Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten

Coming into Force22 Julio 2024
CitationVerbraucherrechtedurchsetzungsgesetz vom 8. Oktober 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 272, S. 2), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 16. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 240) geändert worden ist
Record NumberBJNR1100B0023
Issue Date08 Octubre 2023
Official Gazette PublicationBGBl I 2023, Nr. 272, 2

Fußnote

(+++ Nachgewiesener Text dokumentarisch noch nicht bearbeitet +++)

Das G wurde als Artikel 1 des G v. 8.10.2023 I Nr. 272 vom Bundestag beschlossen. Es ist gem. Art. 31 Abs. 1 dieses G am 13.10.2023 in Kraft getreten.

Inhaltsübersicht
Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften
§ 1 Verbandsklagen

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Ansprüche und Rechtsverhältnisse einer Vielzahl von Verbrauchern gegen einen Unternehmer betreffen, können klageberechtigte Stellen folgende Verbandsklagen gegen Unternehmer erheben:

1.
Abhilfeklagen und
2.
Musterfeststellungsklagen.

(2) Kleine Unternehmen gelten als Verbraucher im Sinne dieses Gesetzes. Kleine Unternehmen sind solche, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 2 Millionen Euro nicht übersteigt.

§ 2 Klageberechtigte Stellen

(1) Klageberechtigte Stellen für Verbandsklagen sind

1.
qualifizierte Verbraucherverbände, die
a)
in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind und
b)
nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen, sowie
2.
qualifizierte Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 409 vom 4.12.2020, S. 1) eingetragen sind.

(2) Bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Voraussetzung nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b vorliegt, so verlangt das Gericht vom Kläger die Offenlegung seiner finanziellen Mittel.

(3) Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Voraussetzung des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe b erfüllen.

§ 3 Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung

(1) Für Verbandsklagen ist dasjenige Oberlandesgericht sachlich und örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich der allgemeine Gerichtsstand des Unternehmers, gegen den sich die Verbandsklage richtet, befindet.

(2) Regelungen in Rechtsakten der Europäischen Union bleiben unberührt. Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht sind, gehen den Vorschriften dieses Gesetzes vor.

(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern

1.
in dem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind und
2.
die Zuweisung für das Verbandsklageverfahren förderlich ist.

Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf ihre Landesjustizverwaltung übertragen.

§ 4 Verbraucherquorum; Finanzierung

(1) Eine Verbandsklage ist nur zulässig, wenn die klageberechtigte Stelle nachvollziehbar darlegt, dass

1.
von der Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein können oder
2.
von den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens 50 Verbrauchern abhängen können.

Im Fall des § 7 Absatz 1 ist die Gesamtzahl der von der gemeinschaftlichen Klage betroffenen Verbraucher maßgeblich.

(2) Eine Verbandsklage ist unzulässig, wenn sie von einem Dritten finanziert wird,

1.
der ein Wettbewerber des verklagten Unternehmers ist,
2.
der vom verklagten Unternehmer abhängig ist,
3.
dem ein wirtschaftlicher Anteil an der vom verklagten Unternehmer zu erbringenden Leistung von mehr als 10 Prozent versprochen ist oder
4.
von dem zu erwarten ist, dass er die Prozessführung der klageberechtigten Stelle, einschließlich Entscheidungen über Vergleiche, zu Lasten der Verbraucher beeinflussen wird.

(3) Mit Klageeinreichung hat die klageberechtigte Stelle dem Gericht die Herkunft der Mittel, mit denen die Klage finanziert wird, offenzulegen. Wird die Klage durch einen Dritten finanziert, sind darüber hinaus die mit dem finanzierenden Dritten getroffenen Vereinbarungen offenzulegen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Finanzierung der Klage erst nach Klageeinreichung erfolgt.

§ 5 Klageschrift

(1) Die Klageschrift, mit der eine Verbandsklage erhoben wird, muss Folgendes enthalten:

1.
die Angabe und den Nachweis, dass der Kläger eine klageberechtigte Stelle ist,
2.
die nachvollziehbare Darlegung, dass
a)
von der Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein können oder
b)
von den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens 50 Verbrauchern abhängen können,
3.
die Angabe des Werts des Streitgegenstands und
4.
die Angabe, ob ein Dritter die Verbandsklage finanziert, sowie gegebenenfalls den Namen des Dritten.

(2) Die Klageschrift soll für den Zweck der Bekanntmachung im Verbandsklageregister eine kurze Darstellung des Lebenssachverhalts enthalten, aus dem die geltend gemachten Ansprüche von Verbrauchern hergeleitet werden.

