Urteil Nr. B 6 KA 45/17 R des Bundessozialgericht, 2018-10-24

Judgment Date24 October 2018
ECLIDE:BSG:2018:241018UB6KA4517R0
Judgement NumberB 6 KA 45/17 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Vertragsärztliche Versorgung - Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor auch insoweit mit höherrangigem Recht vereinbar, als sie sich auf Ärzte für Laboratoriumsmedizin erstreckt
Leitsätze

Die von den Bundesmantelvertragspartnern getroffene Vereinbarung zur Qualitätssicherung, die die Durchführung und Abrechnung von Leistungen des Speziallabors von einer vorherigen Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung abhängig macht, ist auch insoweit mit höherrangigem Recht vereinbar, als sie sich auf Ärzte für Laboratoriumsmedizin erstreckt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Umstritten sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen aus den Quartalen IV/2013 und I/2014 wegen fehlender Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von speziellen Laboratoriumsuntersuchungen durch einen bei der Klägerin angestellten Facharzt für Laboratoriumsmedizin.

Die Klägerin betreibt seit 2006 das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie K. . Mit Schreiben an die beklagte KÄV vom 28.8.2013 beantragte sie die Genehmigung der Beschäftigung von Dr. K. als Facharzt für Laboratoriumsmedizin gemäß § 95 Abs 1 und 2 SGB V ab dem 1.10.2013 im Umfang von 32 Wochenstunden. Dem Antrag war ua die Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung des Dr. K. als Facharzt für Laboratoriumsmedizin beigefügt. Mit Beschluss vom 18.9.2013 genehmigte der Zulassungsausschuss die Beschäftigung von Dr. K. als angestellter Facharzt für Laboratoriumsmedizin ab dem 1.10.2013. Den Inhalt der Genehmigung teilte die Beklagte der Klägerin zusammen mit der lebenslangen Arztnummer (LANR) des Dr. K. mit Schreiben vom 24.9.2013 mit. Mit separatem Schreiben vom 25.9.2013 wies die Abteilung Qualitätssicherung der Beklagten die Klägerin darauf hin, dass eine Genehmigung der KÄV Rheinland-Pfalz notwendig sei, wenn Dr. K. genehmigungspflichtige Leistungen erbringen sollte. Das Schreiben enthielt eine Internetadresse, unter der die Antragsunterlagen abgerufen werden konnten. Als Anlage war eine Übersicht aller genehmigungspflichtigen Leistungen beigefügt. In der Auflistung waren Laboruntersuchungen enthalten und mit dem Zusatz "Abschnitt 32.3 EBM-Ä nur bei persönlicher Durchführung" versehen. Durch Ankreuzen der entsprechenden Leistung auf dem Übersichtsformular konnten die Antragsunterlagen auch postalisch angefordert werden.

Dr. K. nahm seine Tätigkeit bei der Klägerin am 1.10.2013 auf. Am 20.1.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Laboratoriumsuntersuchungen aus den Abschnitten 1.7 und 32.3 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä). Mit Bescheid vom selben Tag (20.1.2014) genehmigte die Beklagte der Klägerin die Durchführung und Abrechnung von Laboruntersuchungen aus den Kapiteln 1.7, 11.3 (GOP 11320, 11321 und 11322), 11.4.1 bis 11.4.2 (Gebührenordnungsposition <GOP> 11330 bis 11500) und 32.3 EBM-Ä durch Dr. K. mit Wirkung zum 20.1.2014. Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung bereits zum 1.10.2013 geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.3.2014 zurück.

Die Beklagte berichtigte die Honorarforderung der Klägerin für das Quartal IV/2013 - neben weiteren Korrekturen, denen für das Verfahren keine Bedeutung zukommt - in Höhe von 137 760 Euro aufgrund fehlender Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der durch Dr. K. erbrachten speziellen Laboratoriumsuntersuchungen. Für das Quartal I/2014 erfolgte durch Bescheid vom 7.5.2014 neben anderen Korrekturen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung in Höhe von 74 575,60 Euro, die ebenfalls mit der fehlenden Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung begründet wurde. Die gegen beide Korrekturbescheide erhobenen Widersprüche, mit denen die Klägerin die Einbeziehung der durch Dr. K. erbrachten Speziallaborleistungen in die Honorarabrechnungen der Quartale IV/2013 und I/2014 geltend machte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.4.2015).

Die Klagen, die die Klägerin sowohl gegen die Ablehnung der rückwirkenden Erteilung der Abrechnungsgenehmigung als auch gegen die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen bezogen auf die durch Dr. K. in der Zeit vom 1.10.2013 bis zum 19.1.2014 erbrachten Leistungen erhoben hat (zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden unter dem Aktenzeichen S 2 KA 66/14), hat das SG abgewiesen. In der Zeit vom 1.10.2013 bis einschließlich zum 19.1.2014 habe die erforderliche Genehmigung für die Durchführung und Abrechnung spezieller Laboratoriumsuntersuchungen weder vorgelegen noch seien die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt gewesen. Die Klägerin habe entgegen Abschnitt F der Richtlinien der KÄBV für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen in der kassenärztlichen Versorgung ( 1992, A-4310; im Folgenden: Labor-RL) vor dem 20.1.2014 keinen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gestellt, sodass ein entsprechender Anspruch bereits aus diesem Grund ausscheide. Ein konkludenter Antrag auf eine solche Genehmigung sei dem Antrag auf Anstellungsgenehmigung vom 28.8.2013 nicht zu entnehmen. Die Beklagte müsse sich nicht veranlasst sehen, Anträge "ins Blaue hinein" auszulegen, sie treffe keine besondere Hinweis- oder Beratungspflicht. Eine rückwirkende Genehmigung aufgrund des Antragsschreibens vom 20.1.2014 komme nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht in Betracht. Da für die betroffenen Zeiträume keine Berechtigung zur Erbringung und Abrechnung von speziellen Laboratoriumsleistungen durch Dr. K. bestand, seien auch die durchgeführten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen rechtmäßig.

