Gerichtsbescheid vom 23.07.2012 - BVerwG 6 A 3.11

Judgment Date23 Julio 2012
Neutral CitationBVerwG 6 A 3.11
ECLIDE:BVerwG:2012:230712G6A3.11.0
CitationBVerwG, Gerichtsbescheid vom 23.07.2012 - 6 A 3.11
Record Number230712G6A3.11.0
Registration Date15 Mayo 2013
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 A 3.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller und Hahn
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die gegen die Klägerin gerichtete Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juni 2008 wird aufgehoben, soweit das gegenüber der Klägerin angeordnete Betätigungsverbot die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen des Senders R. TV der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland betrifft und soweit die Verwendung von Kennzeichen der Klägerin oder ihres Senders bei dieser Tätigkeit verboten wird.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe I

1 Die Klägerin wendet sich gegen eine von dem Bundesministerium des Innern erlassene vereinsrechtliche Verbotsverfügung.

2 Die Klägerin ist eine Aktien- und Holdinggesellschaft dänischen Rechts mit Sitz in Dänemark. Sie ist Inhaberin mehrerer dänischer Fernsehlizenzen und betreibt unter anderem den Fernsehsender R. TV A/S (im Folgenden: R. TV), der gleichfalls in der Rechtsform einer dänischen Aktiengesellschaft - der Klägerin in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 A 4.11 des Senats - geführt wird. Das vorwiegend in kurdischer Sprache produzierte Programm von R. TV wird seit dem 1. März 2004 europaweit - auch nach Deutschland - über Satellit ausgestrahlt und kann in den nahöstlichen Siedlungsgebieten der Kurden, insbesondere in der Türkei ebenfalls empfangen werden. R. TV ließ zeitweise Sendebeiträge durch die in Wuppertal ansässige, seit November 2009 in Liquidation befindliche V. Fernsehproduktion GmbH (im Folgenden: V.) produzieren.

3 Mit Verfügung vom 13. Juni 2008, die an die Klägerin, R. TV und V. gerichtet war, stellte das Bundesministerium des Innern fest, dass der Betrieb des Fernsehsenders R. TV durch die Klägerin sowie die Tätigkeit von R. TV selbst den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten, weil in dem Programm des Senders Propaganda für die verbotene PKK betrieben und Gewalt zur Durchsetzung der politischen Ziele der PKK sowie im Verhältnis zwischen Türken und Kurden befürwortet werde. Der Klägerin wurde verboten, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes durch R. TV zu betätigen. R. TV wurde ebenfalls mit einem Betätigungsverbot belegt. Zudem wurde der Sender mit Blick auf die Tätigkeit der als seine Teilorganisation bezeichneten V. im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes verboten. V. wurde aufgelöst. Ferner wurde die Verwendung von Kennzeichen der verbotenen Organisationen untersagt und ihr im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandenes Vermögen beschlagnahmt und eingezogen.

4 Das Verfahren über die von der Klägerin gegen die Verbotsverfügung erhobene Klage (Az.: BVerwG 6 A 6.08 ) hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 24. Februar 2010 zum Zweck der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt. Der Senat hat in den Gründen dieses Beschlusses dargelegt, dass das Bundesministerium des Innern das mit der angefochtenen Verbotsverfügung ausgesprochene Betätigungsverbot zwar zu Unrecht auf den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG gestützt hat, dieses jedoch nach nationalem Recht seine Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG findet, weil sich die Klägerin gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Zu einer Entscheidung über die Frage, ob der Heranziehung des letztgenannten Verbotsgrunds die Bestimmungen der gemeinschaftsrechtlichen Fernseh-Richtlinie entgegenstehen, hat sich der Senat ohne vorherige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht im Stande gesehen. Er hat deshalb dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift über ein Vereinsverbot wegen Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung in den durch die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Ausübung...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT