Urteil Nr. B 3 KR 4/17 R des Bundessozialgericht, 2018-03-15
Judgment Date | 15 Marzo 2018 |
ECLI | DE:BSG:2018:150318UB3KR417R0 |
Judgement Number | B 3 KR 4/17 R |
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Versicherte, die von ihrer Krankenkasse mit Inkontinenzmaterial versorgt werden, können nicht auch die Freistellung von den Kosten für dessen Entsorgung beanspruchen.
TenorDie Revision des Klägers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung bzw Übernahme von Kosten für die Entsorgung von Inkontinenzmaterial.
Die beklagte Krankenkasse versorgt den bei ihr versicherten Kläger ua mit Inkontinenzmaterial. Am 27.12.2012 beantragte er die Übernahme der Mehrkosten für die Entsorgung dieser Materialien und machte geltend, diese Kosten fielen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch an - ähnlich wie Stromkosten für einen Elektrorollstuhl-Akku - und seien seiner Ansicht nach von der Hilfsmittelversorgung mit umfasst. Er benötige für die Entsorgung eine 120-Liter-Restmülltonne mit 14-tägiger Leerung anstelle der für seinen Haushalt sonst ausreichenden 40-Liter-Mülltonne (Kosten 8 Euro monatlich statt 3 Euro monatlich).
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab, da die Versorgung mit Hilfsmitteln deren Entsorgung nicht mit umfasse; die Entsorgung unterliege der Eigenverantwortung des Versicherten (Bescheide vom 14.1. und 1.7.2013; Widerspruchsbescheid vom 4.12.2013).
Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen, da es keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf sämtliche mit der Hilfsmittelversorgung verbundenen Kosten gebe. Lediglich die Versorgung mit dem Hilfsmittel selbst, nicht aber auch dessen Entsorgung könne in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beansprucht werden (Urteil vom 12.5.2016).
Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Versicherte hätten bezüglich der Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V zwar auch Anspruch auf die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und Kontrollen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift seien dagegen Kosten der "Entsorgung" nicht vom Begriff der "Versorgung" erfasst. Es gehe dort stets nur um den "bestimmungsmäßigen Gebrauch". Dass mit dem Gebrauch der Inkontinenzmaterialien auch Entsorgungskosten verbunden seien, führe nicht zu einem Anspruch auf deren Erstattung. § 27 SGB V lege - anders als die Vorgängervorschrift des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO - den Leistungskatalog der GKV abschließend fest; dort nicht erfasste Maßnahmen würden der Eigenverantwortung des Versicherten nach § 2 Abs 1 S 1 SGB V zugerechnet. Eine Krankenkasse müsse nicht für alles aufkommen, was die Gesundheit fördere und mit der Behandlung im Zusammenhang stehe (Beschluss vom 19.10.2016).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 33 SGB V, dessen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen er als erfüllt ansieht. Der Leistungsanspruch umfasse auch Nebenleistungen der Hilfsmittelversorgung im Rahmen des bestimmungsmäßigen Gebrauchs, zB notwendiges Zubehör und hilfsmittelnahe Dienstleistungen. Der Gesetzgeber habe in diesem Sinne eine umfassende Versorgung des Leistungsberechtigten sicherstellen wollen. Hier beinhalte die Versorgung mit dem für einen einmaligen Einsatz zum Ausgleich der Behinderung vorgesehenen Hilfsmittel "Inkontinenzmaterial" als unmittelbare "logische Folge" der Versorgung auch die Entsorgung über den Hausmüll. Die Versorgung sei insoweit vergleichbar mit den auch von der Leistungspflicht umfassten Betriebs- und Energiekosten als Folgekosten des konkreten Hilfsmittels (zB Strom für den Elektrorollstuhl; Versorgung eines Blindenführhundes). Eine gegenteilige Sichtweise empfinde er (der Kläger) demgegenüber als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Oktober 2016 und das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 12. Mai 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 14. Januar und 1. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2013 zu verurteilen, ihm seit 27. Dezember 2012 die für die Bestellung einer größeren Mülltonne anfallenden Zusatzkosten von jährlich 60 Euro zu erstatten und ihn künftig von diesen Kosten freizustellen,
hilfsweise,
den Beschluss des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des LSG für zutreffend.
EntscheidungsgründeDie zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger auf seinen im Dezember 2012 hin gestellten Antrag von der beklagten Krankenkasse die Übernahme von Entsorgungskosten für das ihm gewährte Inkontinenzmaterial nicht beanspruchen kann, weil eine Rechtsgrundlage dafür nicht existiert.
1. Gemäß § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 iVm S 1 SGB V (= Ursprungsfassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen
Zwar ist der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Versorgung mit Inkontinenzmaterial als Hilfsmittel dem Grunde nach zwischen den Beteiligten zu Recht außer Streit; insbesondere handelt es sich dabei in Bezug auf Erwachsene...
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