Urteil Nr. B 1 KR 11/19 R des Bundessozialgericht, 2019-07-30

Judgment Date30 Julio 2019
ECLIDE:BSG:2019:300719UB1KR1119R0
Judgement NumberB 1 KR 11/19 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5887,71 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, am 15.8.2016 geborene J. S. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 30.1. bis 6.2.2017 wegen akuter Bronchiolitis, zeitweise auf der Kinder-Intensivstation. Die Versicherte wurde in der Zeit vom 30.1. (20 Uhr) bis 2.2.2017 (11:30 Uhr) mit Hilfe einer High-Flow-Nasenkanüle (HFNC) über Brille beatmet. Die Klägerin kodierte neben der Prozedur nach dem 2017 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-711.4 (Atemunterstützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen HFNC-System>) 66 Beatmungsstunden und berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2017 DRG>) E40C (Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane mit Beatmung > 24 Stunden, mehr als 2 Belegungstage, mit komplexer Prozedur, ohne äußerst schwere CC, außer bei Para-/Tetraplegie; Rechnung vom 3.4.2017). Auf den Gesamtbetrag von 8656,96 Euro zahlte die Beklagte 2769,25 Euro nach der niedriger vergüteten DRG E70A (Keuchhusten und akute Bronchiolitis, Alter . Beatmungsstunden seien bei der Atemunterstützung durch HFNC nicht zu berechnen. Das SG hat die Klage auf Zahlung weiterer 5887,71 Euro nebst Zinsen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1.6.2018). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Beatmung eines Neugeborenen oder Säuglings mit HFNC stelle keine maschinelle Beatmung im Sinne der Kodierregel 1001l der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2017 dar. Zwar sei danach bei Neugeborenen und Säuglingen die Dauer der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei der Ermittlung der Beatmungsdauer einzubeziehen. Eine mögliche (technische) Vergleichbarkeit der HFNC-Therapie mit der Anwendung von CPAP rechtfertige jedoch keine analoge Anwendung dieser Bestimmung (Urteil vom 7.2.2019).

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision sinngemäß die Verletzung der Kodierregel DKR (2017) 1001l iVm OPS 8-711. Durch die Zuordnung der Atemunterstützung durch HFNC (OPS 8-711.4) zur OPS-Subkategorie 8-711 (Maschinelle Beatmung und Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen) fänden die Regelungen der DKR für das Jahr 2017 zur Dokumentation von Beatmungsstunden auch beim HFNC-System Anwendung.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Februar 2019 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 1. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 5887,71 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18. April 2017 zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), jedoch unbegründet. Der Klägerin stand wegen der stationären Behandlung der Versicherten neben den von der Beklagten gezahlten 2769,25 Euro kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus geforderten 5887,71 Euro und damit auch kein Zinsanspruch zu. Der Vergütungsanspruch der Klägerin entstand dem Grunde nach; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig (dazu 1.). Die Klägerin durfte jedoch im Behandlungsfall der Versicherten keine Beatmungsstunden abrechnen (dazu 2.).

1. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.

2. Die Klägerin hat unter Achtung der allgemeinen Grundsätze (dazu a) keinen Anspruch nach der geltend gemachten DRG E40C (Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane mit Beatmung > 24 Stunden, mehr als 2 Belegungstage, mit komplexer Prozedur, ohne äußerst schwere CC, außer bei Para-/Tetraplegie; dazu b), da sie für die Behandlung der Versicherten keine Beatmungszeit kodieren durfte (dazu c). Die hierfür zuständigen "Vertragsparteien auf Bundesebene" - Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Spitzenverband Bund der KKn und Verband der privaten Krankenversicherung - lassen normenvertraglich eine solche Kodierung nicht zu. Die geringere Pauschalvergütung entpflichtet ebenso wenig von einer medizinisch gebotenen Behandlung, wie eine höhere Pauschalvergütung zu einer medizinisch nicht indizierten Behandlung berechtigt.

a) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz - FPG - vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG - idF durch Art 2 Nr 7, Art 3 Nr 1 Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung - Krankenhausstrukturgesetz - KHSG - vom 10.12.2015, BGBl I 2229) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG - idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen - PsychVVG - vom 19.12.2016, BGBl I 2986; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSGE 123, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 10). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen - FPVn) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG - vom 17.3.2009, BGBl I 534) mit der DKG als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KSHG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a KSHG).

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2017; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die FPVn selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (ICD-10-GM> hier in der Version 2017 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 27.10.2016, BAnz AT vom 21.11.2016 B1, in Kraft getreten am 1.1.2017) und die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2017 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 27.10.2016, BAnz AT vom 21.11.2016 B2, in Kraft getreten am 1.1.2017; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24). Schließlich gehören zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2017 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2017 für das G-DRG-System‎ gemäß § 17b KHG). Hierdurch erlangen die dem Groupierungsalgorithmus vorgelagerten DKR-Regelungen über die Eingabe der in ICD-10-GM und OPS enthaltenen kodierfähigen Angaben in die Groupierungsmaske jedes Jahr zwischen den Vertragspartnern erneut Geltung (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17; zu...

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