Beschluss vom 29.08.2024 - BVerwG 1 WB 5.24

JurisdictionGermany
Judgment Date29 August 2024
Neutral CitationBVerwG 1 WB 5.24
ECLIDE:BVerwG:2024:290824B1WB5.24.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 29.08.2024 - 1 WB 5.24 -
Record Number290824B1WB5.24.0
Registration Date23 October 2024
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesWBO § 17 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 2,SG § 34,Zentralvorschrift A1-271/5-8901 Nr. 512 Buchst. i

BVerwG 1 WB 5.24

    In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
    den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
    den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
    die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
    den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Szerator und
    den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Eustermann
    am 29. August 2024 beschlossen:

    1. Die Ablösung des Antragstellers von der Waffensystemausbildung EUROFIGHTER vom 28. Januar 2021, der Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Luftwaffe vom 1. September 2022 und die Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 16. November 2023 werden aufgehoben
    2. Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Fortsetzung der Waffensystemausbildung EUROFIGHTER des Antragstellers zu entscheiden
    3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen
    4. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der ihm im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt
    GründeI

    1 Der Antrag betrifft die Aufhebung einer Kommandierung zur spanischen Luftwaffe und die Ablösung von der Waffensystemausbildung für Luftfahrzeugführer EUROFIGHTER.

    2 Der 1992 geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Offizier des Truppendienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2048 enden. Im November 2019 wurde er zum Hauptmann befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Nach einem erfolgreich absolvierten Studium der Luft- und Raumfahrttechnik (Bachelor of Science) und des Technologiemanagements und der Wirtschaftsinformatik (Master of Science) an der Universität der Bundeswehr München und fliegerischer Ausbildung wurde er zum 19. August 2019 für die weitere Ausbildung zur 1. Fliegenden Staffel des ... versetzt.

    3 Von dort aus wurde er mit Personalverfügung vom 20. Mai 2020 für den Zeitraum vom 2. Juni 2020 bis zum 18. Dezember 2020 für die Teilnahme am Lehrgang Waffensystemausbildung Luftfahrzeugführer EUROFIGHTER zur Spanischen Luftwaffe, ... kommandiert.

    4 In einem Bericht des Ausbildungsverbandes vom 24. September 2020 wurde in Bezug auf den Antragsteller und einen weiteren in derselben Ausbildung befindlichen deutschen Offizier Folgendes vorgeschlagen:
    "Endgültiger Abbruch der Flugausbildung dieser beiden Luftfahrzeugführer in Spanien, die dann nach Deutschland zurückkehren würden, um ihre von der deutschen Luftwaffe festgelegte berufliche Laufbahn fortzusetzen."

    5 Dem Vorschlag vorangestellt sind eine Darstellung des Sachverhalts, der Verweis auf Bezugsdokumente, eine Beurteilung und Schlussfolgerungen. Dort heißt es, der Antragsteller habe am Ende seines Aufenthaltes in ... die LCR-Qualifikation nicht erreichen können. Er und ein weiterer deutscher Lehrgangsteilnehmer hätten bei der Durchführung der bisherigen Einsätze keine ausreichenden Leistungen gezeigt. Nachdem die Luft-Luft-Phase bereits so gut wie abgeschlossen sei und die Luft-Boden-Einsätze kurz bevorständen, sei das erreichte Leistungsniveau beim Antragsteller nicht ausreichend, um den Lehrgang zu bestehen und am Ende des Programms, die LCR-Qualifikation zu erwerben. Darüber hinaus seien bei bestimmten Einsätzen aufgrund der mangelhaften Leistungen Situationen eingetreten, in denen das Eingreifen des Fluglehrers notwendig gewesen sei, um die Flugsicherheit nicht zu gefährden. Auszugsweise heißt es wörtlich:
    "[...] Die betreffenden an der Ausbildung teilnehmenden Luftfahrzeugführer, Hauptmann H. und [...] haben zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Berichts keine ausreichenden Leistungen im Luftfahrzeug erreicht und kein mindestens erforderliches Befähigungsniveau nachgewiesen, wobei sie nicht nur unter taktischen Gesichtspunkten, sondern auch, was noch beunruhigender ist, in den fliegerischen Grundlagen (Instrumentenflug, Verbandsflug, Landemanöver) wiederholt schwerwiegende Fehler begingen, die manchmal sogar die Flugsicherheit gefährdeten. Sie haben die Luft-Luft-Phase nicht bestanden, es ist absehbar, dass sie angesichts der Stagnation ihres Fortschritts die Luft-Boden-Phase nicht bestehen können und aus offensichtlichen Sicherheitsgründen ist es sogar unwahrscheinlich, dass sie die in dieser Phase vorgesehenen Alleinflüge durchführen können. [...]"

    6 Dem Bericht angefügt ist ein englischsprachiger Anhang A, der die Defizite des Antragstellers im Rahmen der Ausbildung näher erläutert.

    7 Einer der Unterzeichner dieses Berichtes, Oberstleutnant ... M., informierte den Dezernatsleiter Luft Ib des Luftwaffentruppenkommandos, Oberst i.G. H. auf dessen Nachfrage vom 25. September 2020 in mehreren E-Mails über die Angelegenheit und übersandte auf diesem Weg ergänzende Informationen und Unterlagen. Am 1. Oktober 2020 teilte er unter anderem mit, dass er die betroffenen Offiziere über den Bericht informiert habe ("Just also I talked with them in my office, first as Commander of the Fighter Group, to inform them about the 'official report', as I understand they have the right to know their situation, [...]").

