Urteil Nr. B 12 R 3/17 R des Bundessozialgericht, 2018-03-14
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Judgment Date | 14 n 2018 |
ECLI | DE:BSG:2018:140318UB12R317R0 |
Judgement Number | B 12 R 3/17 R |
1. Kann eine Tätigkeit sowohl aufgrund einer Beschäftigung als auch selbstständig erbracht werden, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, doch eine gewichtige Rolle zu.
2. Die Geltung eines Lehrplanwerks führt nicht per se zur Annahme von Weisungsunterworfenheit.
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2016 und des Sozialgerichts Münster vom 15. Juli 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2012, in der Fassung vom 6. Juli 2016 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird in allen Rechtszügen auf 5000 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 1. beigeladene Musikschullehrer in seiner Tätigkeit für die Klägerin aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Die klagende Stadt ist Trägerin einer als öffentliche Bildungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene betriebenen Musikschule. Deren Aufgabe ist die musikalische Grundausbildung, die Heranbildung des Nachwuchses für das Laien- und Liebhabermusizieren, die Begabtenfindung und -förderung sowie die eventuelle Vorbereitung auf ein Berufsstudium. Die Musikschule arbeitet nach Ziff 2 ihrer Schulordnung (SchulO) auf der Grundlage der Richtlinien des Verbandes deutscher Musikschulen eV (VdM). Die Klägerin beschäftigte (Stand Juni 2012) 18 angestellte Musiklehrer einschließlich der Schulleitung (10,3 Vollzeitstellen) sowie zwei angestellte Verwaltungskräfte im Schulsekretariat. Daneben beauftragte sie auf honorarvertraglicher Grundlage zehn Musikschullehrer (70,28 Unterrichtsstunden/Woche
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte im Rahmen eines vom Beigeladenen zu 1. im April 2011 initiierten Statusfeststellungsverfahrens gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. fest, dass letzterer in seinen Tätigkeiten für die Klägerin seit 10.1.2011 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt (Bescheide vom 22.9.2011, Widerspruchsbescheid vom 5.4.2012). Das SG hat die Klage der Klägerin hiergegen abgewiesen (Urteil vom 15.7.2014).
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 10.1. bis zum 22.7.2011, vom 9.9. bis zum 19.12.2011, vom 9.1. bis zum 6.7.2012, vom 24.8. bis zum 20.12.2012, vom 7.1. bis zum 19.7.2013, vom 6.9. bis zum 20.12.2013, vom 8.1. bis zum 4.7.2014 und vom 20.8. bis zum 19.12.2014 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1. habe Weisungen der Klägerin unterlegen: in inhaltlicher Hinsicht wegen der Pflicht zur Beachtung des Lehrplanwerks des VdM, in örtlicher Hinsicht wegen der Nutzung der Unterrichtsräume und in zeitlicher Hinsicht, da er sich in einem eng geschnürten Korsett befunden habe. Darüber hinaus sei der Beigeladene zu 1. auch in die für ihn fremde, einseitig von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Auf das Vertragsverhältnis zwischen Schüler und Musikschule habe er keinen Einfluss nehmen können. In die schulische Gesamtorganisation sei er eingegliedert gewesen, weil er durch die Mitwirkung an Konzerten zu einer positiven Außendarstellung der Musikschule beigetragen habe. Für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Merkmale seien nur in geringem Umfang gegeben. Auch dem Übereinkommen der Beteiligten, wonach ein Arbeitsverhältnis auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht habe begründet werden sollen, komme nur eine geringe Indizwirkung zu. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung würden daher die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Eingliederung und Weisungsgebundenheit die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien, die lediglich in einem geringen Maß festzustellen seien, deutlich überwiegen (Urteil vom...
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