Urteil Nr. B 5 R 5/23 R des Bundessozialgericht, 2023-10-18
Judgment Date | 18 Octubre 2023 |
ECLI | DE:BSG:2023:181023UB5R523R0 |
Judgement Number | B 5 R 5/23 R |
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2018 geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2017 verpflichtet, den Bescheid über die Altersrente vom 4. Mai 2009 zu ändern und für die Hälfte der Entgeltpunkte, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, den für die Altersrente ermittelten Zugangsfaktor von 0,970 sowie für die restlichen Entgeltpunkte den bisherigen Zugangsfaktor von 0,898 zugrunde zu legen. Sie wird verurteilt, die sich daraus ergebende höhere Altersrente dem Kläger rückwirkend ab Januar 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für alle Rechtszüge nicht zu erstatten.
Im Streit steht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Höhe der Altersrente des Klägers. Umstritten ist insbesondere, ob der Kläger verlangen kann, dass der seiner Altersrente zugrunde liegende Zugangsfaktor, soweit er aus der vorangegangenen Rente übernommen wurde, im Hinblick darauf erhöht wird, dass er die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit mit Beginn der Altersrente nicht mehr in Anspruch genommen hat.
Der im Dezember 1944 geborene Kläger schied Ende Februar 2003 krankheitsbedingt aus seinem letzten Beschäftigungsverhältnis aus. Er bezog ab dem 1.3.2003 Arbeitslosengeld und ab dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Seinen Antrag vom 30.9.2003 auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger zunächst ab. Auf einen im Mai 2007 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1.6.2007. Nachfolgend wurde für den Kläger rückwirkend ab Februar 2007 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Daraufhin schlossen die Beteiligten im noch anhängigen Berufungsverfahren zum Anspruch auf Erwerbsminderungsrente einen Vergleich. Die Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger unter Zugrundelegung einer seit dem 30.9.2003 bestehenden Berufsunfähigkeit eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und auf der Grundlage eines im Februar 2007 eingetretenen Leistungsfalls eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte bewilligte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1.10.2003 auf der Grundlage von 43,2145 Entgeltpunkten (EP) und einem Zugangsfaktor von 0,898. Dieser Zugangsfaktor berücksichtigte den für den Kläger maßgeblichen Verminderungszeitraum (34 Monate) von März 2005 bis Dezember 2007 (Bescheid vom 30.4.2009). Die Beklagte gewährte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.3.2007 auf der Grundlage von 42,8303 EP (Bescheid vom 4.5.2009). Den Zugangsfaktor der Altersrente bestimmte die Beklagte für die Hälfte der EP, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit waren (dh für 21,6073 EP), wie bisher mit 0,898 und für die restlichen 21,2230 EP wegen der im Zeitraum März bis Dezember 2007 um 10 Monate vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente mit 0,970. Es errechneten sich auf dieser Grundlage für die Altersrente insgesamt 39,9897 persönliche EP (pEP) und damit etwas mehr als noch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (dort 38,8066 pEP). Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die genannten Bescheide, mit denen er ua die Berechnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und die Berücksichtigung eines Rentenabschlags bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen beanstandete, blieben überwiegend ohne Erfolg (Teilabhilfebescheid vom 1.7.2010, Widerspruchsbescheid vom 20.7.2010, Klageverfahren S 45 (40) R 151/09 im Januar 2012 aufgrund fiktiver Klagerücknahme erledigt).
Im März 2013 erhob der Kläger vor dem SG eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte. In diesem Verfahren fand am 6.1.2017 ein Erörterungstermin statt, in dem der Kläger auch seine Einwendungen gegen die Rentenbescheide vom 30.4.2009 und vom 4.5.2009 erneut vortrug. Die Beklagte sah diese Ausführungen als Überprüfungsantrag an. Eine Neuberechnung der Altersrente und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lehnte sie jedoch ab (Bescheid vom 1.8.2017, Widerspruchsbescheid vom 14.9.2017).
Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20.2.2018). Das LSG hat nach Durchführung eines Erörterungstermins die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 2.7.2021). Es hat auf den Gerichtsbescheid des SG und den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend näher ausgeführt, weshalb der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu Recht ein Zugangsfaktor von lediglich 0,898 zugrunde gelegt worden sei. Zum Zugangsfaktor der Altersrente hat sich das Berufungsgericht im Urteil nicht weiter geäußert. Der Senat hat auf die Beschwerde des Klägers die Revision gegen das LSG-Urteil zugelassen, soweit es die Überprüfung der Höhe der ab dem 1.3.2007 bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen zum Gegenstand hat (Beschluss vom 8.2.2023 - B 5 R 243/21 B).
