BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2592/18 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B…, |
- Bevollmächtigter:
- … -
gegen |
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26. Oktober 2018 - 3 Ws 1048/18 -, |
|
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26. September 2018 - 3 Ws 803/18 KL -, |
||
c) den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München vom 9. Juli 2018 - 23 Zs 572/18 g -, |
||
d) den Bescheid der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) vom 9. Januar 2018 - 110 Js 16953/17 - |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 31. Januar 2020
einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Der Beschwerdeführer befand sich seit dem 24. Juli 2015 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung („Umsatzsteuerkarussell“) in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kempten.
Am 30. Juni 2015 verstarb die Mutter des Beschwerdeführers, die am 5. August 2015 in Berlin beigesetzt werden sollte. Mit Beschluss vom 3. August 2015 gestattete das Amtsgericht Augsburg gemäß § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO auf seinen Antrag die Teilnahme an der Beerdigung in Berlin und ordnete die Ausführung an. Die JVA habe nicht hinreichend begründet, aus welchen Gründen dies personell und organisatorisch nicht durchzuführen sei.
Am 4. August 2015 teilte die als Leiterin der JVA tätige Beschuldigte gegenüber der zuständigen Ermittlungsrichterin mit, dass sie den Beschluss vom 3. August 2015 nicht umsetzen könne; es fehle für eine Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 119a StPO an einer Ausgangsentscheidung der JVA. Die JVA nahm die Ausführung in der Folge nicht vor, sodass der Beschwerdeführer an der Beisetzung nicht teilnehmen konnte.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2016 stellte das Landgericht Augsburg die Rechtswidrigkeit der unterlassenen Ausführung fest.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Kempten das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Für den Tatbestand der Rechtsbeugung fehle es bezogen auf den konkreten Einzelfall an der Leitungs- und Entscheidungskompetenz der Beschuldigten. Eine Freiheitsberaubung liege tatbestandlich nicht vor, da hierdurch lediglich die Freiheit der Ortsveränderung, nicht jedoch das Interesse am Aufsuchen eines bestimmten Ortes und dortigen Verweilen geschützt werde.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2018 gab die Generalstaatsanwaltschaft München der hiergegen erhobenen Beschwerde keine Folge; auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft werde Bezug genommen. Die Beschuldigte habe keine Rechtssache geleitet oder entschieden. Nachdem die Entscheidung vom 3. August 2015 zu diesem Zeitpunkt so nicht hätte ergehen dürfen, sei kein tatbestandliches Verhalten durch die Nichtbeachtung der in der Sache unzutreffenden Entscheidung gegeben. Mit ihrer mit den tatsächlichen Gegebenheiten des Vollzugs plausibel begründeten Entscheidung habe sich die Beschuldigte jedenfalls nicht in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt. Eine Strafbarkeit wegen Nötigung scheitere an der Verwerflichkeit des Handelns, nachdem sich die Beschuldigte aus organisatorischen Gründen nicht zur Umsetzung des Beschlusses vom 3. August 2015 in der Lage gesehen habe. An der fehlenden Verwerflichkeit ändere auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Ausführung durch das Landgericht Augsburg nichts.
Mit Beschluss vom 26. September 2018 verwarf das Oberlandesgericht München den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig. Die Antragsschrift erfülle die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vollständig. Zum subjektiven Tatbestand der Nötigung werde auf die...