BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 1/20 -
zur verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung des Artikels 2 Nummer 1 des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl I S. 3155) mit Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, soweit Unionsbürger, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt ist, diese Feststellung aber noch nicht in Bestandkraft erwachsen ist, vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen sind |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. Januar 2020 (S 17 SO 191/19 ER) - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Harbarth,
die Richterin Britz
und den Richter Radtke
gemäß § 81a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 26. Februar 2020 einstimmig beschlossen:
- Die Vorlage ist unzulässig
I.
Das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG betrifft den Ausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht von Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII.
§ 23 SGB XII lautet auszugsweise wie folgt:
(1) 1 Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. 2 Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. 3 Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. 4 Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. 5 Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.
(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.
(3) 1 Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn
2. sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
….
2 Satz 1 Nummer 1 und 4 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. 3 Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. 4 Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. 5 Die Überbrückungsleistungen umfassen:
1. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,
2. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe, einschließlich der Bedarfe nach § 35 Absatz 4 und § 30 Absatz 7,
3. die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und
4. Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
6 Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. 7 Abweichend von Satz 1 Nummer 2 und 3 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. 8 Die Frist nach Satz 7 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. 9 Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. 10 Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.
Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehren die dortigen Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) im Wege des Eilrechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Antragsteller sind nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts seit dem 1. März 2010 durchgehend in Deutschland gemeldet und besitzen nur die rumänische Staatsbürgerschaft. Im März 2018 stellte die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU und die daraus folgende Ausreisepflicht fest. Sie drohte den Antragstellern die Abschiebung nach Rumänien an, falls sie nicht spätestens drei Monate nach Bestandskraft der Verfügung ihrer Ausreiseverpflichtung nachgekommen sein sollten. Über die gegen die Verlustfeststellung erhobene Klage der Antragsteller hat das zuständige Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin zu 1) des fachgerichtlichen Verfahrens ist alleinerziehend. Sie ist die Mutter der übrigen Antragsteller zu 2) bis 4) im Alter von 9,...