Beschluss vom 30.06.2021 - BVerwG 9 B 46.20

JurisdictionGermany
Judgment Date30 Junio 2021
Neutral CitationBVerwG 9 B 46.20
ECLIDE:BVerwG:2021:300621B9B46.20.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 30.06.2021 - 9 B 46.20 -
Registration Date09 Septiembre 2021
Subject MatterSonstiges Abgabenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number300621B9B46.20.0

BVerwG 9 B 46.20

  • VG Arnsberg - 29.08.2019 - AZ: VG 5 K 4315/18
  • OVG Münster - 18.08.2020 - AZ: OVG 14 A 3784/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 2020 wird zurückgewiesen
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 27 172,28 € festgesetzt
Gründe

1 Die von beiden Bevollmächtigten der Klägerin begründete und auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.

3 Das Berufungsgericht hat zugrunde gelegt, dass die Erhöhung der Vergnügungssteuer von 3,5 auf 5 % des Spieleinsatzes keine erdrosselnde Wirkung hat, weil es einem durchschnittlichen Unternehmer in M. möglich ist, die Erhöhung der Vergnügungssteuer durch eine Preiserhöhung auf die Spieler abzuwälzen, indem er zulässige Spielgeräte mit einem höheren langfristigen durchschnittlichen Kasseninhalt einsetzt (UA S. 17). Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Aufsteller in M. bereits am gesetzlichen Limit des bei langfristiger Betrachtung erlaubten Kasseninhalts von 20 € je Stunde gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Spielverordnung - SpielV - arbeiteten und somit gesetzlich gehindert wären, höher profitable Geräte einzusetzen, um die Steuer zu erwirtschaften. Ein bedeutender Hersteller von Geldspielgeräten habe erklärt, dass für die verfügbaren Spielgeräte seines Konzerns der Kasseninhalt bei langfristiger Betrachtung zwischen 10 und 15 € liege (UA S. 19).

4 Zu diesen Feststellungen ist das Berufungsgericht ohne Verfahrensfehler gelangt. Die in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisanträge (§ 86 Abs. 2 VwGO) hat das Gericht mit prozessordnungsgemäßer Begründung abgelehnt (a) und ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz im Übrigen (§ 86 Abs. 1 VwGO) (b) oder ein Gehörsverstoß (c) liegen nicht vor.

5 a) Die Ablehnung eines förmlichen (unbedingt gestellten) Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 - 1 BvR 158/78 - BVerfGE 50, 32 ; Kammerbeschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 Rn. 47 f.).

6 Ein Beweisantrag kann hiernach unter anderem abgelehnt werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts nicht entscheidungserheblich ist oder wenn es sich um einen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag handelt, der lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen. Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden. So liegt es, wenn für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, wenn sie also ohne greifbare Anhaltspunkte "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" behauptet worden ist. Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 30. Mai 2014 - 10 B 34.14 - juris Rn. 9 m.w.N. und vom 14. August 2017 - 9 B 3.17 - juris Rn. 5 f.).

7 Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die mit dem Beschwerdevorbringen in Bezug genommenen Beweisanträge ohne Verstoß gegen Prozessrecht abgelehnt.

8 aa) Die mit dem Beweisantrag zu 1 unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Kasseneinnahme am Ende eines Monats und damit der Preis sich nicht dadurch erhöhen lässt, dass durch eine Änderung der Gerätesoftware oder durch die Nutzung anderer Geräte der durchschnittliche Kasseninhalt pro Stunde erhöht wird, war nicht entscheidungserheblich. Für das Berufungsgericht kam es nicht auf die Kasseneinnahme am Ende eines Monats, sondern auf eine langfristige Betrachtung an (vgl. UA S. 17).

9 Der Vorwurf der Widersprüchlichkeit dieser Auffassung zu anderen Aussagen im angegriffenen Urteil trifft nicht zu. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass sich bei langfristiger Betrachtung durch Änderung der Gerätesoftware oder Nutzung anderer Geräte die Einnahmen steigern lassen, und hat gleichzeitig zugrunde gelegt, dass das Gesamteinspielergebnis geringer wird, wenn der Spieleinsatz so stark sinkt, dass die Erhöhung des durchschnittlichen Kasseninhalts dies nicht mehr auffängt (Beschluss zum Beweisantrag zu 1, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2020, S. 3). Insgesamt nimmt das Gericht also an, dass die Erhöhung des Kasseninhalts zum optimalen Einspielergebnis hin austariert werden kann. Da die von der Branche in M. und auch von der Klägerin eingesetzten Geldspielgeräte aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts noch weit unter dem höchstzulässigen Kasseninhalt von 20 € pro Stunde liegen, besteht eine Optimierungsmöglichkeit durch Erhöhung des einprogrammierten Kasseninhalts bis zum Erreichen dieser Grenze.

