Urteil Nr. B 11 AL 33/21 R des Bundessozialgericht, 2022-11-29

CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Judgment Date29 Noviembre 2022
ECLIDE:BSG:2022:291122UB11AL3321R0
Judgement NumberB 11 AL 33/21 R
Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Februar 2021 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Mai 2020 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 6.8. bis 26.8.2019 wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit und die damit verbundene Minderung der Dauer seines Anspruchs auf Alg um 21 Tage.

Dem 1958 geborenen Kläger wurde von der Beklagten Alg für die Zeit vom 25.6.2018 bis 24.6.2020 bewilligt (Bescheide vom 10.8.2018, 30.8.2018, 8.10.2018 und 30.11.2018). Unter dem 24.7.2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, an der vom 5.8.2019 bis 4.1.2020 von der T Akademie in C durchgeführten Maßnahme "Integration durch Praxis" teilzunehmen. Der Zuweisung war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, in der es auszugsweise heißt:
"Lehnen Sie ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der umseitig angebotenen Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ab, treten sie diese nicht an, brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen Ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein (§ 159 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 SGB III). Sie dauert längstens zwölf Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens (§ 159 Abs. 4 Nr. 1 SGB III), sechs Wochen im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens (§ 159 Abs. 4 Nr. 2 SGB III). Ein versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt vor, wenn Sie […]. Während der Sperrzeit ruht Ihr Anspruch auf Leistungen […], das heißt, Leistungen werden nicht gezahlt. Ihre Anspruchsdauer vermindert sich um die Tage einer Sperrzeit."

Zu Beginn der Maßnahme erschien der Kläger zwar bei dem Träger, weigerte sich aber, die vorgesehene "Teilnehmervereinbarung" zu unterzeichnen. Eine (weitere) Teilnahme des Klägers an der Maßnahme erfolgte daraufhin nicht.

Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte die Alg-Bewilligung wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme für die Zeit vom 6.8. bis 26.8.2019 auf. Insoweit ruhe der Alg-Anspruch; seine Dauer mindere sich um 21 Tage (Bescheide vom 11.9.2019, Widerspruchsbescheid vom 15.11.2019).

Das SG hat die angefochtenen Bescheide antragsgemäß aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 19.5.2020). Eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, weil es der Aufforderung der Beklagten zur Teilnahme an der Maßnahme an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung gefehlt habe. Die diesbezüglichen Hinweise der Beklagten seien nicht konkret genug gewesen, sondern erschöpften sich in einer sinngemäßen Wiedergabe des Gesetzestexts.

Diese Entscheidung hat das LSG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.2.2021). Die rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung sei rechtmäßig, weil eine Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme eingetreten sei, die den Anspruch zum Ruhen gebracht habe. Sollte der Kläger dies nicht gewusst haben, falle ihm zumindest grob fahrlässige Unkenntnis zur Last. In dem Abbruch der Maßnahme ohne wichtigen Grund liege ein versicherungswidriges Verhalten. Der Kläger sei zuvor von der Beklagten auch ausreichend belehrt worden, soweit ein erstes Fehlverhalten und eine dreiwöchige Sperrzeit in Rede stehe. Ein konkretes Datum des Ruhenszeitraums könne in einer Rechtsfolgenbelehrung nicht angegeben werden, weil der Sperrzeitbeginn davon abhänge, wann die Maßnahme abgebrochen werde. Dies ergebe sich für den Adressaten hinreichend deutlich aus der von der Beklagten verwendeten Formulierung "brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen Ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein".

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Eintritt einer Sperrzeit nach § 159 SGB III setze eine Rechtsfolgenbelehrung voraus, die erkennen lasse, wann die jeweilige Rechtsfolge eintrete. Entgegen der Ansicht des LSG sei der Beginn der Sperrzeit den Hinweisen der Beklagten nicht zu entnehmen gewesen. Zwar könne dieser im Vorfeld noch nicht kalendarisch bestimmt werden; es müsse aber deutlich werden, von welchem Ereignis er abhänge. Die dafür maßgebende Regelung des § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III sei jedoch von der Beklagten nicht erläutert worden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Februar 2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Mai 2020 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie teilt die Rechtsauffassung des LSG.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist auch begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).

Das LSG hat der Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Bescheide der Beklagten vom 11.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2019, mit denen der Eintritt einer Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, das Ruhen des Alg-Anspruchs vom 6.8. bis 26.8.2019 und die Minderung der Anspruchsdauer um 21 Tage festgestellt sowie die Alg-Bewilligung rückwirkend aufgehoben worden ist. Nach ständiger Senatsrechtsprechung bilden...

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