Beschluss vom 29. November 2019 - 1 BvR 2666/18
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20191129.1bvr266618 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 2019 - 1 BvR 2666/18 -, Rn. (1-20), |
Date | 29 Noviembre 2019 |
Judgement Number | 1 BvR 2666/18 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2666/18 -
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau L…, |
gegen |
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 19. November 2018 - 16 W 64/18 -, |
|
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 2018 - 16 W 64/18 -, |
||
c) den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 11. Oktober 2018 - 2 O 126/18 -, |
||
d) den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 19. Juli 2018 - 2 O 126/18 - |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Harbarth
und die Richterinnen Baer,
Ott
am 29. November 2019 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 19. Juli 2018 - 2 O 126/18 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.
- Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 11. Oktober 2018 - 2 O 126/18 - und die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 2018 - 16 W 64/18 - und vom 19. November 2018 - 16 W 64/18 - werden gegenstandslos.
- Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
I.
1. Die Beschwerdeführerin nahm an einer gegen den Transport von Uranerzkonzentrat gerichteten Protestaktion teil. Sie seilte sich unmittelbar über Bahngleisen ab. Um 3:15 Uhr wurde sie von der Polizei in Gewahrsam genommen und in eine Zelle der Polizeiinspektion verbracht. Dort wurden ihr ärztlich verordnete Gelenkschoner (Hand- und Kniegelenksbandagen) abgenommen, welche sie aufgrund einer chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankung zur Linderung ihrer Beschwerden nutzte. Hierauf wies die Beschwerdeführerin die Polizeibeamten unter Vorlage ihres Schwerbehindertenausweises und eines fachärztlichen Attestes hin. Die Beschwerdeführerin wurde um 4:12 Uhr von einer angeforderten Ärztin vor Ort mit Schmerzmitteln behandelt, die jedoch keine Wirkung zeigten. Um 5:05 Uhr erfolgte die Entlassung.
Durch mittlerweile rechtskräftigen und hier nicht angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts, der vom Oberlandesgericht bestätigt worden ist, wurde die Ingewahrsamnahme für unverhältnismäßig und daher rechtswidrig erklärt. Als milderes Mittel hätte die Beschlagnahme des Klettergeschirrs oder die Erteilung eines Platzverweises zur Verfügung gestanden. Als Entschädigung für die rechtswidrige Freiheitsentziehung zahlte das zuständige Bundesland der Beschwerdeführerin 100,00 Euro.
Die Beschwerdeführerin hielt die Entschädigungszahlung trotz der kurzen Dauer des Gewahrsams von zwei Stunden für nicht angemessen. Sie reichte beim Landgericht Klage für Schmerzensgeld in Höhe von 850,00 Euro abzüglich bereits gezahlter 100,00 Euro ein und stellte zugleich den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Ein höheres Schmerzensgeld sei angemessen, da der rechtswidrige Gewahrsam zur Nachtzeit erfolgt sei. Zudem habe der Polizeidirektor auf die Beschlüsse des Amtsgerichts zur Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme erklärt, auch künftig genauso handeln zu wollen. Dazu komme die Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die Zufügung von Schmerzen durch die Wegnahme von ärztlich verordneten Hilfsmitteln und nachgewiesener Schwerbehinderung.
2. Das Landgericht lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab; er habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar sei der Anspruch dem Grunde nach unstrittig. In der Höhe sei die Beschwerdeführerin jedoch mit 100,00 Euro angemessen und ausreichend entschädigt worden. Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung...
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Beschluss vom 30. Mai 2022 - 1 BvR 1012/20
...Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 2019 - 1 BvR 2666/18 -, Rn. 11; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1571/19 -, Rn. 10). Die Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsicht......
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...Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 2019 - 1 BvR 2666/18 -, Rn. 11; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1571/19 -, Rn. 10). Die Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsicht......