BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 900/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B…, |
gegen |
§ 28b Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage von nationaler Tragweite in der Fassung vom 22. April 2021 |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
die Richterin Britz
und den Richter Radtke
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 20. Mai 2021 einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG (Kontaktbeschränkungen) hat keinen Erfolg.
I.
Der Beschwerdeführer macht geltend, § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG, der Zusammenkünfte der Angehörigen eines Haushalts nur mit einer weiteren Person zulasse, greife willkürlich in seine Grundrechte ein.
1. Die Beschränkung privater Zusammenkünfte nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG ist eine der als sogenannte „Bundesnotbremse“ in § 28b IfSG geregelten Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 bei besonderem Infektionsgeschehen. Diese Maßnahmen kommen nur im Fall einer durch den Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite und nach derzeitiger Gesetzeslage längstens bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 zur Anwendung (§ 28b Abs. 10 IfSG). Sie setzen außerdem voraus, dass die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Landkreis oder in der kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen den Schwellenwert von 100 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) überschreitet (§ 28b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz IfSG) und dieser Schwellenwert nicht an fünf aufeinander folgenden Werktagen wieder unterschritten ist (§ 28b Abs. 2 IfSG). § 28c IfSG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von den in § 28b IfSG vorgesehenen Beschränkungen zu regeln.
Der vom Beschwerdeführer angegriffene § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG hat folgenden Wortlaut:
§ 28b Bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen, Verordnungsermächtigung
(1) Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die folgenden Maßnahmen:
1. private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum sind nur gestattet, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen; Zusammenkünfte, die ausschließlich zwischen den Angehörigen desselben Haushalts, ausschließlich zwischen Ehe- oder Lebenspartnerinnen und -partnern, oder ausschließlich in Wahrnehmung eines Sorge- oder Umgangsrechts oder im Rahmen von Veranstaltungen bis 30 Personen bei Todesfällen stattfinden, bleiben unberührt; […]
§ 28b Abs. 2 IfSG regelt, wann diese Maßnahme außer Kraft tritt:
(2) Unterschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ab dem Tag nach dem Eintreten der Maßnahmen des Absatzes 1 an fünf aufeinander folgenden Werktagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so treten an dem übernächsten Tag die Maßnahmen des Absatzes 1 außer Kraft. Sonn- und Feiertage unterbrechen nicht die Zählung der nach Satz 1 maßgeblichen Tage. Für die Bekanntmachung des Tages des Außerkrafttretens gilt Absatz 1 Satz 3 und 4 entsprechend. Ist die Ausnahme des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 Halbsatz 2 Buchstabe b wegen Überschreitung des Schwellenwerts von 150 außer Kraft getreten, gelten die Sätze 1 bis 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass der relevante Schwellenwert bei 150 liegt.
Die Verordnungsermächtigung in § 28c IfSG lautet wie folgt:
§ 28c Verordnungsermächtigung für besondere Regelungen für Geimpfte, Getestete und vergleichbare Personen
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Corona-virus SARS-CoV-2...