BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1092/19 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A…, |
- Bevollmächtigte:
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Rechtsanwältin Johanna Künne,
Karl-Marx-Straße 168, 12043 Berlin -
gegen |
a) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2019 - 1 Ausl (A) 49/18 (43/18) -, |
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b) die Verbalnote des Auswärtigen Amts vom 15. Mai 2019 - Gz. 506-12-531.00/61331 RUS - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
und | Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 18. Juni 2019
einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG)
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung eines russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volkszugehörigkeit zur Strafverfolgung nach Russland auf Grundlage eines Auslieferungsersuchens, dem ein Haftbefehl eines Bezirksgerichts aus dem nordkaukasischen Föderalbezirk zugrunde liegt.
1. Die Verfassungsbeschwerde stellt, soweit sie sich gegen die Bewilligung der Auslieferung richtet, im vorliegenden Fall im Ergebnis keinen statthaften Rechtsbehelf gegen die mit der Verbalnote des Auswärtigen Amts vom 15. Mai 2019 mitgeteilte Bewilligungsentscheidung dar.
a) Die dem auslieferungsrechtlichen Zulässigkeitsverfahren nachfolgende Bewilligungsentscheidung ist der (verfassungs-)gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juni 2015 - 2 BvR 965/15 -, Rn. 21 m.w.N.). Dies wird der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich gerecht, weil der Rechtsschutz der betroffenen Person präventiv im der Bewilligungsentscheidung vorgeschalteten Zulässigkeitsverfahren gewährleistet wird. Das Ergebnis des Zulässigkeitsverfahrens determiniert gemäß § 12 IRG die Bewilligungsentscheidung dahingehend, dass eine Bewilligung, mit Ausnahme des Falls des vereinfachten Verfahrens nach § 41 IRG, nicht erfolgen darf, soweit die Auslieferung nicht zuvor für zulässig erklärt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juni 2015 - 2 BvR 965/15 -, Rn. 21 f.).
Einer isolierten (verfassungs-)gerichtlichen Überprüfung der Bewilligungsentscheidung bedarf es nur, wenn diese zulasten der Rechtsposition der betroffenen Person von der Zulässigkeitsentscheidung abweicht, weil in einem solchen Fall im Rahmen des präventiven Rechtsschutzes nicht alle ihre subjektiven öffentlichen Rechtspositionen berücksichtigt werden konnten und der von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Rechtsschutz nicht in hinreichendem Maße gewährt werden konnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juni 2015 - 2 BvR 965/15 -, Rn. 22, 24).
b) Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Bewilligungsentscheidung nicht isoliert überprüfbar. Sie weicht nicht zulasten der Rechtspositionen des Beschwerdeführers von der Zulässigkeitsentscheidung ab. Der vorgelagerten Zulässigkeitsentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 3. April 2019 - 1 Ausl (A) 49/18 (43/18) - ist nicht zu entnehmen, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers nur unter der Voraussetzung oder unter Zugrundelegung der Annahme für zulässig erklärt wurde, dass ein Strafverfahren gegen ihn im Falle seiner Auslieferung nicht im nordkaukasischen Föderalbezirk durchgeführt werden wird. Zwar verweist das Oberlandesgericht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im parallel zum Auslieferungsverfahren durchgeführten asylrechtlichen Verfahren, welches unter anderem auf eine inländische Fluchtalternative des Beschwerdeführers abstellte, und schließt sich dieser an. Eine solche inländische Fluchtalternative ist im Falle einer Auslieferung zur Strafverfolgung allerdings ohne Bedeutung. Anders als bei einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, in deren Rahmen die betroffene Person die Möglichkeit hat, im Zielstaat ihren Aufenthaltsort...