BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 45/19 -
über den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
die Stadt Zittau zu verpflichten, die von ihr abgehängten Wahlplakate der Antragstellerin mit der Aufschrift „Migration tötet!“ unverzüglich wieder an ihren ursprünglichen Standorten aufzuhängen, |
Antragstellerin: |
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) |
- Bevollmächtigter:
-
Rechtsanwalt Peter Richter, LL.M.,
Birkenstraße 5, 66121 Saarbrücken -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Masing,
Paulus,
Christ
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 24. Mai 2019
einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt
I.
1. Die Antragstellerin ist der Landesverband einer Partei des rechtsextremen Spektrums, die mit einem Wahlvorschlag zur Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahl) zugelassen ist. Sie begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Stadt Zittau im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, drei von dieser im Wege der unmittelbaren Ausführung nach dem sächsischen Polizeigesetz beseitigte Wahlplakate unverzüglich wieder an ihren alten Standorten aufzuhängen.
2. Das verfahrensgegenständliche Wahlplakat ist im Querformat gehalten. Es zeigt in seinem rechten Drittel das Emblem der Partei in weiß-rot vor einem roten Hintergrund sowie - ebenfalls in weiß - den Schriftzug „Widerstand - jetzt -“. Die rechten zwei Drittel des Plakates enthalten einen schwarz-grauen Hintergrund, auf dem in hellgrau die Namen verschiedener deutscher Großstädte erkennbar werden, die durch Kreuzsymbole voneinander separiert werden. Diese nehmen erkennbar Bezug auf Orte, an denen es nach Medienberichten zu Übergriffen oder Tötungen durch „Migranten“ gekommen ist. Vor diesem Hintergrund findet sich der in weiß gehaltene Schriftzug „MIGRATION TÖTET!“ sowie darüber (in rot) die kleiner gedruckte Überschrift „STOPPT DIE INVASION:“.
3. Im Verlauf des 16. Mai 2019 teilte die Stadt Zittau der Antragstellerin mit, dass der kommunale Ordnungsdienst am Vormittag desselben Tages drei Wahlplakate des oben genannten Typus auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel entfernt habe, da die dort getroffenen Aussagen nach Auffassung einzelner Gerichte den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten.
4. Mit Beschluss vom 20. Mai 2019 lehnte das zuständige Verwaltungsgericht einen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das Wahlplakat dem unbefangenen Betrachter allein durch seinen Wortlaut den Eindruck vermittele, dass sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer potentielle Straftäter von Tötungsdelikten seien. Dieser Eindruck werde durch die grafische Unterlegung des Textes mit Orten, an welchen es zu Tötungsdelikten, mutmaßlich durch Täter mit Migrationshintergrund, gekommen sei, noch verstärkt. Indem sämtliche Ausländer als potentielle Schwerststraftäter dargestellt würden, werde ihnen ihr Recht, als gleichwertige Persönlichkeiten im Gemeinwesen zu leben, zweifelsfrei abgesprochen. Der Slogan „MIGRATION TÖTET!“ schüre Ängste vor Migranten und impliziere, dass der deutsche Staat nicht willens und in der Lage sei, seine Bürger vor ausländischen Straftätern zu schützen. Durch die im kriegerischen Jargon formulierte Aufforderung „STOPPT DIE INVASION:“ und „Widerstand - jetzt -“ würden die Bürger unverhohlen dazu aufgefordert, sich nun selbst gegen die Migration und einreisende Ausländer zu wehren. Hierdurch werde das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt, indem...