10 bb) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang Bezug nimmt auf angeblich gestellte Beweisanträge zu der Frage, ob Geldspielgerätebetreiber Druck auf die Hersteller der Geräte dahin ausüben könnten, dass diese höher profitable Geräte herstellen, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beschwerde legt nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), welche der 28 gestellten Beweisanträge hiermit gemeint sein sollen. Der Beweisantrag zu 8 beinhaltet die Behauptung, die Spielgeräte seien vom Hersteller so konzipiert, dass sie den Betreibern im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorgaben langfristig die höchstmöglichen Einnahmen bringen, der Beweisantrag beinhaltet aber nicht das Thema, ob Spielgerätebetreiber Druck auf die Hersteller ausüben können. Entsprechendes gilt für den Beweisantrag zu 10, mit dem die Behauptung aufgestellt wird, die Gerätehersteller konzipierten Spielgeräte so, dass sie den Aufstellern nicht die höchstmögliche Stundeneinnahme, sondern die langfristig höchstmöglichen Einnahmen unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden rechtlichen Vorgaben brächten.

11 cc) Den Beweisantrag zu 2 mit der Behauptung, die Höhe der Kasseneinnahme am Ende eines Monats hänge neben der Höhe des durchschnittlichen Kasseninhalts pro Stunde auch davon ab, wie lange ein Gerät innerhalb eines Monats bespielt werde und bei Verwendung von Geräten, die den rechtlich zulässigen Höchstrahmen eines durchschnittlichen Kasseninhalts pro Stunde von 20 € ausschöpfen, würden diese von den Spielgästen erheblich weniger bespielt werden, Spielgäste würden abwandern und die Höhe der Kasseneinnahme am Ende eines Monats würde sich langfristig mindern, durfte das Berufungsgericht mit der Begründung ablehnen, für die unter Beweis gestellte Tatsache fehle jeder Anhaltspunkt.

12 Zu Unrecht bringt die Beschwerde hiergegen vor, dem Abwanderungseinwand sei durch den Vortrag begegnet worden, die Mehrheit der in M. betriebenen Spielhallen sei kerngebietstypisch und hätte deshalb einen überörtlichen Einziehungskreis, daher sei mit einem Abwandern der Spieler über die Gemeindegebietsgrenzen zu rechnen. Denn die hierfür in Bezug genommene baurechtliche Einstufung von Vergnügungsstätten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sagt nichts darüber aus, ob eine Spielhalle im Kerngebiet von Spielern außerhalb des Gemeindegebietes aufgesucht wird. Unabhängig davon war der Beweisantrag für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich; das Gericht hat - wie ausgeführt - in der mündlichen Verhandlung bereits den Beweisantrag zu 1 mit der Argumentation zurückgewiesen, es komme nicht auf die Kasseneinnahme am Ende eines Monats an.

13 dd) Die Ablehnung des Beweisantrags zu 18 findet ebenfalls eine Stütze im Prozessrecht. Die Behauptung, die streitgegenständliche Steuer sei für einen durchschnittlichen Spielhallenbetreiber im Satzungsgebiet erdrosselnd, weil sich für ihn durch die Steuer keine ausreichende Kapitalverzinsung und kein ausreichender Unternehmerlohn mehr ergebe, zielt nicht auf die Feststellung dem Beweis zugänglicher Tatsachen, sondern auf eine rechtliche Wertung, die aber dem Gericht vorbehalten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - juris Rn. 208, 216). Soweit mit dem Beweisantrag auch die Ermittlung der einer Bewertung vorgelagerten Tatsachen gemeint sein sollte, bestand aus den vom Berufungsgericht zum Beweisantrag zu 2, zweiter Absatz, mitgeteilten Gründen kein weiterer Aufklärungsbedarf. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nach der Bescheidung der Beweisanträge lediglich allgemein die Verletzung der Sachaufklärungspflicht und die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt, ohne vorzutragen, aus welchen Tatsachen sich...

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