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI. Die Beklagte habe die Vorschrift zur Erhöhung des Zugangsfaktors für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 in einem näher bestimmten Zeitraum nicht in Anspruch genommen haben, bei der Berechnung seiner Altersrente zu Unrecht nicht angewandt. Er - der Kläger - habe aufgrund des Bescheids vom 30.4.2009 ab dem 1.10.2003 eine frühere Rente im Sinne dieser Bestimmung bezogen. Er habe diese Rente aber nicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs im Dezember 2007, sondern lediglich bis Februar 2007 tatsächlich erhalten. Damit habe er die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum für 10 Monate nicht in Anspruch genommen. Das führe dazu, dass der Zugangsfaktor für den Teil der EP, die bereits Grundlage von pEP der Erwerbsminderungsrente waren, um (10 x 0,003 =) 0,03 zu erhöhen sei. Mithin sei für diesen Teil der EP (21,6073) ein Zugangsfaktor von (0,898 + 0,03 =) 0,928 zur Anwendung zu bringen und der Altersrente insgesamt 40,6379 pEP statt der bislang von der Beklagten berücksichtigten 39,9897 pEP zugrunde zu legen. § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI sei so zu verstehen, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift auch dann "nicht in Anspruch genommen" worden sei, wenn sie aufgrund der Bewilligung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht mehr gezahlt worden ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2018 aufzuheben, soweit die Altersrente für schwerbehinderte Menschen betroffen ist, und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2017 zu verpflichten, den Bescheid über die Altersrente vom 4. Mai 2009 zu ändern und dabei insbesondere einen um 0,03 erhöhten Zugangsfaktor für diejenigen Entgeltpunkte anzuwenden, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, sowie die sich daraus ergebende höhere Altersrente rückwirkend ab Januar 2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie habe die Altersrente des Klägers zutreffend berechnet. Bei dem im Dezember 1944 geborenen Kläger sei gemäß § 264c iVm Anlage 23 SGB VI in der ab dem 1.1.2001 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung der Verminderungszeitraum vom 1.3.2005 bis zum 31.12.2007 maßgeblich. Demgemäß sei bei dieser Rente der Zugangsfaktor für 34 Monate um je 0,003 und damit insgesamt um 0,102 auf 0,898 zu vermindern gewesen. Eine Anhebung des geminderten Zugangsfaktors in einer Folgerente nach § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI setze voraus, dass die EP der Vorrente im maßgeblichen Verminderungszeitraum nicht oder nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen würden. Zwar habe der Kläger die EP der Erwerbsminderungsrente in der Zeit vom 1.3. bis zum 31.12.2007 nicht mehr in Anspruch genommen. Das sei jedoch für die Berechnung der Altersrente unerheblich, da hierbei stets auf den Zeitpunkt des Beginns der Rente (hier: 1.3.2007) abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt seien alle EP der Vorrente stets in Anspruch genommen worden. Zudem könne eine Anhebung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht erfolgen, wenn die Verminderungszeiträume der beiden Renten identisch seien. Das sei hier der Fall gewesen.
EntscheidungsgründeDie zulässige Revision des Klägers ist nur zum Teil begründet (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid über die Altersrente vom 4.5.2009 zu korrigieren, soweit darin die für diese Rente maßgeblichen pEP in zu geringer Höhe ermittelt worden sind. Sie hat aber nicht - wie vom Kläger primär gefordert - den Zugangsfaktor für diejenigen EP, die bereits Grundlage von pEP der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit waren, um einen Zuschlag von 0,003 für jeden der 10 Monate zu erhöhen, in denen diese Rente von März bis Dezember 2007 nicht mehr gezahlt worden ist. Das kann der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI, wie die Beklagte zutreffend angenommen hat, nicht entnommen werden, sodass die Revision insoweit zurückzuweisen ist (vgl § 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte muss jedoch den für die Altersrente ermittelten höheren Zugangsfaktor von 0,970 nach der Vorgabe in § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI nicht lediglich auf die "restlichen" 21,2230 EP, sondern auf die Hälfte der EP anwenden, die Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren (mithin...
Um weiterzulesen
FORDERN SIE IHR PROBEABO AN