Urteil Nr. B 10 EG 10/17 R des Bundessozialgericht, 2018-12-13

Judgment Date13 Diciembre 2018
ECLIDE:BSG:2018:131218UB10EG1017R0
Judgement NumberB 10 EG 10/17 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Elterngeld - Einkommensberechnung - nichtselbständige Tätigkeit - Abzüge für Sozialabgaben - Änderung von Abzugsmerkmalen - Vergleichsbetrachtung der jeweiligen Geltungsdauer - überwiegende Zahl der Monate des Bemessungszeitraums - Berücksichtigung einer teilweisen Geltung in "gemischten Monaten"
Leitsätze

Ein Abzugsmerkmal für Sozialabgaben ist bei den für die Elterngeldberechnung maßgeblichen Monaten im Bemessungszeitraum auch dann zu berücksichtigen, wenn es ausweislich des Entgeltnachweises des Arbeitgebers in einem Monat nur teilweise gegolten hat.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 2017 und des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Elterngeld ohne Berücksichtigung eines Abzugs von Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttogehalt.

Der Kläger war in Vollzeit bei der Stadt zunächst als tarifangestellter Berufsschullehrer und ab dem 11.9.2013 als beamtete Lehrkraft erwerbstätig.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag Elterngeld wegen der Betreuung und Erziehung seiner am 28.3.2014 geborenen Tochter für den siebten bis elften Lebensmonat in Höhe von jeweils 1355,67 Euro unter dem Vorbehalt des Widerrufs (Bescheid vom 28.4.2014). Als Bemessungszeitraum zog er die Monate März 2013 bis Februar 2014 heran. Ausgehend von den für diese Monate vom Kläger vorgelegten Entgeltnachweisen seiner Arbeitgeberin errechnete der Beklagte ein monatliches "Elterngeld-Brutto" von 3621,79 Euro. Unter Berücksichtigung der Abzüge für Steuern von 758,07 Euro und Sozialabgaben von 778,07 Euro setzte er das "Elterngeld-Netto" auf 2085,65 Euro fest, auf das er als Ersatzrate den Prozentsatz von 65 Prozent anwendete.

Hiergeben erhob der Kläger Widerspruch. Unter Hinweis auf seine Verbeamtung zum 11.9.2013 rügte er den Abzug für Sozialabgaben bei der Berechnung des Elterngelds. Den Widerspruch wies der Beklagte zurück. Der Abzug von Sozialabgaben habe einheitlich für den gesamten Bemessungszeitraum zu erfolgen, weil in den Monaten März bis August 2013 und vom 1.9. bis 10.9.2013 - also in der überwiegenden Anzahl der Monate im Bemessungszeitraum (6 Monate und 10 Tage zu 5 Monaten und 20 Tagen) - Pflichtbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien (Widerspruchsbescheid vom 28.5.2014).

Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger höheres Elterngeld ohne Berücksichtigung eines Abzugs für Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten vorgeburtlichen Einkommen zu zahlen (Urteil vom 18.5.2015). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.7.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal habe lediglich in sechs ganzen Monaten und damit nicht in der überwiegenden Zahl der zwölf Monate des Bemessungszeitraums gegolten. Für eine überwiegende Geltung im Bemessungszeitraum müssten mindestens sieben ganze Monate mit einem Abzugsmerkmal vorliegen. Die nur teilweise Geltung des Abzugsmerkmals für Sozialabgaben im September 2013 reiche nicht. Unter mehreren im Einzelnen aufgezeigten Auslegungsmöglichkeiten hat das Berufungsgericht diejenige für vorzugswürdig erachtet, nach der ein Abzugsmerkmal in einem Monat nur dann "gegolten" habe, wenn der betreffende Monat von Anfang bis Ende dieses Abzugsmerkmal aufweise. Als "nahezu gleichwertig" hat das LSG die vom SG vertretene Auslegungsmöglichkeit erachtet, nach der es bei "gemischten" Monaten - also solchen, bei denen sich der Wechsel eines Abzugsmerkmals während des laufenden Monats vollziehe - darauf ankomme, ob innerhalb dieses Monats das betreffende Abzugsmerkmal überwiegend gegolten habe. Das Berufungsgericht hat sich für sein Ergebnis auf die Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck des § 2c Abs 3 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) berufen. Bei dieser Norm handele es sich um eine Härtefallregelung. Mit ihr solle Unbilligkeiten abgeholfen werden, die sich daraus ergäben, dass lediglich ein einziger von insgesamt zwölf Monaten die elterngeldrechtlichen Abzüge determiniere.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2c Abs 3 S 2 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878). Das LSG habe diese Norm fehlerhaft ausgelegt, weil es den Bedeutungsgehalt dieser Bestimmung verkannt habe. Vielmehr hätten die Abzugsmerkmale zu den Sozialabgaben wegen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers in sieben und damit in der überwiegenden Anzahl der Monate gegolten. Hierzu zähle auch der Monat September 2013. Für diesen Monat liege ein entsprechender Entgeltnachweis der Arbeitgeberin vor. Dass in diesem Monat die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal nur teilweise gegolten habe, sei unerheblich.

