Urteil Nr. B 14 AS 15/18 R des Bundessozialgericht, 2019-05-08

Judgment Date08 Mayo 2019
ECLIDE:BSG:2019:080519UB14AS1518R0
Judgement NumberB 14 AS 15/18 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung - Erbschaft - Zeitpunkt des Erbfalls während des Leistungsbezugs - Zufluss der Geldmittel nach Unterbrechung des Leistungsbezugs
Leitsätze

Endet aufgrund Beendigung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat der Leistungsfall zwischen Erbfall und Zufluss bereiter Mittel aus der Erbschaft, ist der Zufluss Vermögen, nicht Einkommen.

Tenor

Die Revision des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Februar 2018 wie folgt neu gefasst wird:

Auf die Berufungen der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Mai 2017 aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheids vom 10. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2012 verurteilt, den Klägern vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der am 2. Februar 2012 zugeflossenen 5330 Euro als Einkommen zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

Umstritten ist die Berücksichtigung einer Erbschaft als Einkommen.

Die im Juli 1982 geborene erwerbsfähige Klägerin ist die alleinerziehende Mutter des am 26.10.2007 geborenen Klägers. Sie teilt sich mit dem getrennt lebenden Kindsvater das Sorgerecht. Die Klägerin war zunächst erwerbstätig und bezog sodann bis 25.10.2007 Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Alg). Nach der Geburt des Klägers erhielt die Klägerin Elterngeld und bezogen beide aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis zum 25.10.2009. Am 25.6.2009 verstarb der Großvater der Klägerin und sie wurde als Teil einer Erbengemeinschaft Miteigentümerin eines Grundstücks mit einem Anteil von 1/16. Vom 26.10.2009 bis zum 24.10.2010 erhielt die Klägerin wiederum Alg, ab Januar 2010 bezog sie zusätzlich Wohngeld; für den Kläger wurden weiterhin Kindergeld (184 Euro) und Unterhalt gezahlt (225 Euro). Ab November 2010 bezogen die Kläger erneut aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Nachdem die Klägerin in ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 6.1.2012 für die Zeit ab Februar 2012 angegeben hatte, das Grundstück sei verkauft worden, lehnte das beklagte Jobcenter den Antrag ab (Bescheid vom 10.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 14.3.2012). Die am 2.2.2012 zugeflossenen 5330 Euro aus dem Verkauf des anteilig geerbten Grundstücks seien als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und schlössen zusammen mit den anderen Einkommen eine Hilfebedürftigkeit der Kläger aus.

Die Klägerin hat am 10.4.2012 beim SG zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf ihre Widerspruchsbegründung und Vorlage des Widerspruchsbescheids Klage erhoben. Am 29.7.2015 hat sie auf Nachfrage des SG erklärt, die Klage sei auch im Namen des Klägers erhoben; eine Einverständniserklärung des Kindsvaters legte sie vor. Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 16.5.2017). Das LSG hat das Urteil des SG "abgeändert" und die Bescheide des Beklagten aufgehoben sowie diesen verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis zum 31.7.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der 5330 Euro als Einkommen zu gewähren (Urteil vom 22.2.2018). Die Erbschaft der Klägerin sei als Vermögen zu werten, da der Erbfall vor der maßgeblichen Antragstellung eingetreten sei. Aufgrund der Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit komme es auf den Antrag an, der den erneuten Leistungsbezug ab November 2010 ausgelöst habe. Die zwischenzeitliche Inanspruchnahme anderer, vorrangiger Sozialleistungen sei nicht mit dem Leistungsbezug nach dem SGB II gleichzusetzen. Den Vermögensfreibetrag hätten die Kläger nicht überschritten.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Zum Zeitpunkt des Erbfalls habe die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezogen, und zwischenzeitlich sei keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Erzielung von Erwerbseinkommen eingetreten.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Februar 2018 aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Mai 2017 zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des beklagten Jobcenters ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Kläger haben für die strittige Zeit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der 5330 Euro aus dem Erbe der Klägerin als Einkommen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid des Beklagten vom 10.1.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2012, mit dem die Anträge der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.2. bis zum 31.7.2012 aufgrund der Berücksichtigung der 5330 Euro aus dem Erbe als Einkommen wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit abgelehnt worden sind. Dagegen wenden sich die Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1...

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