Urteil Nr. B 6 KA 58/17 R des Bundessozialgericht, 2019-02-13

Judgment Date13 Febrero 2019
ECLIDE:BSG:2019:130219UB6KA5817R0
Judgement NumberB 6 KA 58/17 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Vertragsärztliche Versorgung - Abrechnungsprüfung - Richtigstellung zu Unrecht abgerechneter Leistungen - Berechnung des Umfangs einer Honorarrückforderung - Ausgehen vom ursprünglichen Abrechnungsvolumen, auch bei bereits zuvor erfolgter Honorarkürzung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen
Leitsätze

Für die Berechnung des Umfangs einer Honorarrückforderung aufgrund einer Richtigstellung zu Unrecht abgerechneter Leistungen ist vom ursprünglichen Abrechnungsvolumen auszugehen, auch wenn bereits zuvor eine Honorarkürzung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen erfolgte (Fortentwicklung von BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 62/07 R = BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Berechnung einer Regressforderung aufgrund einer sachlich-rechnerischer Richtigstellung ihrer Honorarbescheide für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sowie 2/2009.

In der Praxis der Klägerin, einer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Anästhesistin, war ab 1.8.2004 bis 30.9.2009 (und erneut ab 1.10.2010) ein Facharzt für Anästhesie als Jobsharing-Partner angestellt. Mit der Genehmigung dieser Anstellung war die Festsetzung quartalsbezogener Gesamtpunktzahlen verbunden, die bei der Abrechnung als Leistungsobergrenze maßgeblich sein sollten. Wegen Überschreitens der festgelegten Punktzahlobergrenzen (sog Jobsharing-Obergrenzen) erfolgten für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sowie 2/2009 entsprechende (bestandskräftige) Honorarrückforderungen in Höhe von insgesamt 52 055,06 Euro.

Weiterhin leitete die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) eine Plausibilitätsprüfung aufgrund auffälliger Tagesarbeitszeiten ein. Wegen fehlerhafter Abrechnung bei den Gebührenordnungspositionen (GOP) 05230, 05310, 31502 bis 31507 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) und wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.6.2011 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars für die Quartale 1/2007 bis 2/2010 vor und forderte Honorar in Höhe von 101 816,65 Euro zurück. Dabei wurde der prozentuale Anteil der auf der Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze beruhenden Rückforderung am Gesamthonorar ermittelt und dieser Anteil bei der jeweiligen Gebührenposition als Abschlag berücksichtigt, so dass sich in den Quartalen, in denen das Honorar der Klägerin bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenzen gekürzt worden war (Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009), die Honorarrückforderung entsprechend anteilig verringerte.

Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend gemacht hat, dass die bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze erfolgten Abzüge vollständig mindernd auf die Regressforderung angerechnet werden müssten, so dass sich lediglich ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 65 327,64 Euro ergebe, ist erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013). Das SG hat die Beklagte verurteilt, über den Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom 23.7.2014). Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, sei bei der Saldierung (Jobsharing-Obergrenze) eine Bereinigung des Gesamtpunktzahlvolumens in der Weise vorzunehmen, dass dieses um die Kürzung aus der Plausibilitätsprüfung zu verändern sei. Für die Entscheidung der Beklagten, den prozentualen Anteil der Jobsharing-Rückforderung am Gesamthonorar zu ermitteln und diesen Anteil bei der jeweiligen GOP als Abschlag anzurechnen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine Berücksichtigung sei allenfalls im Rahmen des der Beklagten zustehenden Schätzungsermessens vorstellbar.