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 2017 und des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene LSG-Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld ohne Berücksichtigung eines Abzugs von Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttogehalt, weil die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal für die Sozialabgaben in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums (nämlich in sieben von zwölf Monaten) gegolten hat.

A. Streitgegenstand ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höheres Elterngeld ohne Berücksichtigung eines Abzugs von Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttogehalt, den der Beklagte mit Bescheid vom 28.4.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2014 (§ 95 SGG) verneint hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 S 1 SGG; vgl hierzu Senatsurteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 14 mwN).

B. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein höheres Elterngeld zu. Zwar hat er für den hier streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Elterngeld (dazu unter 1.). Er kann Elterngeld jedoch nicht ohne Berücksichtigung des Abzugs von Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttogehalt beanspruchen. Denn die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal für die Sozialabgaben hat in der überwiegenden Zahl der Monate des hier relevanten Bemessungszeitraums gegolten (dazu unter 2.). Umsetzungs- oder Berechnungsfehler bei der Ermittlung der Abzüge für Sozialabgaben vom Erwerbseinkommen des Klägers im Bemessungszeitraum nach Maßgabe des § 2f Abs 1 BEEG sind nicht ersichtlich (dazu unter 3.).

1. Dem Kläger steht dem Grunde nach Elterngeld für die Betreuung und Erziehung für den siebten bis elften Lebensmonat seiner Tochter zu. Er erfüllt die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs 1 BEEG in der hier maßgeblichen vom 1.8.2013 bis 31.12.2014 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetzes) vom 15.2.2013 (BGBl I 254). Wie in § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG vorausgesetzt, hatte der Kläger nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Bezugszeitraum des Elterngelds seinen Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit der von ihm selbst betreuten und zu erziehenden Tochter und übte im Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit aus.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld ohne Berücksichtigung eines Abzugs von Sozialabgaben von seinem im Bemessungszeitraum erzielten Bruttogehalt, weil die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal für die Sozialabgaben gemäß § 2c Abs 3 S 2 BEEG in sieben und damit in der überwiegenden Zahl der zwölf Monate des hier maßgeblichen Bemessungszeitraums gegolten hat (dazu unter a). Dass die Sozialversicherungspflicht als Abzugsmerkmal im siebten Monat (hier: September 2013) des Bemessungszeitraums nicht ganz, sondern nur teilweise gegolten hat, steht dessen Berücksichtigung bei der Bestimmung der Geltung in der "überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums" nicht entgegen (dazu unter b).

Gemäß § 2 Abs 1 S 1 und 2 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes bis zu einem Höchstbetrag von 1800,00 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Als Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nach § 2c Abs 1 S 1 BEEG bei der Bemessung des Elterngelds der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes. Die konkrete Ersatzrate für das darin erzielte Einkommen ergibt sich aus § 2 Abs 2 BEEG; im Fall des Klägers beträgt sie nach § 2 Abs 2 S 2 BEEG 65 Prozent.

Danach sind für die Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers ausgehend von der Geburt seiner Tochter am 28.3.2014 seine Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vom März 2013 bis Februar 2014 maßgeblich. Grundlage für die Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate des...

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