Beschluss vom 29. November 2018 - 2 BvR 2513/17
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181129.2bvr251317 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2018 - 2 BvR 2513/17 - Rn. (1-26), |
Judgement Number | 2 BvR 2513/17 |
Date | 29 Noviembre 2018 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2513/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn D ... , |
- Bevollmächtigte:
-
Rechtsanwältin Anna Magdalena Busl,
Hausdorffstraße 9, 53129 Bonn -
gegen |
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 10. August 2017 - 1 K 5869/16.A - |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
die Richterin Kessal-Wulf
und den Richter Maidowski
am 29. November 2018 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 10. August 2017 - 1 K 5869/16.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes
- Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Arnsberg zurückverwiesen
- Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten
- Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in einem asylrechtlichen Verfahren.
1. Der im November 1979 geborene Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste am 24. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 10. Mai 2016 einen Asylantrag stellte. Zur Begründung gab er im Wesentlichen an, Syrien aus Angst vor dem Krieg verlassen zu haben und nicht wieder zum Militärdienst herangezogen werden zu wollen.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Beschwerdeführer den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte seinen Asylantrag im Übrigen ab.
2. a) Hiergegen erhob der Beschwerdeführer unter dem 6. Oktober 2016 - anwaltlich noch nicht vertreten - Klage beim Verwaltungsgericht Aachen, mit der er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrte. Das Verwaltungsgericht Aachen war in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheids als zuständiges Gericht ausgewiesen. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren, und übersandte die entsprechenden Prozesskostenhilfeunterlagen.
b) Mit Beschluss vom 28. November 2016 erklärte sich das Verwaltungsgericht Aachen für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das zuständige Verwaltungsgericht Arnsberg, bei dem die Akte am 1. Dezember 2016 vorlag.
c) Zur weiteren Begründung seiner Klage machte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 8. März 2017 geltend, dass er in Syrien von Militärangehörigen 15 Tage lang inhaftiert und schwer gefoltert worden sei.
d) Mit Beschluss vom 10. August 2017, zugestellt am 28. August 2017, lehnte das Verwaltungsgericht Arnsberg den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Aus Syrien stammenden Flüchtlingen drohe bei einer unterstellten Rückkehr nicht allein wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland und eines längeren Auslandsaufenthalts politische Verfolgung. Eine solche sei auch nicht wegen einer Wehrdienstentziehung zu befürchten. Diese Auffassung stützte das Verwaltungsgericht auf die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 21. Februar 2017 und vom 4. Mai 2017 sowie auf eigene Entscheidungen im Zeitraum vom 2. Juni 2017 bis zum 1. August 2017. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht für syrische Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Vortrag des Beschwerdeführers zu seiner Inhaftierung und der Folter finde in der Anhörung durch das Bundesamt keinen Anhalt. Er habe die Gelegenheit gehabt, diesen Umstand bereits mit seiner Klagebegründung vom 6. Oktober 2016 vorzutragen.
3. Unter dem 28. August 2017 beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht, den Beschluss vom 10. August 2017 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Er-folgsaussichten der Klage im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens sei derjenige der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags. Diese sei regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Unterlagen und nach Ablauf einer angemessenen Stellungnahmefrist für die Gegenseite anzunehmen. Die Prozesskostenhilfeunterlagen hätten am 6. Oktober 2016 vorgelegen, und die Gegenseite habe innerhalb angemessener Frist Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Jedenfalls damals sei die Rechtsprechung zu der entscheidenden Frage uneinheitlich gewesen. Die vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des OVG NRW hätten noch nicht vorgelegen. Es habe zahlreiche Urteile gegeben, in denen eine Verfolgung bejaht worden sei. Eine höchstrichterliche Klärung der streitentscheidenden Frage stehe noch aus. Die Versagung von Prozesskostenhilfe sei mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren.
II.
1. a) Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2017 hat der Beschwerdeführer am 20. September 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung der aus Art. 3 Abs. 1 GG in...
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