Beschluss vom 24. März 2011 - 1 BvR 2493/10
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110324.1bvr249310 |
Judgement Number | 1 BvR 2493/10 |
Date | 24 Marzo 2011 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2011 - 1 BvR 2493/10 - Rn. (1-25), |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2493/10 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn L…,
vertreten durch seine Betreuerin W…,
F… e.V.,
Kirschallee 52, 14469 Potsdam -
gegen a) | den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Januar 2010 - L 10 B 1479/08 AS PKH -, |
b) | den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 3. Juni 2008 - S 27 AS 3484/07 - |
und | Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Schluckebier
und die Richterin Baer
am 24. März 2011 einstimmig beschlossen:
- Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
- Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Januar 2010 - L 10 B 1479/08 AS PKH - und der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 3. Juni 2008 - S 27 AS 3484/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
- Die Sache wird zur Entscheidung an das Sozialgericht Potsdam zurückverwiesen.
- Das Land Berlin und das Land Brandenburg haben dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
- Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein sozialgerichtliches Verfahren, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts mit der Begründung versagt wurde, die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit liege im Bagatellbereich.
I.
1. Der alleinstehende, unter Betreuung stehende Beschwerdeführer bewohnt eine 28,94 qm große Wohnung zur Miete. Im fachgerichtlich streitgegenständlichen Zeitraum von November 2006 bis April 2007 hatte er für die Heizkosten eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 57 € an den Vermieter zu leisten. Der Grundsicherungsträger berücksichtigte hingegen lediglich monatliche Heizkosten in Höhe von 50 € (Bescheid vom 7. November 2006; Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007). Aus den Faktoren „Jahresbedarf des jeweiligen Energieträgers (161,8 kWH)“, „Brennstoffpreis (0,064 Euro)“ und „tatsächliche Wohnungsgröße (28,94 qm)“ errechne sich an sich insoweit sogar nur ein angemessener monatlicher Bedarf von 24,97 €. Aus Bestandsschutzgesichtspunkten sei für die Heizkosten allerdings ein monatlicher Betrag in Höhe von 50 € angesetzt worden.
2. Mit der beim Sozialgericht erhobenen Klage, über die noch nicht entschieden ist, begehrt der Beschwerdeführer unter Abänderung des Verwaltungsaktes vom 7. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 die Bewilligung von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2006 bis April 2007 in Höhe von monatlich jeweils 7 €, mithin insgesamt 42 €.
a) Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. Juni 2008 ab. Dem Beschwerdeführer stehe keine Prozesskostenhilfe zu, da jemand, der aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Kosten für einen Prozess tragen müsste, angesichts des geringen Wertes der durchzusetzenden Ansprüche und bei offenem Ausgang dieses Verfahrens diesen gerichtskostenfreien Prozess mit anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht führen würde. Damit sei es nicht erforderlich, den unbemittelten Beschwerdeführer in den Stand zu versetzen, einen Rechtsanwalt ohne Beachtung des Verhältnisses des Wertes der durchzusetzenden Position zum Kostenrisiko beauftragen zu können.
b) Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2010, der am Folgetag zugestellt wurde, zurück. Ein Rechtsanwalt könne nach Maßgabe des § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO nur beigeordnet werden, wenn und soweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solle durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Unbemittelter hinsichtlich der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend einem Bemittelten gleichgestellt werden. Die Gewährung der staatlichen Hilfe solle indessen nicht dazu führen, dass ein Unbemittelter Rechtsschutz in einer Form oder einem Umfang in Anspruch nehme, die der Bemittelte sich bei Abwägung von Kosten und Nutzen versagen müsste oder würde. Zu berücksichtigen sei daher auch, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der...
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