Mit der Sprungrevision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 95 SGB V und § 135 Abs 2 SGB V sowie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG. Sie ist der Auffassung, ein MVZ benötige für seine angestellten Fachärzte für Laboratoriumsmedizin neben der Anstellungsgenehmigung keine gesonderte Genehmigung der KÄV, um Speziallaborleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und abrechnen zu dürfen. Mit der Anstellungsgenehmigung für Herrn Dr. K. als Facharzt für Laboratoriumsmedizin habe das MVZ auch die Berechtigung erlangt, die von ihm erbrachten Speziallaborleistungen abzurechnen. Nach dem Wortlaut von § 135 Abs 2 SGB V und den Vorgaben der Labor-RL sei außerdem nicht das Datum der Erteilung der Abrechnungsgenehmigung für die Berechtigung zur Erbringung und Abrechnung von Laboratoriumsuntersuchungen maßgeblich, sondern allenfalls das Datum des Nachweises der Facharztqualifikation. Die Abrechnungsgenehmigung begründe im Übrigen keinen Status und könne daher auch rückwirkend erteilt werden.

Die Forderung nach einer gesonderten Genehmigung für die Abrechnung von Speziallaborleistungen durch Fachärzte für Laboratoriumsmedizin greife in unzulässiger Weise in ihren Zulassungsstatus ein und sei außerdem mit § 135 Abs 2 S 2 SGB V unvereinbar. Nach dieser Vorschrift definierten die in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung bundesweit inhaltsgleich eingeführten und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach § 135 Abs 2 S 1 SGB V gleichwertigen Qualifikationen die notwendigen und ausreichenden Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung der Leistungen. Da die (Muster-) Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (WBO) Qualifikationsanforderungen für die Erlangung der Facharztkompetenz im Gebiet der Laboratoriumsmedizin aufgestellt habe, die von allen Landesärztekammern inhaltsgleich übernommen worden seien, bilde die Qualifikation als Facharzt für Laboratoriumsmedizin eine "notwendige und ausreichende" Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen des Speziallabors. Die Facharztqualifikation, und damit die Anforderungen des § 135 Abs 2 SGB V, habe Dr. K. bereits vor Beginn seiner Anstellung am 1.10.2013 erfüllt. Ferner bestimme Nr 3 des Anhangs zu Abschnitt E der Labor-RL ausdrücklich, dass für Laborfachärzte die fachliche Befähigung zur Erbringung von Laboratoriumsleistungen mit der Berechtigung zum Führen der jeweiligen Arztbezeichnung als nachgewiesen gelte. Ein gesonderter Antrag auf Erteilung einer Abrechnungsberechtigung sei nach Abschnitt F Nr 1 der Labor-RL, auf den sich das SG beziehe, nur für solche Untersuchungen notwendig, bei deren Erbringung ein Fachkundenachweis erforderlich sei. Im Gegensatz dazu sähen die § 2 und § 6 der ab dem 1.4.2018 geltenden Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs 2 SGB V zur Erbringung von speziellen Untersuchungen der Laboratoriumsmedizin (Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor) nun ausdrücklich ein Genehmigungsverfahren auch für Laborfachärzte vor. Dieses neue Nachweisverfahren begegne denselben rechtlichen Bedenken, mache aber zumindest deutlich, dass im streitgegenständlichen Zeitraum noch kein Genehmigungserfordernis für Laborfachärzte bestanden habe.

Das sozialgerichtliche Urteil verletze die Klägerin auch in ihrer durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Da die Leistungen des Speziallabors für Fachärzte für Laboratoriumsmedizin wesentlich und prägend seien, bedürfe die Beschränkung der Erbringung dieser Leistungen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, an der es hier fehle. Die Forderung nach einer gesonderten Abrechnungsgenehmigung sei in der vorliegenden Konstellation bloße Förmelei. Dies zeige sich auch daran, dass Abrechnungsgenehmigungen postwendend nach Antragstellung erteilt würden. Die Einhaltung von Formerfordernissen als bloßer Selbstzweck könne Eingriffe in die Berufsfreiheit nicht rechtfertigen. Eine gesonderte Abrechnungsgenehmigung für Laborfachärzte lasse sich auch nicht unter Qualitätsgesichtspunkten rechtfertigen, da der Fachkundenachweis im Sinne des § 135 Abs 2 SGB V mit der Facharztqualifikation als erbracht gelte. Das Erfordernis einer...

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