Beschluss vom 25.06.2024 - BVerwG 6 B 7.24

JurisdictionGermany
Judgment Date25 June 2024
Neutral CitationBVerwG 6 B 7.24
ECLIDE:BVerwG:2024:250624B6B7.24.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 25.06.2024 - 6 B 7.24 -
Record Number250624B6B7.24.0
Registration Date25 July 2024
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 B 7.24

  • VG Würzburg - 25.05.2022 - AZ: W 2 K 20.1805
  • VGH München - 04.12.2023 - AZ: 7 B 23.1263

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Dezember 2023 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt
Gründe I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und begehrt die Gewährung eines weiteren Wiederholungsversuchs.

2 Seit 2012 unternahm der Kläger zahlreiche Versuche, den schriftlichen Teil dieser Prüfung abzulegen, konnte aber nach einem ersten Fehlversuch zu den Wiederholungsterminen krankheitsbedingt nicht antreten oder musste die Prüfung unterbrechen. Das Prüfungsamt genehmigte jeweils den Rücktritt vom Prüfungsversuch, wies den Kläger jedoch mehrfach auf die Problematik eines Dauerleidens und die Notwendigkeit hin, einen wichtigen Grund für einen krankheitsbedingten Rücktritt von der Prüfung unverzüglich mitzuteilen und mit aussagekräftigen ärztlichen Berichten zu belegen.

3 Im Prüfungstermin Frühjahr 2020 nahm der Kläger nur am ersten Tag der schriftlichen Prüfung teil. Am zweiten Prüfungstag, dem 11. März 2020, teilte er dem Prüfungsamt mit, er befinde sich im Krankenhaus und sei daher an der Teilnahme verhindert. Er fügte eine Bescheinigung des Universitätsklinikums Würzburg über einen stationären Aufenthalt vom 10. bis 11. März 2020 bei (sog. Liegebescheinigung). Das Prüfungsamt teilte dem Kläger unter dem 24. März 2020 mit, die Liegebescheinigung sei insbesondere bei seiner Prüfungshistorie unzureichend und forderte ihn auf, bis zum 3. April 2020 entsprechende ärztliche Nachweise vorzulegen. Der Kläger teilte unter dem 2. April 2020 mit, der Zugang zum Krankenhaus sei aufgrund der Coronamaßnahmen beschränkt und Bescheinigungen könnten nur auf dem Postweg erlangt werden. Bei ihm sei bis heute noch keine Bescheinigung oder ein Entlassungsbrief angekommen. Er bat um Fristverlängerung bis zum 20. April 2020. Dies lehnte das Prüfungsamt unter Verweis auf die dem Kläger bereits erläuterten Mitwirkungspflichten ab. Am 20. April 2020 ging beim Prüfungsamt ein von der behandelnden Ärztin unterschriebener, ausführlicher Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Würzburg ein, der auf den 11. März 2020 datiert und dem Kläger schon am gleichen Tag ausgehändigt worden war. Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 teilte das Prüfungsamt dem Kläger mit, die schriftliche Prüfung sei mit "nicht ausreichend" bewertet worden, unter anderem weil der Kläger dem Prüfungsamt nicht unverzüglich hinreichende Belege für die Prüfungsunfähigkeit vorgelegt habe. Es erklärte den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung für endgültig nicht bestanden. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

4 Im gerichtlichen Verfahren machte der Kläger - unter anderem - geltend, für einen wirksamen Rücktritt von der Prüfung genüge die unverzügliche Mitteilung des Verhinderungsgrundes, vorliegend die Mitteilung des Krankenhausaufenthalts am zweiten Prüfungstag. Der vom Prüfungsamt geforderte Nachweis der medizinischen Ursachen der Prüfungsunfähigkeit habe ihm nicht vorgelegen und sei ihm auch infolge der coronabedingten Beschränkungen innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich gewesen. Einen den Anforderungen des Prüfungsamtes genügenden endgültigen Arztbericht habe er nicht erhalten. Infolge einer früheren Zurückweisung eines vorläufigen Entlassungsberichts durch das Prüfungsamt habe er davon ausgehen müssen, dass der nur vorläufige Entlassungsbericht vom 11. März 2020 nicht anerkannt werde. Die Überschreitung der vom Prüfungsamt für die unverzügliche Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung gesetzten Frist dürfe nicht mit einem Nichtbestehen sanktioniert werden.

