei nur noch der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zu prüfen, dem das Feststellungsinteresse fehle. Bei der Herausnahmeverfügung handele es sich weder um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff noch ergäben sich für den Beschwerdeführer fortwirkende Nachteile. Zudem drohe keine Wiederholung. Der Beschwerdeführer sei auch nicht...