Urteil Nr. B 6 KA 28/17 R des Bundessozialgericht, 2018-10-24
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Judgment Date | 24 n 2018 |
ECLI | DE:BSG:2018:241018UB6KA2817R0 |
Judgement Number | B 6 KA 28/17 R |
Die Kassenärztliche Vereinigung darf die auf der Grundlage der Abrechnung eines Arztes im entsprechenden Vorjahresquartal ermittelte Fallzahl als Grundlage der Bemessung des Regelleistungsvolumens nicht allein deshalb halbieren, weil der Arzt seinen Versorgungsauftrag halbiert hat.
TenorAuf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2016 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2015 aufgehoben, soweit sie die Fallzahl für das Regelleistungsvolumen im Quartal III/2013 zum Gegenstand haben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Bemessung des Regelleistungsvolumens des Klägers für das Quartal III/2013 eine Fallzahl von 270 zugrunde zu legen.
Der Kläger trägt 9/10 und die Beklagte 1/10 der Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Beteiligten streiten über die Festlegung von Fallzahlen, die der Bemessung des Regelleistungsvolumens (RLV) im Quartal III/2013 zugrunde zu legen sind.
Der Kläger ist seit dem 1.7.2001 im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Chirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zum Quartal IV/2012 reduzierte er seinen vollen Versorgungsauftrag um die Hälfte. Der verbleibende halbe Vertragsarztsitz wurde durch einen anderen Arzt nachbesetzt. Sowohl im Jahr vor der Reduzierung des Versorgungsauftrags als auch danach betrug die Zahl der vom Kläger behandelten gesetzlich Versicherten ungefähr ein Drittel der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe. Für die Quartale IV/2012 bis III/2013 wies die Beklagte dem Kläger RLV zu, bei deren Berechnung sie - im Hinblick auf die Reduzierung des Versorgungsauftrags - von der halben Fallzahl des Klägers im entsprechenden Vorjahresquartal (also etwa ein Sechstel des Fachgruppendurchschnitts) ausging. Im Quartal III/2012 betrug die RLV-relevante Fallzahl des Klägers 270. Der Berechnung des RLV für das Quartal III/2013 legte die Beklagte eine Fallzahl von 135 zugrunde.
Der Kläger legte Widerspruch gegen die RLV-Zuweisung ab dem Quartal I/2013 ein und beantragte, der Berechnung seines RLV anstelle der halbierten Fallzahlen die tatsächlichen Fallzahlen aus dem entsprechenden Quartal des Vorjahres zugrunde zu legen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.4.2013 und Widerspruchsbescheid vom 7.11.2014 ab.
Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Ermittlung des RLV habe die Beklagte zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger seinen Versorgungsauftrag ab dem Quartal IV/2012 um die Hälfte reduziert habe. Dass die Reduzierung des Versorgungsauftrags in die Bemessung des RLV einzustellen sei, folge bereits aus § 85 Abs 3 S 1 SGB V aF [offenbar gemeint: § 95 Abs 3 S 1 SGB V], in dem normiert sei, dass die Zulassung neben der Mitgliedschaft in der KÄV auch eine Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang des aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags bedinge. Im Einklang hiermit bestimme § 3 Abs 7 des Honorarverteilungsmaßstabs der KÄV Baden-Württemberg (in der Beschlussfassung der Vertreterversammlung vom 24.4.2013 - im Folgenden: HVM 2013), dass bei der Ermittlung des RLV eines Arztes der Umfang sowie der Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen sei. Reduziere der Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag, sei er nur noch in diesem reduzierten Umfang zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und damit auch nur noch zur Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im reduzierten Umfang berechtigt. Dem Kläger werde nicht die Möglichkeit genommen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe bezogen auf einen halben Versorgungsauftrag zu erreichen. Die unterdurchschnittlichen Fallzahlen gründeten in einer bewussten Entscheidung des Klägers und damit einem ihm zuzurechnenden unternehmerischen Verhalten. Der Kläger könne eine Erhöhung des RLV auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die im HVM 2013 getroffenen Sonderregelungen für neu gegründete Praxen geltend machen. Auch die Voraussetzungen für eine Erhöhung des RLV aus Sicherstellungsgründen nach § 13 HVM 2013 seien nicht erfüllt. Die Versorgungssituation sei durch die Reduzierung des Versorgungsauftrags des Klägers bereits deshalb nicht tangiert, weil der zurückgegebene halbe Versorgungsauftrag von einem anderen Arzt wahrgenommen werde.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Entgegen der Auffassung des LSG existiere keine rechtliche Grundlage für die Halbierung der Fallzahlen des Vorjahresquartals, auf deren Grundlage das RLV berechnet werde. § 95 Abs 3 S 1 SGB V lege lediglich fest, dass ein Vertragsarzt mit hälftigem Versorgungsauftrag in entsprechendem Umfang zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt sei, nicht jedoch, dass seine RLV-Fallzahlen zu halbieren seien. Auch § 3 Abs 7 HVM 2013 sei eine entsprechende Regelung nicht zu entnehmen. Nach § 95 Abs 3 SGB V sei er verpflichtet, im Umfang seines halben Versorgungsauftrags an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Dieser Verpflichtung könne er mit dem zugewiesenen RLV nicht mehr in dem gebotenen Umfang nachkommen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.10.2016 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.10.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.4.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7.11.2014 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die für die Bemessung des RLV im Quartal III/2013 maßgebende Fallzahl unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das RLV des Klägers sei in den ersten vier Quartalen nach der Reduzierung seines Versorgungsauftrags (IV/2012 bis III/2013) zu Recht auf der Grundlage der halbierten Fallzahlen des jeweiligen Vorjahresquartals (IV/2011 bis III/2012) berechnet worden. Gemäß § 95 Abs 3 S 1 SGB V sei der Kläger nach der Abgabe des hälftigen Versorgungauftrags nur noch im Umfang des verbliebenen hälftigen Versorgungsauftrags zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet. Daraus folge unter Berücksichtigung der in § 3 Abs 7 HVM 2013 getroffenen Regelung, dass die RLV-relevanten Fallzahlen auch nur noch zur Hälfte in die Bemessung des RLV einzustellen seien. Die unternehmerische Entscheidung des Klägers, auf die Hälfte seiner Zulassung zu verzichten, dürfe nicht nachträglich abrechnungstechnisch dahin korrigiert werden, dass ihm die kompletten Vorjahresfallzahlen zugestanden würden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Möglichkeit habe, zumindest den - bezogen auf seinen hälftigen Versorgungsauftrag - durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe in absehbarer Zeit zu erreichen. Damit werde den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG hinreichend Rechnung getragen. Ausschlaggebend sei, dass der Kläger im vorliegenden Fall bewusst und freiwillig auf die Hälfte seiner Zulassung verzichtet habe. Außerdem habe er durch die Veräußerung des hälftigen Versorgungsauftrags einen finanziellen Vorteil erzielt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seine Revision ausdrücklich auf das Quartal III/2013 beschränkt.
EntscheidungsgründeDie zulässige Revision des Klägers ist, soweit er diese aufrechterhalten hat, begründet. Die Beklagte war nicht berechtigt, die der Bemessung des RLV zugrunde zu legende Fallzahl im Hinblick auf die Reduzierung des Versorgungsauftrags zu halbieren. Maßgebend für die Bemessung des RLV im Quartal III/2013 sind die tatsächlichen RLV-relevanten Fallzahlen des Klägers im Quartal III/2012.
A. Bezogen auf die Frage, welche Fallzahl für die Bemessung des RLV im Quartal III/2013 zugrunde zu legen ist, ist die Klage zulässig. Dem steht...
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