Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2021:fs20210325.2bvf000120 |
Judgement Number | 2 BvF 1/20 |
Citation | BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20 -, Rn. 1-188, |
Date | 25 Marzo 2021 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
Leitsätze
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 25. März 2021
2 BvL 4/20
2 BvL 5/20
- Das Grundgesetz enthält – von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen – eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Das Grundgesetz grenzt die Gesetzgebungskompetenzen insbesondere mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge durchweg alternativ voneinander ab
- Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG
- Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvF 1/20 -
- 2 BvL 4/20 -
- 2 BvL 5/20 -
zu den verfassungsrechtlichen Prüfungen,
I. ob § 3, § 4, § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1 bis Absatz 4, § 7 und § 11 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 22. Februar 2020 Seite 50) mit Artikel 72 Absatz 1, Artikel 31 GG und § 549 in Verbindung mit § 535 Absatz 2, § 555f Nummer 3, §§ 556 bis 556g, § 557 Absatz 1 und Absatz 2, § 557a, § 557b, §§ 558 bis 558d, § 559, § 559b, § 559c und § 573 BGB sowie § 5 WiStG und § 291 StGB, hilfsweise mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, unvereinbar und nichtig sind |
Antragsteller: |
1. |
Dr. L…, |
2. |
Dr. A…, |
|
sowie 282 weitere Antragsteller |
- Bevollmächtigte:
- 1. …,
- 2. … -
- 2 BvF 1/20 -,
II. ob Artikel 1 § 3 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG BIn) in der Fassung vom 11. Februar 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 22. Februar 2020 Seite 50) mit Artikel 72 Absatz 1, Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG in Verbindung mit § 557 Absatz 1, § 558 Absatz 1 und Absatz 2 BGB unvereinbar und deshalb nichtig ist |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 12. März 2020 - 67 S 274/19 - |
- 2 BvL 4/20 -,
III. ob § 3 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in der Fassung vom 11. Februar 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 22. Februar 2020 Seite 50) im Hinblick auf § 557 Absatz 1, § 558 Absatz 1 und Absatz 2 BGB mit Artikel 72 Absatz 1, Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG unvereinbar und deshalb nichtig ist |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Mitte vom 18. Mai 2020 - 113 C 5055/19 - |
- 2 BvL 5/20 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsidentin König,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf,
Maidowski,
Langenfeld,
Wallrabenstein
am 25. März 2021 beschlossen:
- Die Verfahren 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20 und 2 BvL 5/20 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
- Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 22. Februar 2020 Seite 50) ist mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
A.
Die Normenkontrollverfahren richten sich gegen verschiedene Vorschriften des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 (sog. „Berliner Mietendeckel“; GVBl vom 22. Februar 2020 S. 50). Gerügt wird ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.
I.
1. Am 30. Januar 2020 beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung in der Fassung der (dringlichen) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen und des Hauptausschusses vom 22. Januar 2020 (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Drucks 18/2437, S. 1 ff., 6; Plenarprotokoll 18/53, S. 6317 ). Es umfasst das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln), Artikel 1, das Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, Artikel 2, und das Gesetz zur Änderung des Investitionsbankgesetzes, Artikel 3. Artikel 4 regelt das In- und Außerkrafttreten.
Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 hat folgenden Wortlaut:
Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für Wohnraum mit Ausnahme
1. von Wohnraum des öffentlich geförderten Wohnungsbaus,
2. von Wohnraum, für den Mittel aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung gewährt wurden und der einer Mietpreisbindung unterliegt,
3. von Wohnraum, der ab dem 1. Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurde oder im Einzelfall sonst dauerhaft unbewohnbarer und unbewohnter ehemaliger Wohnraum, der mit einem dem Neubau entsprechenden Aufwand zu Wohnzwecken wiederhergestellt wird,
4. von Wohnraum in einem Wohnheim und
5. von Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege zur Überlassung an Personen mit dringendem Wohnbedarf, mit Pflege- oder Teilhabebedarf mietet oder vermietet.
§ 2 Zuständigkeit, Aufgaben und Befugnisse
(1) Aufgaben nach § 5 werden von der für das Wohnungswesen zuständigen Senatsverwaltung durchgeführt. Die Durchführung der Aufgaben nach den §§ 7 bis 9 obliegt der Investitionsbank Berlin. Im Übrigen obliegt die Durchführung der Aufgaben nach diesem Gesetz den Bezirksämtern.
(2) Die Bezirksämter überwachen die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht nach Absatz 1 andere Behörden für die Durchführung zuständig sind. Sie können von Amts wegen alle Maßnahmen treffen, die zur Umsetzung dieses Gesetzes erforderlich sind.
(3) Die nach diesem Gesetz zuständigen Stellen sind befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten und insbesondere einander zu übermitteln, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. Darüber hinaus sind sie ermächtigt, Mieterinnen und Mietern auch jenseits eines konkreten Verwaltungsverfahrens Auskunft über die nach diesem Gesetz zulässige Miethöhe zu erteilen. Mieterinnen, Mieter, Vermieterinnen und Vermieter sowie die für diese handelnden Personen sind verpflichtet, der zuständigen Stelle auf Verlangen die zur Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.
(4) Die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, Ausführungsvorschriften für die Anwendung dieses Gesetzes zu erlassen.
Zweiter Abschnitt Zulässige Miethöhe und Preiserhöhungsverbot
§ 3 Mietenstopp
(1) Vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen ist eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Wurde vertraglich eine Staffel- oder Indexmiete vereinbart, ist die zu diesem Stichtag geschuldete Miete maßgeblich. Mängelbedingte Mietminderungen bleiben außer Betracht. Vermieterinnen und Vermieter haben den Mieterinnen und Mietern unaufgefordert vor Abschluss eines neuen Mietvertrages und jederzeit auf Verlangen der Mieterinnen und Mieter oder des zuständigen Bezirksamtes die zum Stichtag vereinbarte oder geschuldete Miete schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.
(2) Wurde Wohnraum, der zum Stichtag noch nie als Wohnraum vermietet war, zwischen dem Stichtag und dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes erstmalig vermietet, so ist die wirksam vereinbarte Miete für das Verbot nach Absatz 1 maßgeblich. Wird Wohnraum nach dem Stichtag wiedervermietet und besteht dieses Mietverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes fort, so ist diese wirksam vereinbarte Miete für das Verbot nach Absatz 1 maßgeblich.
(3) Beträgt die nach Absatz 1 und 2 zulässige Miete weniger als 5,02 Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich und weist die Wohnung zwei Merkmale nach § 6 Absatz 3 auf, erhöht sich die nach diesem Gesetz zulässige Miete bei Wiedervermietung um 1 Euro, höchstens jedoch auf 5,02 Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich.
(4) Die durch Absatz 1 und 2...
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Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20
...- 2 BvF 1/20 - IM NAMEN DES VOLKES In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob § 3, § 4, § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1 bis Absatz 4, § 7 und § 11 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung g......
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