Urteil Nr. B 10 EG 3/23 R des Bundessozialgericht, 2023-10-26
Judgment Date | 26 Octubre 2023 |
ECLI | DE:BSG:2023:261023UB10EG323R0 |
Judgement Number | B 10 EG 3/23 R |
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihrer jüngeren Tochter durch Verkürzung des Bemessungszeitraums um zwei Monate, in denen sie aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen hatte.
Die Klägerin ist Mutter zweier Töchter, die ältere geboren am …2018, die jüngere geboren am …11.2020. Nach der Geburt der älteren Tochter war die Klägerin erst ab September 2019 wieder erwerbstätig. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ordnete ihr Arbeitgeber in den Monaten April und Mai 2020 Kurzarbeit an. Dadurch erhielt sie für diese Monate deutlich geringere lohnsteuerpflichtige Einkünfte als in den Monaten davor und danach. Ab dem ...9.2020 bezog sie Mutterschaftsgeld.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer jüngeren Tochter Elterngeld. Dessen Berechnung erfolgte auf Grundlage des im Bemessungszeitraum September 2019 bis August 2020 erzielten Einkommens. Zudem wurden in den ersten beiden Lebensmonaten das Mutterschaftsgeld und wegen der älteren Tochter ein Geschwisterbonus während der ersten sechs Lebensmonate berücksichtigt (Bescheid vom 18.2.2021; Widerspruchsbescheid vom 25.5.2021).
Die auf Zahlung eines höheren, unter Außerachtlassung der von pandemiebedingter Kurzarbeit betroffenen Monate April und Mai 2020 berechneten Elterngelds gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.1.2022). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Trotz der in den Monaten April und Mai 2020 pandemiebedingt verringerten Arbeitsentgelte, habe kein fiktiv erhöhtes Entgelt in Ansatz gebracht werden dürfen. Ebenso wenig könnten nur die zehn Monate von September 2019 bis März 2020 und von Juni bis August 2020 in die Berechnung eingestellt werden. Mit dem aus Anlass der COVID-19-Pandemie neu geschaffenen Ausklammerungstatbestand des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG, wonach auf Antrag solche Kalendermonate unberücksichtigt blieben, in denen die berechtigte Person pandemiebedingt ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit gehabt habe, habe der Gesetzgeber an die bereits bestehenden Ausklammerungstatbestände in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG angeknüpft. Dies führe nur zur Heranziehung weiter zurückliegender Kalendermonate, nicht aber zu einer Verkürzung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 20.5.2020 (BGBl I 1061; seit 1.9.2021 weitgehend inhaltsgleich § 2b Abs 1 Satz 4 BEEG). Nach dieser Vorschrift sei der Berechnungszeitraum für das ihr gewährte Elterngeld um die Monate ersatzlos zu kürzen, in denen sie pandemiebedingt ein geringeres Einkommen gehabt habe. Diese von den bestehenden Ausklammerungstatbeständen in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG abweichende Auslegung sei durch den Wortlaut und das gesetzgeberische Ziel geboten, bei der Berechnung des Elterngelds keine Nachteile infolge der COVID-19-Pandemie entstehen zu lassen. Die Sonderstellung dieses zeitlich befristet geltenden Ausnahmetatbestands zeige sich zudem dadurch, dass er nicht in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG aufgenommen, sondern als eigener Satz in § 2b Abs 1 BEEG eingefügt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 2. Mai 2022 und den Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 17. Januar 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2021 zu verurteilen, ihr ausgehend von einem monatlichen vorgeburtlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 1775,90 Euro höheres Elterngeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Da die Klägerin von einer Rückverlagerung des Bemessungszeitraums nicht habe profitieren können, sei das Elterngeld auf Grundlage der Monate September 2019 bis August 2020 zu berechnen gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
EntscheidungsgründeDie zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld unter Verkürzung des Bemessungszeitraums.
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, mit dem es die Berufung gegen den die Klage auf höheres Elterngeld auf Grundlage eines monatlichen vorgeburtlichen Bruttoeinkommen iHv 1775,90 Euro abweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen hat. Diesen Anspruch verfolgt die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 und Abs 4, § 56 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 8 RdNr 33; BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 11/09 R - BSGE 107, 10 = SozR 4-6180 Art 13 Nr 1, RdNr 19). In der im Revisionsverfahren auf Anregung des Senats erfolgten Anpassung der Formulierung des Antrags der Klägerin an die von ihr erhobenen Ansprüche (§ 123 SGG) und dem der Formulierung nach vorgenommenen Übergang von der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zur Anfechtungs- und Leistungsklage liegt keine nach § 168 SGG im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (vgl BSG Urteil vom 10.8.2016 - B 14 AS 58/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 91 RdNr 13; BSG Urteil vom 20.9.1989 - 7 RAr 110/87 - BSGE 65, 272 = SozR 4100 § 78 Nr 8 - juris RdNr 32). Der Zustimmung der Beklagten bedurfte es hierfür nicht.
B. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (Basis-)Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer jüngeren Tochter auf Grundlage eines höheren vorgeburtlichen Bruttoeinkommens als in dem angefochtenen Bescheid vom 18.2.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.5.2021 (§ 95 SGG) ausgewiesen. Die dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigte Klägerin ist durch dessen Berechnung auf Grundlage des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den Monaten September 2019 bis August 2020 nicht beschwert (dazu unter 1.). Verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Berechnung des Elterngelds ausgehend von einem zwölfmonatigen Bemessungszeitraum unter Einbeziehung zweier Monate, in denen das vorgeburtliche Einkommen der Klägerin durch Kurzarbeit infolge der COVID-19-Pandemie verringert war, bestehen nicht (dazu unter 2.).
1. Die Klägerin ist durch die Berechnung der Höhe des Elterngelds auf Grundlage des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den Monaten September 2019 bis August 2020 nicht beschwert. Diese Monate bilden den Ausgangspunkt für den Bemessungszeitraum (dazu unter a). Eine Verkürzung des Bemessungszeitraums um Monate, in denen sie aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen durch Kurzarbeit hatte, kann die Klägerin nicht verlangen (dazu unter b). Durch den Verzicht der Beklagten auf eine weitere Vorverlegung des Bemessungszeitraums aufgrund der Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie ist die Klägerin nicht beschwert (dazu unter c). Ausgehend hiervon war kein höheres vorgeburtliches Bruttoeinkommen zu berücksichtigen, als die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesen hat (dazu unter d).
a) Ausgehend von der Grundregel nach § 2 Abs 1 Satz 1 und § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG sowie den bereits vor der COVID-19-Pandemie geltenden Ausnahmeregelungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG bilden die Monate September 2019 bis August 2020 den Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngeldanspruchs der Klägerin.
Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG (idF des Gesetzes vom 18.12.2014, BGBl I 2325) grundsätzlich iHv 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG vor der Geburt sind nach § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG (§ 2b BEEG hier anzuwenden in der vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 20.5.2020, BGBl I 1061) die zwölf Kalendermonate vor dem Kalendermonat der Geburt des Kindes maßgeblich. Jedoch bleiben nach § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person 1. im Zeitraum nach § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG (in der vor dem 1.9.2021 geltenden Fassung) Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, 2. während der Schutzfristen nach § 3 Mutterschutzgesetz nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem SGB V oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat, 3. eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine...
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