BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 165/20 -
- 1 BvQ 166/20 -
- 1 BvQ 167/20 -
über die Anträge,
im Wege der einstweiligen Anordnung
die Anwendung der Art. 2, Art. 3 und Art. 3a des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) vom 18. Dezember 2020 (BGBl I, Ausgabe Nr. 66) (voraussichtlich) bis zur Entscheidung über die noch einzulegende Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, insoweit einstweilen auszusetzen, als hiermit den Antragstellerinnen |
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- erstens die Fortführung und der Neuabschluss von Werk- und Dienstverträgen, |
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- zweitens die Kooperation mit anderen Unternehmen und |
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- drittens der Einsatz von Arbeitnehmern aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zur Erfüllung des Unternehmenszwecks verboten wird, |
Antragstellerin: |
G… GmbH & Co. KG |
- 1 BvQ 165/20 -,
Antragstellerin: |
H… GmbH |
- 1 BvQ 166/20 -,
Antragstellerin: |
S… GmbH & Co. KG |
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- 1 BvQ 167/20 - |
- Bevollmächtigter:
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… -
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in denen die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterinnen Baer,
Ott
und den Richter Radtke
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 29. Dezember 2020 einstimmig beschlossen hat, dass die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt werden,
wird gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 BVerfGG die Begründung gesondert übermittelt.
Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihren Eilanträgen, die Art. 2, Art. 3 und Art. 3a des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz vorläufig nicht in Kraft zu setzen, gegen das sogenannte Fremdpersonalverbot sowie das sogenannte Kooperationsverbot im Kernbereich der Fleischwirtschaft, die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten sollen.
I.
1. Das Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz vom 22. Dezember 2020 (BGBl I S. 3334, Arbeitsschutzkontrollgesetz, im Folgenden: ASKG) erweitert unter anderem das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) um neue Regelungen. Im Mittelpunkt steht insoweit § 6a GSA Fleisch. Die Vorschrift normiert Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal im Kernbereich der Fleischwirtschaft, namentlich in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung. § 6a Abs. 2 GSA Fleisch verbietet es den Unternehmen ab dem 1. Januar 2021, die Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung durch Selbstständige, also mit Hilfe der bisher in weitem Umfang eingesetzten Werkvertragsunternehmen, erledigen zu lassen. Diese Arbeiten dürfen nur noch durch eigenes Personal ausgeführt werden. Nach § 6a Abs. 1 Satz 2 GSA Fleisch gilt zudem ein Kooperationsverbot. Nunmehr muss ein Unternehmer seinen Betrieb oder seine in Absatz 4 näher definierte übergreifende Organisation künftig als alleiniger Inhaber im Sinne des Absatz 3 führen; er darf vor Ort nicht mehr mit anderen Unternehmern im Sinne einer gemeinsamen Führung kooperieren. Zudem schränkt § 6a Abs. 3 GSA Fleisch mit Wirkung ab dem 1. April 2021 die Leiharbeit in diesen Bereichen der Fleischwirtschaft ein und untersagt sie ab dem 1. April 2024. Die Regelungen sind bußgeldbewehrt. Zur Kontrolle ihrer Einhaltung werden in § 6b GSA Fleisch neue Befugnisse geschaffen. Die neuen Regelungen der §§ 6 bis 6b GSA Fleisch gelten nach § 2 Abs. 2 GSA Fleisch allerdings nicht für Handwerksbetriebe mit bis zu 49 Beschäftigten.
2. Die Antragstellerinnen sind familiengeführte mittelständische Unternehmen der Herstellung von Wurst, nicht der Schlachtung oder Zerlegung, mit jeweils einer Produktionsstätte.
a) Die Antragstellerin im Verfahren 1 BvQ 165/20 beschäftigt 60 Arbeitnehmer in Technik, Qualitätssicherung und Lager. Bislang beschäftigte sie weitere 118 Kräfte überwiegend in der Füllerei, Verpackung und Konfektionierung auf der Grundlage von Werkverträgen, die sie zum 1. Dezember 2020 beendete. Auf der Grundlage von Werkverträgen beschäftigt sie jedoch weiter Kräfte zur externen Lagerung, im Sicherheitsdienst, für die Betriebsreinigung, die Maschinenwartung und EDV-Wartung sowie für die gesamte Logistik.
b) Die Antragstellerin im Verfahren 1 BvQ 166/20 stellt neben Wurst auch Convenience-Produkte aus anderen Rohstoffen als Fleisch her. Sie beschäftigt 312 bei ihr angestellte Arbeitnehmer. Bis zum 31. Dezember 2020 waren die Füllerei und die Nachbearbeitung Leberkäse an Werkunternehmen fremdvergeben, doch wurden diese Verträge angesichts des drohenden Verbots einvernehmlich zum 1. Januar 2021 beendet. Im Oktober 2020 waren insgesamt 16 % der spezialisierten Arbeitskräfte besonders in den Bereichen Konfektionierung, Reinigung, Wartung von Maschinen, Logistik, Gebäudemanagement, IT und Zertifizierung auf der Grundlage von Werkverträgen tätig; daneben gewinnt sie 12 % der Beschäftigten aus Arbeitnehmerüberlassung bei Auftragsspitzen. Die Verpackung und Logistik für einen Teil ihrer produzierten Ware ist an externe Dienstleister ausgelagert.
c) Die Antragstellerin im Verfahren 1 BvQ 167/20 bezieht Rohstoffe vorkonfektioniert und veredelt Fleischteile und deren Standards zu Wurstwaren und Convenience-Produkten. Sie beschäftigt durchschnittlich 56 bei ihr angestellte Arbeitnehmer. Dazu kommen rund 101 Kräfte, die per Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung in der Region gewonnen und überwiegend in den Bereichen...