Beschluss vom 28. November 2018 - 2 BvL 3/15
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2018:ls20181128.2bvl000315 |
Date | 28 Noviembre 2018 |
Judgement Number | 2 BvL 3/15 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
Leitsätze
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 28. November 2018
- 2 BvL 3/15 -
- Der Gesetzgeber darf bei der Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter die Störung des wechselseitigen Pflichtengefüges besoldungsmindernd berücksichtigen und dabei auch Fehlanreizen entgegenwirken
- Für die Bezüge der im aktiven Dienst stehenden Beamten kommt der qualitäts- und stabilitätssichernden Funktion der Besoldung besondere Bedeutung zu. Anders als bei einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit scheiden begrenzt dienstfähige Beamte nicht vorzeitig aus dem aktiven Dienst aus. Ihre Verpflichtung, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen, bleibt unberührt. Kommen sie dieser Verpflichtung im Umfang ihrer verbliebenen Arbeitskraft nach, muss sich ihre Besoldung an der vom Dienstherrn selbst für amtsangemessen erachteten Vollzeitbesoldung orientieren
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 3/15 -
zur verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob § 24 Abs. 1 Niedersächsisches Besoldungsgesetz in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 vom 16. Dezember 2013 (Nds. GVBl. S. 310) und in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2015 vom 18. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 477) mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2015 - BVerwG 2 C 49.13 - |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf,
König,
Maidowski,
Langenfeld
am 28. November 2018 beschlossen:
- § 24 Absatz 1 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 vom 16. Dezember 2013 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 310) und in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2015 vom 18. Dezember 2014 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 477) sowie § 12 Absätze 1 bis 3 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 308) sind mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar.
- Der Gesetzgeber des Landes Niedersachsen hat eine verfassungskonforme Regelung mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2020 an zu treffen.
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter in Niedersachsen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist.
I.
1. Herkömmlicherweise wurden dienstunfähige Beamte ohne Rücksicht auf den Umfang der ihnen verbliebenen Leistungsfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Nach dem Versorgungsbericht der Bundesregierung vom 17. Oktober 1996 erfolgte im Jahr 1993 die Zurruhesetzung von Beamten in rund 40 % der Fälle wegen Dienstunfähigkeit, während nur jeder fünfte Beamte bis zum Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze im aktiven Dienst verblieb (BTDrucks 13/5840, S. 56 ff.). Die Tendenz zur vorzeitigen Pensionierung zu durchbrechen, wurde als vordringliche Maßnahme zur Dämpfung der Versorgungskosten benannt (BTDrucks 13/5840, S. 39).
Mit dem im Jahr 1998 in Umsetzung dieser Empfehlung eingeführten Institut der begrenzten Dienstfähigkeit sollten die personellen Ressourcen möglichst umfassend ausgenutzt, zugleich aber auch dem Interesse der Beamten an einem Verbleib im Arbeitsleben Rechnung getragen werden (BTDrucks 13/9527, S. 29). Für Landesbeamte ist die begrenzte Dienstfähigkeit nunmehr in § 27 des Beamtenstatusgesetzes in der Fassung vom 17. Juni 2008 (BGBl I S. 1010) wie folgt ausgestaltet:
§ 27 Begrenzte Dienstfähigkeit
(1) Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).
(2) Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. (…)
2. a) Die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter regelte zunächst das Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in der Fassung vom 29. Juni 1998 (BGBl I S. 1666) bundeseinheitlich wie folgt:
§ 72a Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit
(1) Bei begrenzter Dienstfähigkeit (§ 42a Bundesbeamtengesetz und entsprechendes Landesrecht) erhält der Beamte Dienstbezüge entsprechend § 6. Sie werden mindestens in Höhe des Ruhegehaltes gewährt, das er bei Versetzung in den Ruhestand erhalten würde.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gewährung eines nicht ruhegehaltfähigen Zuschlags zusätzlich zu den Dienstbezügen nach Absatz 1 zu regeln.
