Beschluss vom 21. Januar 1999 - 1 BvR 645/96
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:1999:rk19990121.1bvr064596 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 1999 - 1 BvR 645/96 - Rn. (1-19), |
Date | 21 Enero 1999 |
Judgement Number | 1 BvR 645/96 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
Bundesverfassungsgericht
- 1 BvR 645/96 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn F...
gegen | das Urteil des Landgerichts
Dresden vom 27. Februar 1996 - 15-S-0024/95 - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
am 21. Januar 1999 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 27. Februar 1996 - 15-S-0024/95 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit es die Klage des Beschwerdeführers auf Unterlassung der Mitbenutzung seines Grundstücks, Flurstück Nr. 35 b der Gemarkung Niederwartha, abgewiesen hat. Es wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die analoge Anwendung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes in einem Nachbarrechtsstreit um ein Wegerecht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot verstößt.
I.
1. Der Beschwerdeführer begehrte im Ausgangsverfahren von seinem Grundstücksnachbarn, dem Beklagten, unter anderem die Unterlassung der Mitbenutzung seines im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücks. Der Beklagte hat auf seinem an eine öffentliche Straße grenzenden Grundstück frühestens 1979 eine Garage errichtet, die allein über eine Zufahrt auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zu erreichen ist. Das Kreisgericht hat der Klage des Beschwerdeführers stattgegeben, weil dem Beklagten mangels der nach § 321 Abs. 1 Satz 3 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (im folgenden: Zivilgesetzbuch - ZGB) erforderlichen schriftlichen Vereinbarung kein Mitbenutzungsrecht am Grundstück des Beschwerdeführers zustehe. Das Landgericht hat dagegen mit dem angegriffenen Urteil auf die Berufung des Beklagten die Klage insoweit abgewiesen:
Es sei in analoger Anwendung der §§ 18 ff. des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG) eine Art gesetzlicher Nutzungsberechtigung des Beklagten anzunehmen, die jedenfalls bis zum Ablauf des 31. Dezember 1999 nicht gekündigt werden könne (§ 23 Abs. 1 SchuldRAnpG). Die für eine Analogie notwendige Regelungslücke sei gegeben.
Der Beklagte habe weder ein Mitbenutzungsrecht gemäß § 321 ZGB noch eine zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers vor dem 1. Januar 1976 (dem Tag des Inkrafttretens des Zivilgesetzbuchs) getroffene Vereinbarung über ein Mitbenutzungsrecht, die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin wirksam gewesen wäre (vgl. NJ 1989, S. 80), nachweisen können. Die Rechtsvorgängerin habe zwar der Mitbenutzung ihrer Zufahrt nicht widersprochen, sondern sie aus Gefälligkeit gebilligt. Dies sei aber ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen geschehen. Dem Beklag- ten stehe auch kein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB zu (unter Hinweis auf BGH, LM Nr. 11 zu § 917 BGB und NJW 1980, S. 585). Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) und das Schuldrechtsanpassungsgesetz seien ebenfalls nicht unmittelbar anwendbar, weil der Beklagte auf einem fremden Grundstück weder eine bauliche Erschließungsanlage im Verständnis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 SachenRBerG noch ein Bauwerk im Sinne von § 1 SchuldRAnpG errichtet habe. Es bestehe jedoch eine Rechtsähnlichkeit mit den in den §§ 18 ff. SchuldRAnpG geregelten Sachverhalten, weil eine Garage zwar ohne dingliche Sicherung ihrer Nutzung, aber in einer das Eigentum eines anderen in Anspruch nehmenden Weise errichtet worden sei.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot.
Die Rechtsanwendung des Landgerichts sei unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich, so daß sich der Schluß aufdränge, daß das angegriffene Urteil auf sachfremden Erwägungen beruhe. Das...
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Urteil Nr. V ZR 206/02 des V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 10-01-2003
...Stellen stelle ein ungeschriebenesTatbestandsmerkmal dar, das nach der Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 21. Januar 1999 (1 BvR 645/96, VIZ 1999, 333) in verfassungs-konformer Auslegung des § 116 SachenRBerG zu fordern sei.II.Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung im Erg......
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