Beschluss vom 29.11.2018 - BVerwG 9 B 26.18

JurisdictionGermany
Judgment Date29 Noviembre 2018
Neutral CitationBVerwG 9 B 26.18
ECLIDE:BVerwG:2018:291118B9B26.18.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 29.11.2018 - 9 B 26.18
Registration Date23 Enero 2019
Subject MatterRechtsbehelfe nach dem Anhörungsrügengesetz
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number291118B9B26.18.0

BVerwG 9 B 26.18

  • VGH Kassel - 30.11.2017 - AZ: VGH 5 C 1714/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. November 2018
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht Z. wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Der Antrag auf Ablehnung des Richters am Bundesverwaltungsgericht Z. wegen Besorgnis der Befangenheit, über den gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne die Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden ist, ist unbegründet.

2 1. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Juni 2018 (9 B 4.18 ) ein Ablehnungsgesuch des Klägers verworfen sowie seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2017 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger unter dem 18. Juli 2018 Anhörungsrüge erhoben und den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nach der Übernahme der Vorsitzendenfunktion im Zwischenverfahren durch den stellvertretenden Vorsitzenden (vgl. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO) und Berichterstatter, Richter am Bundesverwaltungsgericht Z., hat der Kläger vor Erledigung des vorgenannten Ablehnungsgesuchs auch ihn als befangen abgelehnt. Über das gegen die Mitwirkung von Z. gerichtete Begehren ist daher vorab zu entscheiden.

3 2. Es kann dahingestellt bleiben, ob generellen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge zu folgen ist (für Unzulässigkeit: VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 S 783/16 - NVwZ-RR 2016, 934 Rn. 3 ff.; VGH München, Beschluss vom 7. November 2016 - 10 BV 16.962 - NVwZ-RR 2017, 310 Rn. 6 ff.; OVG Weimar, Beschluss vom 2. Juni 2017 - 3 SO 79/17 - LKV 2018, 288; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 152a Rn. 28; zu § 25 StPO BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 4 StR 469/11 - juris Rn. 8 ff.; a.A. Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 54 Rn. 50d f.; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 152a Rn. 38; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2011 - 1 BvR 2411/10 - NJW 2011, 2191 Rn. 26; die Frage offenlassend BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07 - juris Rn. 5; BVerwG, Beschlüsse vom 28. Mai 2009 - 5 PKH 6.09 - NVwZ-RR 2009, 662 Rn. 3 und vom 12. Dezember 2016 - 5 C 10.15 D - juris Rn. 3).

4 Allerdings gewährleistet das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass der Rechtssuchende stets vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteiisch ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 1993 - 1 BvR 878/90 - BVerfGE 89, 28 und 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 ). Die Ausgestaltung des Ablehnungsrechts im Einzelnen ist Sache des Gesetzgebers (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Mai 2007 - 2 BvR 2655/06 - NStZ 2007, 709 Rn. 3). Die Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO enthalten insoweit ihrem Wortlaut nach keine zeitliche Beschränkung. Ihr Zweck ist darauf gerichtet, eine Entscheidung unter Mitwirkung eines voreingenommenen Richters zu verhindern; sie gelten daher bis zum vollständigen Abschluss der Instanz für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 2. Mai 2007 - 2 BvR 2655/06 - NStZ 2007, 709 Rn. 6 und vom 28. April 2011 - 1 BvR 2411/10 - NJW 2011, 2191 Rn. 23). Eine gerichtliche Entscheidung ist indes unabhängig von ihrem Ausgang auch diejenige über die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Es spricht insoweit vieles dafür, den ein Ablehnungsrecht ausschließenden Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht ausnahmslos an die Rechtskraft, sondern dem Zweck der Ablehnungsvorschriften entsprechend daran zu knüpfen, ob eine richterliche Tätigkeit inmitten steht, welche sich noch auf den Aus- oder Fortgang des Verfahrens auswirken kann. Dementsprechend ist anerkannt, dass auch für richterliche Entscheidungen nach einer Klagerücknahme, obgleich schon deren wirksame Abgabe das Verfahren unmittelbar beendet und dem Einstellungsbeschluss nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur deklaratorischen Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 1990 - 4 NB 17.90 - NVwZ 1991, 60), die Ablehnungsvorschriften gelten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2011 - 1 BvR 2411/10 - NJW 2011, 2191 Rn. 23 ff.).

5 Andernfalls dürften konsequenterweise im Anhörungsrügeverfahren auch die Vorschriften über den Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes, die demselben Ziel wie das Institut der Richterablehnung dienen, keine Anwendung finden, obgleich der Ausschluss nicht von der Zulässigkeit seiner Geltendmachung abhängt, sondern kraft Gesetzes eintritt (BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75 - BVerfGE 46, 34 ). Wäre allein die Rechtskraft maßgeblich, fände zudem § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO im Wiederaufnahmeverfahren nach § 153 VwGO ebenfalls keine Abwendung (offen gelassen von VGH München, Beschluss vom 28. August 2017 - 15 ZB 17.445 - juris Rn. 7) und dürfte mithin sogar der Richter, der an dem rechtskräftig beendeten Verfahren trotz Ausschluss oder erfolgreicher Ablehnung mitgewirkt oder der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht und so den Wiederaufnahmegrund geschaffen hat (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 2, 3, § 580 Nr. 5 ZPO), an der Entscheidung hierüber mitwirken.

6 Inwiefern der Zweck der Anhörungsrüge, das Bundesverfassungsgericht zu entlasten, sowie der Umstand, dass eine unter Verstoß gegen § 54 VwGO ergangene Zurückweisung der Anhörungsrüge lediglich dazu führt, dass eine durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Gehörsverletzung unkorrigiert bleibt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07 - juris Rn. 5), die gegenteilige Ansicht rechtfertigt, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres.

7 Die Frage bedarf indes vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Ablehnungsgesuch hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

8 3. Der Senat kann hierüber ohne vorherige dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO entscheiden. Die dienstliche Äußerung dient der weiteren Sachaufklärung; sie ist verzichtbar, wenn - wie vorliegend - der Sachverhalt geklärt ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. April 2007 - 2 BvR 1674/06 - BVerfGK 11, 62 Rn. 61; BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 2006 - 3 B 182.05 - juris Rn. 5 und vom 23. Oktober 2007 - 9 A 50.07 - Buchholz 303 § 43 ZPO Nr. 1)...

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