    8 Mit E-Mail vom 8. Oktober 2020 bat Oberst i.G. H. das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, in Abstimmung mit den Stammtruppenteilen der betroffenen Soldaten, deren Rückführung ins Inland zu koordinieren und entsprechende Kommandierungsverfügungen vorzubereiten.

    9 Oberst i.G. H. erhielt zudem unter dem 19. Oktober 2020 Berichte deutscher Offiziere, die als Fluglehrer an dem Lehrgang in Spanien beteiligt waren, über ihre persönlichen Eindrücke der Leistungen der beiden Offiziere, deren Ablösung vom Lehrgang vorgeschlagen worden war. Zu seinen Eindrücken vom Antragsteller nahm Major ... Z. dort Stellung.

    10 Am 20. Oktober 2020 korrigierte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Personalverfügung vom 20. Mai 2020 und bestimmte den Kommandierungszeitraum vom 2. Juni 2020 bis 16. November 2020. Hiernach sollte der Antragsteller seinen Dienst telefonisch am 16. November 2020 antreten und sich anschließend in Quarantäne begeben.

    11 Am 3. Februar 2021 wurde dem Antragsteller eine Aktennotiz von Oberst i.G. H. vom 28. Januar 2021 eröffnet.

    12 In dieser referierte der Verfasser einzelne Bestimmungen der Ausbildungskooperationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien, der Zentralvorschrift A1-271/5-8901 sowie von Ausbildungsvorschriften der spanischen Luftwaffe (Punkte 1 bis 3). Er verwies auf den Bericht der spanischen Luftwaffe vom 24. September 2020 (Punkt 4) und führte unter Punkt 5 aus, die Einschätzung aus dem Bericht der spanischen Luftwaffe werde in allen wesentlichen Punkten durch einen Bericht vor Ort befindlicher deutscher Fluglehrer vom 19. Oktober 2020 bestätigt. Abschließend heißt es:
    "6. Ich stelle daher formal die Ablösung von der Waffensystemausbildung EUROFIGHTER fest. Hptm ... H. und Hptm [...] haben nicht das Potential bewiesen, die Ausbildung in der geforderten Qualität erfolgreich abzuschließen.
    7. Ich schlage vor Hptm H. und Hptm [...] aufgrund der bereits gezeigten Leistungen für eine weitere fliegerische Verwendung im Bereich Waffensystemoffizier oder Führer unbemannter Luftfahrzeuge zu betrachten. Der Entzug des Militärflugzeugführerscheins (MFS) ist nicht angezeigt."

    13 Am 2. März 2021 legte der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Aktennotiz Beschwerde "gegen die Ablösung [...] von der Waffensystemausbildung EUROFIGHTER" sowie "gegen den Abbruch der Ausbildung im Rahmen der Waffensystemausbildung EUROFIGHTER in Spanien" ein, die er nach Einsichtnahmen in die Beschwerdeakten unter dem 6. Januar 2022 und dem 20. Juni 2022 begründete.

    14 Er rügte im Wesentlichen, dass die rechtliche Grundlage für seine Ablösung von der Waffensystemausbildung fehle. Eine taugliche Grundlage bilde insbesondere die mit E-Mail vom 1. Februar 2021 übersandte Aktennotiz nicht. Die Ablösung sei wegen eines Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig. Oberst i.G. H. habe die Ablösung nur formal festgestellt und damit ohne eigene Prüfung und Bewertung den durch die spanischen Ausbilder vorentschiedenen Sachverhalt bestätigt. Die Ablösung sei auch deshalb rechtswidrig, weil ein ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren nach deutschem Recht, das die Ankündigung der Ablösung, eine Anhörung und die Einleitung eines Untersuchungsausschusses mit der Einholung von Ausbilder- und flugärztlichen Stellungnahmen verlange, nicht durchgeführt worden sei. Er unterliege als Soldat dem deutschen Dienstrecht. Hieraus folgende rechtsstaatliche Anforderungen an das Verfahren dürften nicht unterlaufen werden. Der Verfahrensfehler der unterbliebenen Anhörung sei im Beschwerdeverfahren nicht mehr heilbar. Die Voraussetzungen einer Ablösung seien zudem nicht nachgewiesen. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liege beim Dienstherrn. Er verweise auf die Stellungnahme von Staffelkapitän Oberstleutnant S. vom 9. Dezember 2020, nach der die entscheidungserheblichen Tatsachen durch die Dokumente zur spanischen Ausbildung nicht nachgewiesen seien. Die Gradesheets hätten erst nach der Entscheidung über den Abbruch der Ausbildung vorgelegen. In Spanien gebe es keinen nachvollziehbaren Ausbildungsplan oder nachvollziehbare Ausbildungsmodalitäten. Es sei nicht klar geregelt, was im Falle der Nichterreichung des Ausbildungszieles geschehe. Die Ausbildung in Spanien sei zudem strukturell ungenügend. Zum Teil sei unqualifiziertes Personal eingesetzt worden...

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