Urteil Nr. B 12 R 1/20 R des Bundessozialgericht, 2022-06-28

Judgment Date28 Junio 2022
ECLIDE:BSG:2022:280622UB12R120R0
Judgement NumberB 12 R 1/20 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt zwei Drittel, der Kläger ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5563,11 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen nebst Säumniszuschlägen für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2012 streitig.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und seit April 2009 alleiniger Inhaber seiner Kanzlei. Er schloss für sich und die von ihm angestellten, zu 11. bis 16. beigeladenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (im Folgenden: die Beigeladenen) eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte ab. Bei einer Deckungssumme von 2 Mio pro Schadensfall und 4,5 Mio pro Versicherungsjahr zahlte er jährliche Beiträge von 1417,20 Euro zuzüglich 19 vH Versicherungssteuer (insgesamt: 1686,47 Euro) für jeden der Beigeladenen. Für eine Versicherung mit einer Mindestdeckungssumme von 250 000 Euro pro Versicherungsfall und 1 Mio Euro pro Versicherungsjahr wären jeweils 504,66 Euro nebst Versicherungssteuer (insgesamt: 600,55 Euro) aufzuwenden gewesen.

Bis einschließlich 2009 führte die Kanzlei Beiträge zur Sozialversicherung unter Berücksichtigung der von ihr getragenen Beiträge zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung als geldwerte Vorteile zugunsten der Beigeladenen ab. Wegen der insoweit ab 2010 unterbliebenen Beitragszahlung forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge von 4776,61 Euro zur gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und zur Arbeitslosenversicherung sowie Insolvenzgeldumlage und Säumniszuschläge von 786,50 Euro (insgesamt: 5563,11 Euro) für den Zeitraum 2010 bis 2012 (Betriebsprüfungsbescheid vom 8.7.2013, Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013). Die übernommenen Beiträge zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von jährlich 1668,47 Euro je Beigeladenen seien als geldwerte Vorteile beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.

Die dagegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG Halle vom 19.5.2015). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die beigeladenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte seien gesetzlich zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet. Damit scheide in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH ein dem Arbeitsentgeltbegriff entgegenstehendes überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Klägers als Arbeitgeber aus. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG liege gegenüber der Gruppe der Steuerberater nicht vor. Die Voraussetzungen zur Erhebung von Säumniszuschlägen seien gegeben. Der Kläger habe die unverschuldete Unkenntnis von seiner Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht, weil bis Ende 2009 Beiträge abgeführt worden seien. Der übersandte Lohnsteueraußenbericht enthalte keine Feststellungen zu den Versicherungsbeiträgen (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 11.3.2020).

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung von § 14 Abs 1 und § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV iVm § 1 Satz 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sowie des § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Kein Arbeitsentgelt seien Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erwiesen. Die Berufshaftpflichtversicherung diene überwiegend seiner eigenen Absicherung. Obwohl es sich bei den Beigeladenen um angestellte Rechtsanwälte handele, unterstelle das LSG eine "Briefkopfhaftung". Begriffe wie "Zahlungsunfähigkeit des Kanzleiinhabers" und "Arbeitsplatzverlust" seien aus der Luft gegriffen. Als alleiniger Kanzleiinhaber hafte er auch für das Verschulden der angestellten Rechtsanwälte.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die angefochtenen Verwaltungsakte insoweit zurückgenommen, als Sozialversicherungsbeiträge auf einen Versicherungsbeitrag von mehr als 600,55 Euro jährlich und insoweit Säumniszuschläge festgesetzt worden sind. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. März 2020 und des Sozialgerichts Halle vom 19. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 und der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28. Juni 2022 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

Die über das angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten hinausgehende Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht Sozialversicherungsbeiträge auf den vom Kläger für die Mindesthaftpflichtversicherung der beigeladenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte übernommenen Versicherungsbeitrag von jeweils 600,55 Euro jährlich sowohl dem Grunde (dazu 1.) als auch der Höhe nach (dazu 2.) erhoben und insoweit Säumniszuschläge festgesetzt (dazu 3.). Diesbezüglich ist der Bescheid der Beklagten vom 8.7.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2013 und der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28.6.2022 rechtmäßig, der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, und hat das LSG zu Recht seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen. Über die Rechtmäßigkeit der darüber hinausgehenden Verwaltungsentscheidung war nicht mehr zu entscheiden, nachdem sie von der...

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