5 Dieser Argumentation ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt und hat mit Urteil vom 4. Dezember 2023 die Berufung gegen das klageabweisende Urteil der Vorinstanz zurückgewiesen. Der Kläger habe dem Prüfungsamt die Unterbrechungsgründe nicht unverzüglich im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO mitgeteilt. Die Mitwirkungspflichten verlangten nicht nur, dass ein Prüfling überhaupt Gründe für den Rücktritt, die Unterbrechung oder die Säumnis unverzüglich mitteile. Vielmehr müsse er die Gründe auch unverzüglich so konkret benennen, dass das Prüfungsamt das Vorliegen eines wichtigen Grundes beurteilen könne. In Ansehung des das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatzes der Chancengleichheit gelte ein strenger Maßstab, dem das Verhalten des Klägers nicht gerecht werde. Bei der Zumutbarkeitsbeurteilung der ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen seien auch dessen Prüfungshistorie sowie die im Raum stehende Frage eines Dauerleidens zu berücksichtigen. Deshalb habe von ihm erwartet werden können, den ihm bereits am 11. März 2020 ausgehändigten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums unmittelbar der Prüfungsbehörde zuzuleiten. Spätestens mit der Aufforderung des Prüfungsamtes, ärztliche Nachweise im Original vorzulegen, hätte sich der Kläger dieser im eigenen Interesse obliegenden Pflicht bewusst werden müssen. Vorliegend sei ein besonders strenger Maßstab an die Unverzüglichkeit anzulegen, weil der Kläger zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nach dem ersten Prüfungstag mit einem Misserfolg gerechnet haben dürfte. So habe er ein schematisches Ankreuzverhalten an den Tag gelegt und es bestünden auch erhebliche Zweifel daran, dass er nicht doch die Richtigkeit seiner Antworten anhand der Plattform Medi-Learn überprüft habe. Zudem liege es nahe, dass er sich mit fachlich vorgebildeten Bekannten über die Richtigkeit seiner Ergebnisse ausgetauscht habe.

6 Darüber hinaus habe der Kläger gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen, weil er die vom Prüfungsamt zur Vorlage von ärztlichen Nachweisen gesetzte Frist bis zum 3. April 2020 habe verstreichen lassen. Diese Frist sei auch unter den erschwerten Bedingungen der Coronabeschränkungen angemessen gewesen; der beantragten Verlängerung habe es nicht bedurft. Innerhalb der Frist hätte er sich mit der Prüfungsbehörde über die Eignung des ihm bereits ausgehändigten Entlassungsberichts austauschen können. Die Vorlage des Entlassungsberichts erst am 20. April 2020 und die wahrheitswidrigen Angaben über dessen Aushändigungszeitpunkt belegten vielmehr, dass der Kläger innerhalb der Frist nicht alles Zumutbare unternommen habe, den Grund für seinen Rücktritt unverzüglich mitzuteilen. Dies rechtfertige die Entscheidung, den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung als nicht bestanden zu bewerten und ziehe ein endgültiges Nichtbestehen nach sich.

7 Im Nachgang zu seinem Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. Mai 2024 einen Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestandes und mit Beschluss vom 21. Mai 2024 einen Antrag des Klägers auf Berichtigung und Ergänzung des Protokolls abgelehnt.

8 Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beschwerde des Klägers, der der Beklagte entgegentritt.

II

9 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den Darlegungen in der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung hat (1.) oder das Berufungsurteil von der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (2.). Es liegt auch keiner der geltend gemachten Verfahrensmängel vor (3.).

10 1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m. w. N.). Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage bundesgerichtlicher Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2019 - 6 B 2.18 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 31 Rn. 7).

11 a. Die Beschwerde wirft zunächst folgende Fragen auf:
"Kann und darf ein Rücktritt allein wegen Unverzüglichkeit/eines 'Verschuldens gegen sich selbst' zum endgültigen Nichtbestehen führen, auch wenn vom Sinn und Zweck her keine Auswirkungen auf die Chancengleichheit bestehen?
Kann und darf eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur unverzüglichen Mitteilung zum endgültigen Nichtbestehen der...

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