Beschluss vom 18. August 2020 - 1 BvR 1918/20
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200818.1bvr191820 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. August 2020 - 1 BvR 1918/20 -, Rn. 1-17, |
Date | 18 Agosto 2020 |
Judgement Number | 1 BvR 1918/20 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1918/20 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. |
des Herrn A…, | |
2. |
des Herrn K…, |
- Bevollmächtigte:
- … -
gegen |
den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Juli 2020 - 1 StE 9/19 - |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Paulus,
Christ
und die Richterin Härtel
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. August 2020 einstimmig beschlossen:
- Der Vorsitzenden Richterin des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Koblenz wird im Strafverfahren gegen zwei mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, im Rahmen ihrer Prozessleitungsbefugnis eine geeignete Regelung zu treffen, die es akkreditierten Medienvertretern mit besonderem Bezug zum syrischen Konflikt ermöglicht, das deutschsprachige Prozessgeschehen mithilfe eigener Vorkehrungen oder unter kostenpflichtiger Nutzung des gerichtlich für die Verfahrensbeteiligten bereitgestellten Übersetzungssystems oder auf andere Weise in arabischer Sprache zu verfolgen.
- Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
- Das Land Rheinland-Pfalz hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
I.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und einem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sich die Beschwerdeführer gegen eine sitzungspolizeiliche Verfügung der Vorsitzenden Richterin in einem Strafverfahren wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
1. Seit April dieses Jahres findet vor dem 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz ein Strafverfahren gegen zwei mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Syrienkonflikt statt. Die Beschwerdeführer sind journalistisch tätige syrische Staatsangehörige, die für das Verfahren akkreditiert sind und über den Prozess berichten wollen. Sie sind jedoch des Deutschen nicht mächtig, weshalb es ihnen nicht möglich ist, das Prozessgeschehen, soweit es auf Deutsch stattfindet, selbst zu verstehen. Für die Angeklagten und einige Nebenkläger, die jeweils syrische Staatsangehörige sind, findet eine gerichtlich bereitgestellte Simultanübersetzung ins Arabische statt, die per Kopfhörer an die Verfahrensbeteiligten übertragen wird. Aufgrund sitzungspolizeilicher Verfügung vom April 2020, durch die die Zahl der zugelassenen Vertreter der Medien und der Öffentlichkeit pandemiebedingt reduziert und ein Mindestabstand angeordnet wurde, ist es den Beschwerdeführern nicht gestattet, wie üblich über selbst gestellte sogenannte Flüsterdolmetscher für eine eigene Simultanübersetzung ins Arabische zu sorgen. Der nächste Hauptverhandlungstermin ist auf Mittwoch, den 19. August 2020, angesetzt.
2. Mit Fax vom 1. Juli 2020 beantragten die Beschwerdeführer, mit von ihnen selbst zu finanzierenden und gegebenenfalls auch zu beschaffenden Empfangsgeräten (Kopfhörern) Zugang zur gerichtlich gestellten Simultanübersetzung zu erhalten. Hilfsweise beantragten sie, einen weiteren Dolmetscher im Publikumsbereich zuzulassen, dessen akustisch abgeschirmte Übersetzung den Beschwerdeführern über ein eigenes Übertragungssystem zeitgleich zur Verfügung gestellt werden könnte. Mit Beschluss vom 9. Juli 2020, zugegangen am 13. Juli 2020, wies die Vorsitzende diesen Antrag zurück. Gerichtssprache sei deutsch. Dies gelte auch für Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer des Deutschen nicht mächtig seien, liege in deren Verantwortungssphäre. Auch die Unmöglichkeit des Einsatzes von Flüsterdolmetschern liege nicht in der Verantwortung des Gerichts, sondern sei der Coronavirus-Pandemie geschuldet. Die Zulassung zur gerichtseigenen Übersetzungsanlage erfordere den Einsatz erheblicher zusätzlicher staatlicher Ressourcen zur Bereithaltung, Wartung (Desinfektion) und Überwachung der Nutzung einer solchen gerichtseigenen Anlage und der zugehörigen Empfangsgeräte. Auch könne eine Bereitstellung an Medienvertreter Gleichheitsprobleme gegenüber anderen des Deutschen nicht mächtigen Medienvertretern aufwerfen. Es stehe den Beschwerdeführern angesichts des begrenzten Öffentlichkeitsinteresses an dem Verfahren und dem im Gerichtssaal verbleibenden Platz offen, eine des Deutschen mächtige Person mit Mitschriften zu beauftragen, die ihnen dann zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Zulassung einer eigenen, von den Beschwerdeführern gestellten Übersetzungsanlage im Gerichtssaal sei nicht möglich, weil das Gericht dann nicht überblicken und sicherstellen...
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Urteil Nr. 3 StR 564/19 des 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, 28-01-2021
...stehenden Straftaten geschuldet ist; die Problematik der Immunität hat es nicht angeführt (s. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2020 - 1 BvR 1918/20, NJW 2020, 3166 Rn. 11). Vor dem insgesamt aufgezeigten Hintergrund reichen danach vereinzelte Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum, welche ......
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...stehenden Straftaten geschuldet ist; die Problematik der Immunität hat es nicht angeführt (s. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2020 - 1 BvR 1918/20, NJW 2020, 3166 Rn. 11). Vor dem insgesamt aufgezeigten Hintergrund reichen danach vereinzelte Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum, welche ......