(3) Im Übrigen ist § 253 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

§ 6 Offenlegung von Beweismitteln; Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld

(1) Ordnet das Gericht die Vorlage einer Urkunde oder sonstiger Unterlagen (§ 142 der Zivilprozessordnung), die Vorlage von Akten (§ 143 der Zivilprozessordnung) oder die Vorlage eines Gegenstandes (§ 144 der Zivilprozessordnung) an, so kann es der vorlagepflichtigen Partei für den Fall, dass diese der Anordnung nicht nachkommt, die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 250 000 Euro androhen.

(2) Kommt die vorlagepflichtige Partei der gerichtlichen Anordnung trotz Androhung eines Ordnungsgelds nicht nach, so ist das angedrohte Ordnungsgeld durch Beschluss festzusetzen. Das Ordnungsgeld kann erneut festgesetzt werden, wenn die vorlagepflichtige Partei der gerichtlichen Anordnung wiederholt nicht nachkommt.

§ 7 Streitgenossenschaft

(1) Mehrere klageberechtigte Stellen können gemeinschaftlich gegen einen Unternehmer klagen. Mehrere Unternehmer können gemeinschaftlich verklagt werden.

(2) Die §§ 59 bis 63 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden.

§ 8 Sperrwirkung der Verbandsklage

Ab Anhängigkeit einer Verbandsklage kann gegen denselben Unternehmer keine weitere Verbandsklage erhoben werden, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben Ansprüche oder dieselben Feststellungsziele betrifft. Diese Sperrwirkung entfällt, sobald die Verbandsklage ohne Entscheidung in der Sache beendet wird.

§ 9 Gerichtlicher Vergleich

(1) Zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits können die Parteien einen gerichtlichen Vergleich auch mit Wirkung für die im Verbandsklageregister angemeldeten Verbraucher schließen. Der gerichtliche Vergleich kann nicht vor Ablauf des in § 46 Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitpunkts geschlossen werden.

(2) Der Vergleich bedarf der Genehmigung des Gerichts. Das Gericht genehmigt den Vergleich durch Beschluss, wenn es ihn unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands, insbesondere der Interessen der betroffenen Verbraucher, als angemessene gütliche Beilegung des Rechtsstreits erachtet. Andernfalls lehnt das Gericht die Genehmigung des Vergleichs durch Beschluss ab.

§ 10 Austritt aus dem Vergleich

(1) Jeder im Verbandsklageregister angemeldete Verbraucher kann innerhalb einer Frist von einem Monat gegenüber dem Bundesamt für Justiz den Austritt aus dem Vergleich erklären. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Vergleichs im Verbandsklageregister.

(2) Verbraucher, die ihren Austritt wirksam erklärt haben, werden durch den Vergleich nicht gebunden. Der Austritt berührt nicht die Wirksamkeit der Anmeldung im Verbandsklageregister.

§ 11 Sperrwirkung der Anmeldung; Bindungswirkung

(1) Hat ein Verbraucher vor der Bekanntgabe der Verbandsklage im Verbandsklageregister eine Klage gegen den Unternehmer erhoben, die die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse oder Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Verbandsklage betrifft, und meldet er seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis zum Verbandsklageregister an, so setzt das Gericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verbandsklage oder bis zur sonstigen Erledigung der Verbandsklage oder bis zur wirksamen Rücknahme der Anmeldung zum Verbandsklageregister aus.

(2) Während der Rechtshängigkeit der Verbandsklage kann ein angemeldeter Verbraucher gegen den Unternehmer keine Klage erheben, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben Ansprüche oder dieselben Feststellungsziele betrifft.

(3) Rechtskräftige Urteile über Verbandsklagen binden ein zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem verklagten Unternehmer berufenes Gericht, soweit dessen Entscheidung den Lebenssachverhalt der Verbandsklage und einen mit der Abhilfeklage geltend gemachten Anspruch oder ein mit der Musterfeststellungsklage geltend gemachtes Feststellungsziel betrifft. Satz 1 gilt nicht für Abhilfeendurteile nach § 18.

§ 12 Informationspflichten

(1) Die klageberechtigte Stelle ist verpflichtet, auf ihrer Internetseite zu informieren über:

1.
Verbandsklagen, die sie erheben will,
2.
Verbandsklagen, die sie bereits erhoben hat, und
3.
den Verfahrensstand der...

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