Beschluss vom 24.09.2024 - BVerwG 6 B 10.24
Jurisdiction | Germany |
Judgment Date | 24 September 2024 |
Neutral Citation | BVerwG 6 B 10.24 |
ECLI | DE:BVerwG:2024:240924B6B10.24.0 |
Citation | BVerwG, Beschluss vom 24.09.2024 - 6 B 10.24 - |
Record Number | 240924B6B10.24.0 |
Registration Date | 23 October 2024 |
Court | Das Bundesverwaltungsgericht |
Applied Rules | SprengG § 3a,1. SprengV § 22 Abs. 1,3. und 4. ÄndV1.SprengV Art. 1,VwGO § 43 Abs. 1, § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 133 Abs. 6,GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 und 4 |
BVerwG 6 B 10.24
- VG Berlin - 16.12.2022 - AZ: 1 K 452/20
- OVG Berlin-Brandenburg - 10.04.2024 - AZ: 6 B 1/23
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. September 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp
beschlossen:
- Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. April 2024 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen
- Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt
1 Die Klägerin ist eine auf dem Gebiet der Pyrotechnik tätige GmbH, die auch sog. "Silvester-Feuerwerke" der Kategorie F2 des § 3a des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe herstellt und vertreibt. Sie wendet sich gegen die jeweils in Artikel 1 der Dritten und Vierten Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz vom 18. Dezember 2020 und vom 20. Dezember 2021 (3. und 4. ÄndV1.SprengV) geregelten Verbote einer Überlassung solcher Feuerwerke an Verbraucher zu den Jahreswechseln 2020 und 2021.
2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Sachurteil vom 16. Dezember 2022 abgewiesen. Die angegriffenen Überlassungsverbote seien formell und materiell rechtmäßig.
3 Im dagegen angestrengten Berufungsverfahren teilte das Gericht mit Schreiben vom 22. Januar 2024, ergänzt mit Schreiben vom 25. Januar 2024, mit, dass es beabsichtige über die Berufung gemäß § 130a VwGO im Beschlusswege zu entscheiden. Die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie nach Ablauf der Gültigkeit der Überlassungsverbote ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Klärung des Rechtsstreits habe.
4 Dagegen wandte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Februar 2024 ein, eine mündliche Verhandlung sei zur Erörterung der vom erstinstanzlichen Gericht noch nicht thematisierten Zulässigkeitsfragen und zur Durchführung einer Beweiserhebung erforderlich. Es bestehe Wiederholungsgefahr, weil auch die Beklagte den erneuten Erlass eines vergleichbaren Verbots für die Zukunft nicht ausschließe. Zudem bestehe ein Präjudizinteresse für den vor dem Landgericht Verden unter dem Az. 2 O 277/23 anhängigen Haftungsprozess. Ein gerichtlicher Erfolg der Klägerin sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überwiegend wahrscheinlich. Zur Frage der Schadenshöhe verwies sie auf ihren Vortrag in dem bereits abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren. Dort hatte die Klägerin im Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 im Verfahren 1 L 451/20 ausgeführt, sie erwirtschafte den ganz überwiegenden Teil ihres Jahresumsatzes zu den Silvesterfeierlichkeiten. Das Verbot gefährde ihre sowie die wirtschaftliche Existenz ihrer insgesamt 25 Beschäftigten und rund 70 Saisonarbeitskräfte. Sie habe im Vertrauen auf eine Verkaufsmöglichkeit ihre Produktionskapazitäten ausgeschöpft, pyrotechnische Gegenstände gekauft sowie Lager- und Verkaufsräume gemietet. Aus ihren Vorjahresumsätzen habe sie errechnet, dass sie im Geschäftsjahr 2020 einen Gesamtumsatz von 4 359 964 € erwirtschaftet hätte. Davon entfielen auf das Silvestergeschäft 3 695 622 €, das entspreche rund 85 % des Jahresumsatzes. Die Anmietung geeigneter Lagerkapazitäten für einen Verkauf im Folgejahr sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. Im Eilverfahren 1 L 554/21 hatte sie mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 vorgetragen, der Umsatz im Dezember 2020 sei auf 305 769,13 € gegenüber 1 499 084,64 € im Dezember 2019 und damit um rund 80 % gefallen. Infolge des 2020 geltenden Überlassungsverbots habe sie ca. 500 Tonnen Warenlieferungen eingelagert. Weitere ca. 500 Tonnen kämen für das Geschäftsjahr 2021 dazu. Sie beziehe ihre Ware aus China und müsse ca. 1,5 Jahre im Voraus bestellen. Es werde Kapital in großer Menge gebunden. Der erhöhte logistische Aufwand habe sich damals bereits in ca. 700 Überstunden der Mitarbeiter niedergeschlagen. Im hier streitgegenständlichen Verfahren erläuterte sie ergänzend, die erlittenen Schäden durch Umsatz- und Gewinneinbußen gingen in Millionenhöhe. Dazu kämen erhebliche Aufwendungen für Lagerung, erhöhte Aufwendungen bei der Kundenbetreuung, den Rücktransport von Ware, Schäden durch zusätzliche Transporte oder Lagerung, Vorfinanzierungen und aufgelaufene Zinsen und Vorbestellungen zur Vermeidung einer Auslistung bei den Lieferanten, die sie derzeit noch nicht konkret beziffern könne. Sie hätte mit dem Silvestergeschäft der Jahre 2020 und 2021 jeweils bis zu 80 % ihres Jahresumsatzes erwirtschaftet. Sie habe für den Zeitraum März 2020 bis Juni 2020 vorläufige Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von 6,5 Millionen € erhalten. Zum Beweis der eingetretenen Schäden und Verluste bot die Klägerin die Vernehmung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters H. an und regte die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Schließlich bestehe auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse, weil die Überlassungsverbote nur eine kurze Geltungsdauer aufgewiesen und die faktische Untersagung der gewerblichen Tätigkeit einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirkt hätten. Die Intensität des Grundrechtseingriffs sei durch die im Billigkeitswege gewährten Überbrückungshilfen nicht abgemildert. Im Übrigen sei die Gewährung nur vorläufig und es sei mit einer Rückforderung ggf. überschüssig gewährter Beträge zu rechnen.
5 Das Berufungsgericht teilte mit Schreiben vom 7. Februar 2024 mit, dass es auch unter Berücksichtigung des ergänzten Vortrages nicht erkennen könne, dass die Klage zulässig sei. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht ersichtlich. Hinsichtlich des Präjudizinteresses fehle es an der hinreichend substantiierten Darlegung der hierfür in der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen. Das gelte auch im Hinblick auf ein berechtigtes Feststellungsinteresse bei gewichtigen...
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