Urteil Nr. B 1 KR 27/18 R des Bundessozialgericht, 2019-04-09

Judgment Date09 Abril 2019
ECLIDE:BSG:2019:090419UB1KR2718R0
Judgement NumberB 1 KR 27/18 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Krankenversicherung - Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung - Kodierung einer Schlüsselnummer des Alphabetischen Verzeichnisses zum ICD-10-GM 2011 für Fallpauschale nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ist durch Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis zu überprüfen
Leitsätze

Ob das Krankenhaus für eine Fallpauschale nach den Deutschen Kodierrichtlinien eine Schlüsselnummer des Alphabetischen Verzeichnisses zum ICD-10-GM zu kodieren hat, ist durch Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis zum ICD-10-GM zu überprüfen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1555,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Sie legte dem bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten K. K. (im Folgenden: Versicherter) im August 2011 wegen einer Harnstauungsniere rechts einen Nephrostomiekatheter. Sie nahm ihn wieder auf, um endoskopisch den festgestellten Nierenstein zu entfernen. Sie kodierte für diese vollstationäre Behandlung (6. bis 9.10.2011) nach dem in diesem Jahr geltenden ICD-10-GM als Hauptdiagnose N20.1 (Ureterstein) sowie als Nebendiagnose ua ICD-10-GM B95.7! (Sonstige Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) und T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt), berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2011 DRG>) L20A (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien, außer bei Para- / Tetraplegie oder andere Eingriffe an der Urethra bei Para- / Tetraplegie, mit äußerst schweren CC) und erhielt hierfür von der Beklagten 3562,22 Euro. Die Beklagte forderte später vergeblich 1555,62 Euro zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete DRG L20C (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien ohne ESWL, ohne komplexen Eingriff, ohne fluoreszenzgestützte TUR der Harnblase oder andere Eingriffe an der Urethra außer bei Para- / Tetraplegie, ohne äußerst schwere CC), da als Nebendiagnose statt T83.5 N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) zu kodieren sei. Die Beklagte rechnete 3562,22 Euro gegenüber unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf und zahlte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2006,60 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2015). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Nach einer gebotenen strengen Wortlautauslegung, ergänzt durch systematische Erwägungen, sei T83.5 nicht einschlägig. Die Infektion sei keine durch ein Implantat im Harntrakt gewesen, da der Katheter kein Implantat sei (Urteil vom 14.9.2017).

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von ICD-10-GM (2011) T83.5.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 und des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1555,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen,

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der klagenden Krankenhausträgerin steht der im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter zu (dazu 1.). Ob die Beklagte diesen Vergütungsanspruch in Höhe von 1555,62 Euro dadurch erfüllte, dass sie mit einem aus der Behandlung des Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch wirksam aufrechnete, kann der erkennende Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG aber nicht entscheiden (dazu 2.).

1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der Beklagten Anspruch auf die abgerechnete Vergütung von 1555,62 Euro hatte; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).

2. Der Senat kann wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht in der Sache selbst abschließend über den Erfolg der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG entscheiden. Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch nebst Zinsen zu, wenn die Beklagte für ihre - im Übrigen wirksame - Aufrechnung (§ 387 BGB; vgl zur Aufrechnung BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16; BSG SozR 4-5562 § 11 Nr 2; BSG SozR 4-7610 § 366 Nr 1) einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl dazu allgemein BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN) in Höhe von 1555,62 Euro als Gegenforderung hatte.

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, dass die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 1555,62 Euro erfüllt waren. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig (dazu a). Für den Anspruch ist maßgeblich, dass im Behandlungsfall des Versicherten eine Infektion oder entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt bestand iS von T83.5 des ICD-10-GM Version 2011 (im Folgenden: ICD-10-GM idF der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit BMG> gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 21.10.2010, BAnz Nr 169 vom 9.11.2010, S 3751, in Kraft getreten am 1.1.2011). Der dem Versicherten eingesetzte Nephrostomiekatheter fällt grundsätzlich unter diese Diagnose (dazu b). Es fehlen Feststellungen des LSG dazu, dass eine Infektion oder entzündliche...

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