Urteil Nr. B 1 KR 8/21 R des Bundessozialgericht, 2021-08-16

Judgment Date16 Agosto 2021
ECLIDE:BSG:2021:160821UB1KR821R0
Judgement NumberB 1 KR 8/21 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Krankenversicherung - zahnärztliche Behandlung - Anspruch auf zahnimplantologische Leistungen - nur bei einer aus human- und zahnmedizinischen Bestandteilen bestehenden Gesamtbehandlung - kein Verstoß gegen Artikel 3 GG
Leitsätze

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei einer aus human- und zahnmedizinischen Bestandteilen bestehenden Gesamtbehandlung Anspruch auf zahnimplantologische Leistungen haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin begehrt noch die Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Behandlung mit Zahnimplantaten im Oberkiefer (6544,45 Euro nebst Zinsen) und eine hierauf bezogene vollständige Versorgung mit zahnprothetischen Leistungen.

Die Klägerin litt unter einem prothetisch unzulänglich versorgten Restgebiss. Nach vorausgegangener bestandskräftiger Ablehnung (Bescheid vom 23.7.2015) beantragte die Klägerin erneut die Versorgung mit Zahnimplantaten und legte hierzu einen Befundbericht vor (P, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums M, 11.11.2015). Hiernach weise die Klägerin eine Schleimhautveränderung im mittigen Bereich des Hartgaumens auf, die eher auf eine Plattenepithelhyperplasie hindeute, bei der die Abgrenzung zu einem hoch differenzierten Plattenepithelkarzinom jedoch sehr schwer falle. Eine Exzision werde dringlich empfohlen, eine lokale Befundkontrolle solle erfolgen. Jedenfalls sei eine prothetische Versorgung mit Implantaten indiziert, um eine entzündliche Irritation der Mundschleimhaut zu verhindern. Die Beklagte lehnte, gestützt auf ein Gutachten (E), den Antrag zunächst ab (Bescheid vom 8.2.2016), veranlasste jedoch umgehend eine weitere, eine Ausnahmeindikation verneinende Begutachtung (T). Hierauf gestützt lehnte die Beklagte die Versorgung mit Zahnimplantaten wiederum ab (Bescheid vom 29.3.2016, Widerspruchsbescheid vom 16.6.2016). Das SG hat nach Einholung eines weiteren Gutachtens (M) die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.6.2018). Die Klägerin verschaffte sich nach Einlegung der Berufung eine implantatgestützte Zahnprothese im Oberkiefer (6544,45 Euro implantologische Leistungen; 7002,49 Euro zahnprothetische Leistungen). Das LSG hat - zT unter Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils - die nunmehr auf Erstattung der Kosten für die implantologischen Leistungen und die wegen behaupteter Mangelhaftigkeit des Zahnersatzes auf erneute Versorgung mit Zahnersatz gerichtete Berufung zurückgewiesen: Der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V zu. Implantologische Leistungen seien grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Hiervon ausgenommen seien nur Leistungen im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung bei besonders schweren Fällen, soweit seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) festzulegende Ausnahmeindikationen vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall. Ein Anspruch ergebe sich zudem weder aus § 13 Abs 3a SGB V noch aus § 2 Abs 1a SGB V (Urteil vom 30.1.2020).

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde dadurch verletzt, dass eine Versorgung mit Zahnimplantaten nur im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung möglich sei. Auch bei einer medizinischen Gesamtbehandlung diene der mit den Zahnimplantaten verbundene zahnmedizinische Teil hauptsächlich der Wiederherstellung der Kaufunktion. Einen sachlichen Grund für eine Schlechterstellung außerhalb der medizinischen Gesamtbehandlung gebe es nicht. Zudem lasse sich dieses Abgrenzungskriterium weder auf § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V noch die Behandlungsrichtlinie des GBA stützen.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2020 und des Sozialgerichts Münster vom 11. Juni 2018 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. Juli 2015, vom 8. Februar 2016 und vom 29. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 6544,45 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Soweit die Klägerin nunmehr im Revisionsverfahren nur noch die Erstattung der Kosten für die Zahnimplantate (Zahnregion 12, 14, 16, 22, 24, 26) in Höhe von 6544,45 Euro begehrt, hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende SG-Urteil zu Recht zurückgewiesen. Ihre Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V (dazu 1.) noch nach § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V (dazu 2.) Anspruch auf Erstattung der Zahnimplantatkosten.

1. Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (vgl BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 15 mwN). Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Daran fehlt es. Die Beklagte lehnte es rechtmäßig ab, die Klägerin mit Zahnimplantaten zu...

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