Das LSG hat die Verpflichtung zur Neubescheidung aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen (Urteil vom 14.9.2016). Die Berechnung des Rückforderungsbetrages durch die Beklagte sei im Rahmen des weiten Schätzungsermessens ohne Ermessensfehlgebrauch erfolgt. Das Vorgehen, jeweils anteilig bezogen auf die einzelnen GOP den Betrag anzurechnen, der wegen der Jobsharing-Obergrenzen bereits zurückgefordert worden sei, sei logisch nachvollziehbar und führe zu praktikablen Ergebnissen. Eine doppelte Belastung entstehe nicht, weil die Rückforderung wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze bezogen auf die jeweilige GOP anteilig berücksichtigt worden sei. Die Jobsharing-Obergrenze stelle kein Mindesthonorar des Vertragsarztes dar, welches nicht unterschritten werden dürfe.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 106a Abs 1 S 6 iVm § 101 Abs 1 Nr 4 SGB V und § 50 Abs 1 SGB X. Das der Beklagten zuzubilligende Ermessen beziehe sich auf die Feststellung des Umfangs der notwendigen Honorarberichtigung in der Abrechnungsprüfung, bestehe aber nicht bei der Berechnung und Festsetzung des Rückforderungsbetrages. Die einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Honorarbescheiden sei zwar grundsätzlich § 106a Abs 2 S 1 SGB V. Diese Regelung beinhalte jedoch nur eine Vorgabe für die Ermittlung des Berichtigungsvolumens in der Abrechnungsprüfung. Für die Berechnung der Rückforderung des überzahlten Honorars sei dagegen allein § 50 Abs 1 SGB X maßgeblich. Diese Regelung begrenze den Rückforderungsanspruch auf die maximale Höhe des ursprünglich "Erlangten". Bei der Jobsharing-Obergrenze handele es sich zudem um eine Leistungsbegrenzung in Form einer absoluten Vergütungsobergrenze. Dies stelle einen entscheidenden Unterschied zu Praxis- oder Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä dar. Bei den Praxisbudgets werde nicht die Leistungsmenge, sondern nur die Vergütung begrenzt. Bei dem Jobsharing dürften demgegenüber die über die Punktzahlobergrenzen hinausgehenden Leistungen schon nicht mehr erbracht werden und blieben deshalb unvergütet. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung müssten daher die bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze erfolgten Abzüge bei der Berechnung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vollständig angerechnet werden. Auch bei zwei "parallelen" Rückforderungen - hier Überschreiten der Jobsharing-Obergrenze und sachlich-rechnerische Richtigstellung - könne in der Summe nicht mehr verlangt werden, als ursprünglich ausbezahlt worden sei. Damit ergebe sich lediglich ein Rückzahlungsbetrag von 65 327,64 Euro.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 14.9.2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 23.7.2014 zurückzuweisen, soweit die Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009 betroffen sind.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die als rechtswidrig gerügte Doppelbelastung liege nicht vor. Bei Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung seien die Neufestsetzung des Honorars und die Rückforderung des Differenzbetrages im Rahmen des weiten Ermessens regelmäßig im Wege pauschalierter Schätzungen vorzunehmen. Dessen ungeachtet habe sie - die Beklagte - die Honorarabrechnung vorliegend im Rahmen einer praxisbezogenen Schätzung berechnet. Im Hinblick auf den bei Jobsharing-Abrechnungen zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei berücksichtigt, dass der Klägerin gewisse Honoraranteile aufgrund der Anwendung der Jobsharing-Obergrenze nicht vergütet worden seien. Für alle Honorarkürzungen gelte gleichermaßen, dass bei der Bemessung des Richtigstellungsbetrages an das ursprünglich angeforderte Volumen anzuknüpfen und dieses auch der Ausgangspunkt für die Berechnung des Betrages der Honorarkorrektur sei. Vorliegend seien die jeweiligen jobsharingbedingten Kürzungen bezogen auf die Quartale 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009 bei Berechnung der Honorarrückforderung aufgrund der sachlich-rechnerischen Richtigstellung hinreichend beachtet worden, indem ein Abschlag in Höhe des prozentualen Anteils der Jobsharing-Rückforderung am Gesamthonorar bei der jeweiligen Gebührenposition berücksichtigt worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen...

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