§ 6 BBesG sah vor, dass die Dienstbezüge der in Teilzeit beschäftigten Beamten proportional zum Teilzeitanteil zu vermindern sind. Mit der Verordnungsermächtigung sollte dem Dienstherrn die Möglichkeit eröffnet werden, einen besoldungsrechtlichen Anreiz zu schaffen (BTDrucks 13/9527, S. 34).
Die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter richtete sich in Niedersachsen im für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum zunächst gemäß § 1 Abs. 3 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2007 vom 15. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 597) beziehungsweise § 1 Abs. 2 NBesG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. November 2011 (Nds. GVBl. S. 422) nach § 72a BBesG in der zum 31. August 2006 gültigen Fassung. Die von der niedersächsischen Landesregierung erlassene Dienstbezügezuschlagsverordnung (DBZVO) vom 14. Oktober 2008 (Nds. GVBl. S. 324) bestimmte rückwirkend zum 1. Januar 2006 Folgendes:
§ 1 Gewährung eines Zuschlags
(1) Begrenzt dienstfähige Beamtinnen und Beamte (…) erhalten zusätzlich zu den Dienstbezügen nach § 72a Abs. 1 BBesG einen nicht ruhegehaltfähigen Zuschlag.
(2) Der Zuschlag beträgt vier vom Hundert der Dienstbezüge, die begrenzt Dienstfähige bei Vollzeitbeschäftigung erhalten würden, mindestens jedoch 180 Euro. Werden Dienstbezüge nach § 72a Abs. 1 Satz 1 BBesG gewährt, weil sie höher sind als die Dienstbezüge nach § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG, so verringert sich der Zuschlag um den Unterschiedsbetrag.
(3) …
b) Zum 1. Januar 2014 wurde die Besoldung in § 24 Abs. 1 NBesG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 vom 16. Dezember 2013 (Nds. GVBl. S. 310 – im Folgenden: NBesG 2014) vollständig gesetzlich geregelt:
§ 24 Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit
(1) Begrenzt dienstfähige Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter, die in vollem zeitlichen Umfang ihrer begrenzten Dienstfähigkeit Dienst leisten, erhalten Dienstbezüge entsprechend § 6 Abs. 1 BBesG, mindestens jedoch in Höhe des Ruhegehalts, das ihnen bei Versetzung in den Ruhestand zustünde. Erhalten sie Dienstbezüge in Höhe des Ruhegehalts, das ihnen bei Versetzung in den Ruhestand zustünde, so erhalten sie zusätzlich zu ihren Dienstbezügen nach Satz 1 einen Zuschlag in Höhe von fünf vom Hundert der Dienstbezüge, die ihnen bei Vollbeschäftigung zustünden, mindestens jedoch 250 Euro monatlich. Erhalten sie Dienstbezüge entsprechend § 6 Abs. 1 BBesG, so erhalten sie einen Zuschlag nach Satz 2 verringert um den Betrag, den die Dienstbezüge nach § 6 Abs. 1 BBesG die Dienstbezüge übersteigen, die ihnen bei Versetzung in den Ruhestand zustünden.
(2) – (3) …
Mit der Erhöhung des Zuschlags sollte einer Beanstandung durch die Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (LTDrucks 17/1009, S. 4 f.).
c) Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2015 vom 18. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 477) wurde § 24 Abs. 1 Satz 3 NBesG mit Wirkung zum 1. Januar 2015 (im Folgenden: NBesG 2015) wie folgt ergänzt:
§ 24 Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit
(2) – (3) …
Anlass war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das eine vergleichbare Aufzehrungsregelung beanstandet hatte. Der Anregung des Gerichts, den Zuschlag wie in anderen Ländern (nunmehr: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen) auf die Hälfte der Differenz zwischen Teilzeit- und Vollzeitbesoldung zu erhöhen – mit der Konsequenz, dass beispielsweise bei einer Dienstfähigkeit von 50 % die Alimentation 75 % der Vollzeitbezüge beträgt –, wurde aus Kostengründen, aber auch um eine besondere Anreizwirkung auszuschließen, nicht gefolgt (LTDrucks 17/1982, S. 37 f.).
Mit Erlass vom 18. Februar 2015 ordnete das Niedersächsische Finanzministerium die rückwirkende Gewährung des neuen...
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